Moisburg. Nach Negativschlagzeilen zum digitalen Dorfladen: Auch Moisburg muss länger auf seinen Supermarkt warten. Was dahinter steckt.
- Eröffnungs-Termin verschiebt sich
- Gründer nennt neues Datum
- Das Konzept stößt auf eine große Nachfrage
Zuletzt sorgten die bestehenden digitalen Dorfläden von Tante Enso in der Region mit großen Lücken in den Regalen und abgeschalteten Kühlwänden eher für negative Schlagzeilen. So waren genossenschaftlich organisierte Geschäfte des Online-Supermarktes MyEnso im Landkreis Cuxhaven sowie in Gülzow im Kreis Herzogtum Lauenburg von Versorgungsengpässen betroffen.
Vor diesem Hintergrund sorgt die Verschiebung des Eröffnungstermins für den Tante-Enso-Laden in Moisburg im Landkreis Harburg für weitere Spekulationen.
Tante Enso in Moisburg: Hier kann bald rund um die Uhr eingekauft werden
Ursprünglich sollte der digitale Supermarkt in Moisburg, in dem rund um die Uhr eingekauft werden kann, bereits Ende des vergangenen Jahres im Dorfzentrum eröffnen. Dann wurde der 29. Juni als Eröffnungstermin genannt.
Nun soll die Eröffnung erst am 14. September stattfinden. Das habe zwar für Verärgerung gesorgt, ein Grund zur Besorgnis sei dies aber nicht, sagt MyEnso-Gründer und Geschäftsführer Thorsten Bausch.
Trotzdem mutet sein darauffolgendes Statement wie ein Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage an: „Uns ist zwischendurch das Geld ausgegangen“, so Bausch auf Abendblatt-Nachfrage. Das sei aber nichts ungewöhnliches für ein fremdfinanziertes Start-up, und diese „Zwischenphase“ sei überwunden, relativiert der Geschäftsführer.
Eine weitere Verzögerung werde es nicht geben, sagt der Tante-Enso-Gründer
Der finanzielle Engpass habe aber für die inzwischen ebenfalls überwundenen Versorgungsengpässe gesorgt und auch dafür, dass sich Eröffnungen von neuen Tante-Enso-Läden nach hinten verschieben, erläutert Bausch. Das Unternehmen habe deshalb sein Expansionskonzept aktualisiert: „Wir haben immer gleichzeitig 30 Standorte vor uns. Ab Mitte August werden wir einen Tante-Enso-Laden pro Woche eröffnen und die Liste so nach und nach abarbeiten. Moisburg ist dann im September dran“, sagt Bausch. Eine weitere Verzögerung werde es nicht geben.
Auch die Versorgungsengpässe seien behoben. Sie seien zustande gekommen, weil sich eine Zahlung über rund zweieinhalb Millionen Euro von einem Investor verzögert habe, der an dem Start-up aus Bremen Anteile im Gesamtwert eines unteren zweistelligen Millionenbetrags erworben habe, so Bausch. „Die letzte Tranche ist im April eingegangen.“ Der finanzielle Engpass sei überwunden.
Das Tante-Enso-Konzept: Online-Handel mit dem Tante-Emma-Gefühl verbinden
Tante Enso hat große Expansionspläne: Bundesweit soll das Konzept, das Online-Handel mit dem stationären Tante Emma-Gefühl verbinden will, in kurzer Zeit auf 800 bis 1000 Standorte ausgedehnt werden. Mit seinem innovativen Angebot zur Lösung des Problems der Nahversorgung vor allem im ländlichen Raum hat das Unternehmen, das Teil des Onlinesupermarkts MyEnso ist, eine Nachfrage-Lawine losgetreten, die mit großen Herausforderungen verbunden ist.
So müssen für jede Neueröffnung zahlreiche Genehmigung der Behörden eingeholt und verschiedenen Dienstleister zusammengebracht werden – Verzögerungen bleiben dabei kaum aus.
Moisburgs Bürgermeister fühlt sich von Tante Enso gut informiert
Auch in Moisburg war das nicht anders: „Jeder weiß, wie schwierig es aktuell ist, Genehmigungen für eine Umnutzung zu erhalten und Handwerker zu bekommen“, sagt Moisburgs Bürgermeister Ronald Doll. Er sei über die Verschiebung des Eröffnungstermins informiert worden und fühlt sich von Tante Enso nach wie vor gut informiert. „Wir haben immer offen miteinander gesprochen, und ich werde bei Updates involviert“, so Doll. Im Ort gebe es zwar ein Bedauern über die verspätete Eröffnung des digitalen Dorfladens. „Aber wir sind froh, dass er kommt und freuen uns drauf.“
Bausch registriert dagegen schon einen gewissen Missmut, mit dem manche Dorfbewohner auf die Verzögerung reagieren. Und dafür hat der Geschäftsführer nur bedingt Verständnis: „Die Leute haben zehn Jahre auf einen Supermarkt gewartet und reagieren verärgert, wenn er sich um ein paar Wochen verspätet.“
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Das sei möglicherweise „typisch deutsch“: „Wir haben allgemein festgestellt, dass die Menschen nach der Eröffnung ihres Tante Enso total happy mit dem Laden, der Zentrale und dem Management sind. Auf dem Weg dahin sind sie aber teilweise unleidlich. Da wird das Haar in der Suppe gesucht.“
Tante Enso: Mindestens 300 Dorfbewohner müssen einen Anteil über 100 Euro zeichnen
Ungeduld und enttäuschte Reaktionen mögen auch mit der emotionalen Ansprache zusammenhängen, die Bauschs Unternehmen mit seiner genossenschaftlichen Ausrichtung in die Kommunen hinein pflegt. „Wir produzieren viel Nähe“, sagt der Geschäftsführer. Die Anwohner in einem Dorf, das einen Tante-Enso-Laden haben möchte, werden von Anbeginn eng in das Planungsverfahrens für ihren neuen Lebensmittelmarkt involviert.
Auch müssen mindestens 300 Dorfbewohner jeweils einen Anteil über 100 Euro in einer Einkaufsgenossenschaft zeichnen, also Teilhaber ihres Tante-Enso-Ladens werden, damit eine Realisierung überhaupt in Angriff genommen wird. Um diese Einlage müsse sich niemand Sorgen machen, so Bausch: „Wir fühlen uns den Orten verpflichtet und wir wollen jeden Tante Enso so zeitnah wie möglich eröffnen.“