Maschen. Im Dorfhaus Maschen hat ein Team aus dem Ganztagsbereich der Grundschule ein historisches Klassenzimmer eingerichtet.
Das Gewusel, wenn viele Kinder in einen kleinen Klassenraum strömen, unterscheidet sich nicht von heutigen Schultagen. „Hier sitze ich“, „Wo kommt die Tasche hin?“ schallt es durch den Raum. Aber eben auch: „Die Hände gerade auf den Tisch“ und „Ist das echt ganz von früher?“
Denn in diesem historischen Klassenzimmer werden die Kinder in die Kaiserzeit zurückversetzt. Ein Team aus engagierten Mitarbeitern der Grundschule Maschen hat eine Ecke im Dorfhaus so wie zur Jahrhundertwende eingerichtet. Zwei ernst blickende Herren – Wilhelm II. und Martin Luther – wachen links und rechts der Tafel über den Unterricht.
Die Schüler sitzen in schmalen Holzbänken mit Griffelmulden, vor ihnen liegen Schreibtafeln, sie tragen weiße und blaue Hemden und Matrosenkragen. An einer Wand hängt eine Sütterlintafel, in einer Ecke steht ein Abakus, ein Rechenschieber.
Schüler spielen Gelerntes im historischen Klassenraum nach
„Oft gucken wir erst einen Film über die damalige Zeit und dann können die Kinder das Gelernte hier nachspielen“, sagt Katrin Lembke-Schlaaff, Leiterin des Ganztagsbereichs an der Schule. Mit viel Liebe zum Detail hat sie mit ihren Kolleginnen Marika Jansone, Marlies Schüll und Ute Gather den Raum eingerichtet. Die Zeit des ersten Corona-Lockdown wollten sie sinnvoll nutzen.
„Das meiste haben wir auf Ebay gefunden“, erzählt Lembke-Schlaaff, die Geschichte studiert hat. Gemeinsam mit Schulleiter Rolf André und einem großen Auto mit Anhänger sammelte sie viele der gefundenen Schätze bei einer Tour durch Hamburg ein. Andere Stücke stammen aus Maschen, wie ein gesticktes Alphabet, das in den 1920er-Jahren im Unterricht entstanden ist. Den Abakus brachte Marlies Schüll aus ihrer Heimat Bayern mit und arbeitete ihn sorgfältig auf. „Ich habe jede Kugel einzeln mit Alkohol gereinigt“, erzählt sie. „Und das sind hundert Kugeln.“
Sorgfältig haben sie die alten Holzbänke aufgearbeitet
Die Holzbänke bearbeiteten die Frauen nach Anleitung einer befreundeten Restauratorin. Sie wurden geleimt und mit Schellack überzogen. „Das war uns wichtig, damit die Möbel gut aussehen, ohne dass wir ihnen die Vergangenheit genommen hätten“, sagt Lembke-Schlaaff, die zu allen Einrichtungsstücken eine kleine Geschichte gespickt mit historischem Hintergrund erzählen kann. In einer Vitrine sind Zeugnishefte ausgestellt, die in der Regel der Vater jährlich unterschrieb. „Wenn die Unterschrift von der Mutter stammt, war der Vater wahrscheinlich im Krieg gefallen.“
Auf Fotos an den Wänden sind Kinder im Unterricht und ein Mädchen mit Schultüte zu sehen. Fast lebensgroß blicken im Flur Mädchen in langen Kleidern und mit Schleifen im Haar neben Jungen in Matrosenanzügen von der Wand. Das alte Klassenbild aus Maschen gibt als Fototapete einen Eindruck vom damaligen Schulleben.
Aus einem früheren Stall stammt das Fenster – das gar keines ist
Das Fenster im neuen alten Klassenzimmer war zuvor Teil eines Schweinestalls, der abgerissen wurde. Für den Ausblick fotografierten die Schulmitarbeiterinnen einen großen Baum in Maschen – denn auch vor rund hundert Jahren stand ein Baum auf dem Schulhof. Einen Teil der Wand strichen sie in einem extra angemischten Grünton, der auch Schulgebäude der Kaiserzeit prägte. Die Leiterin des Ganztagsbereichs hat zudem alte Ansichten, Grundrisse und Fotos der wechselnden Maschener Schulbauten aufgetan. Sie sind im Eingangsbereich zu sehen.
Finanziert wurde das Projekt durch Spenden, teilweise auch durch Eigenmittel der Initiatorinnen. Einiges, wie ein weißes Waschgeschirr und einige Bücher, erhielten sie als private Geschenk für das Klassenzimmer. Katrin Lembke-Schlaaffs Lieblingsstück hängt übrigens über der Tafel. „Ich mag die Uhr sehr gern“, sagt sie. „Sie stammt aus Freiberg in Sachsen, dort hing sie bis 1945 in einem Realgymnasium. Das ist eine richtig typische Schuluhr.“
Schulleiter schätzt Entschleunigung ohne Technik für die Schüler
Wenn die heutigen Maschener Grundschüler sich in die Bänke setzen, die Hände brav auf den Tisch legen und den Blick zum Lehrer wenden – dann können sie sich vielleicht wirklich vorstellen, wie es war, das Schulleben zur Kaiserzeit. Auf jeden Fall erhalten sie einen Einblick in eine andere Welt, in der vieles erst einmal ungewohnt ist. „Die Kinder lernen, dass nicht alles blinkt und piept“, sagt Schulleiter Rolf André über die Vorzüge des Klassenraums zum Ausprobieren, der auch für das Unterrichtsthema „Schule früher“ genutzt wird.
Für die Zweitklässler Connor, Fiete, Lisa, Paul und Jannes sowie Benedict aus der 3a ist der gespielte Unterricht zu Ende. Sie wischen die Tafeln ab, hängen die Kragen an den Haken – und sind wieder Kinder aus dem 21. Jahrhundert.