Jesteburg. Marcus Bulgrin ist nach mehr als 40 Tagen auf hoher See in Island angekommen. Online-Tagebuch gibt Einblicke in die aufregende Fahrt.
Eine heiße Dusche, dann eine schöne große Pizza – und zum Abschluss ein frisch gezapftes Bier: Vor wenigen Tagen erst malte sich der Jesteburger Segler Marcus Bulgrin noch immer wieder aus, was er zuerst machen würde, wenn er endlich die isländische Hauptstadt Reykjavik erreicht hat. In seinem nur rund neun Meter langem Segelboot, einer 40 Jahre alten Hallberg Rassy Monsum 31, rauschte er da mit stark gerefften Segeln durch die Weiten des aufgewühlten Nordatlantiks.
Jesteburger Segler hat anstrengende Wochen auf hoher See hinter sich
Vier Grad Außentemperatur und ein eisiger Wind ließen die täglichen Routinearbeiten an Deck seit Wochen schon zur Tortur werden. Meist hielt sich der 49-jährige Airbus-Ingenieur daher in der kleinen Kajüte auf, während die mechanische Selbststeueranlage treu den Kurs hielt.
„Sie braucht keinen Strom, isst mir die Schokolade nicht weg und beklagt sich nicht“, schrieb er in sein Online-Logbuch, das über Satelliten-Daten täglich Kurs, Standort und einen Kurzbericht über sein einjähriges Segelabenteuer liefert, das ihn nun in die hohen Breiten und nur wenige Meilen von Grönland entfernt geführt hatte.
Marcus Bulgrin segelte allein in die Karibik
Was für ein krasser Gegensatz zum Winter, den er noch unter der karibischen Sonne verbracht hatte. Zuvor war Bulgrin einhand, also als Alleinsegler, im Spätherbst auf Teneriffa gestartet, um die beständigen Passatwinde zu erwischen, die früher auch schon die Frachtsegler in die Neue Welt getragen hatten.
Heute nutzen viele Jachten immer noch diese Wetterlage im Winter, um von Europa auf einem südlichen Kurs in die Karibik zu segeln. Meist sind es größere Boote als Bulgrins „Ikaika Noa“ und meist wird mit Mannschaften gesegelt. Doch Bulgrin, der von seinem Arbeitgeber eine einjährige Auszeit bekommen hat, wollte es allein wagen und schaffte es auch nach 25 Tagen über den Atlantik.
Im Mai wird es in der Karibik gefährlich – dann ist Hurrikan-Saison
Zu Weihnachten kam dann seine Freundin mit dem Flugzeug nach und beide tingelten mit der „Ikaika Noa“ durch die karibische Inselwelt. Allerdings beginnt dort im Mai die gefährliche Hurrikan-Saison. Viele europäische Segler verkaufen ihre Schiffe dann vor Ort und fliegen zurück, andere lassen ihre Yachten per Decksfracht zurückbringen, einige Segler wählen aber auch im Frühjahr den Weg Richtung Europa auf eigenem Kiel.
In der Regel geht es dann über die Azoren, Portugal und Ärmelkanal zum heimischen Hafen. Ein West-Ost-Kurs, der wegen wechselnder Winde und gelegentlich unbeständigen Wetters als deutlich anspruchsvoller gilt als der umgekehrte Weg.
Der Segler wählt circa 7400 Kilometer weite Nordroute zurück
Der Jesteburger Bulgrin aber wählte noch einen anderen, sehr ungewöhnlichen Kurs, der ihn und das kleine Boot weit in den Norden des Atlantiks führen sollte. Noch nördlich von Großbritannien mit Zwischenstopp auf Island und dann über Färöer- und Shetland-Inseln zurück in die Nordsee sollte es gehen, entschloss sich Bulgrin noch in der Karibik. „Mich hat dies gereizt, da es wenige Reiseberichte und Informationen über diese Nordroute gibt und ich wollte sozusagen von der Sonne ins Eis segeln“, schreibt er später in einer Mail an das Abendblatt.
Knapp 4000 Meilen, etwa 7400 Kilometer standen ihm beim Ablegen bevor. Allein im kleinen Boot, mitten im Nordatlantik. Von Island bis zum Heimathafen Bremen sind es dann noch einmal 1500 Meilen, also etwa 2800 Kilometer.
„Gestern Nacht war das erste Mal auf dieser Reise, dass mir wirklich mulmig zumute war“
Schon nach einigen Tagen auf See merkte Bulgrin aber, dass es diesmal härter werden würde. Merkwürdige Strömungen, wechselnde Winde, Flaute und dann wieder Starkwind, wechselten sich ab. Nebel, Regen, wenig Sicht im scheinbar ewigen Grau des Ozeans kamen hinzu, dann auch wieder heftiger Seegang: „Gestern Nacht war das erste Mal auf dieser Reise, dass mir wirklich mulmig zumute war“, notierte er am 21. Tag nach dem Ablegen auf den Virgin Islands in sein Online-Logbuch. Er hatte sich da zum Schlafen auf den Kajütboden gelegt, weil er sich dort mit Kissen gut einkeilen konnte.
Fünf Meter hohe Wellen prallen auf das Boot
Mit kleinem Vorsegel und dreifach gerefftem (gekürztem) Großsegel kämpfte er sich bei einem Am-Wind-Kurs schräg gegen den Wind, der mit Stärke acht Beaufort wehte. Die Höhe der Wellen schätzte Bulgrin auf drei, vereinzelnd auch auf fünf Meter.
Er habe gefühlt, wie jede Welle über das Deck spülte, jede 3 Welle über die Aufbauten bis ins Cockpit. „Alle 5 Minuten ist das Boot dann im freien Fall eine Welle kopfüber hinuntergefallen. Das Geräusch kann man nicht beschreiben. Als wenn jemand mit dem Vorschlaghammer gegen das Boot schlagen würde. Dies waren dann die Augenblicke, in denen ich gezweifelt habe“, konnte man von ihm lesen.
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„Wenn ich mich richtig erinnere, ist dies das Gebiet, in dem die Titanic ihren Eisberg rammte“
Nach 24 Tagen schließlich hatte er erst die Hälfte der Strecke geschafft, frische Vorräte wie Gemüse und Obst waren da längst verbraucht. Am 25. Tag dann kam der erste Vorgeschmack auf die Bedingungen im Norden mit einem plötzlichen Temperatursturz und eisigen Wind von Grönland „Wenn ich mich richtig erinnere, ist dies das Gebiet, in dem die Titanic ihren Eisberg rammte“, schrieb er an diesem Tag in sein virtuelles Logbuch. Die Dieselheizung mochte er in dieser Zeit aber nur kurz anschmeißen, um den Treibstoff für den Motor zu sparen, falls wieder Flauten kommen.
Je näher er Island kommt, desto weniger kann er am Stück schlafen
Nach etwa 40 Tagen im einsamen Atlantik näherte er sich dann rund 200 Seemeilen vor Island auch den üblichen Schifffahrtsrouten wieder, längere Schlafperioden waren nun vorbei. Zwar ist Bulgrin mit einem Radarwarner ausgerüstet, der Alarm gibt, wenn er die Radarstrahlung andere Schiffe registriert.
Doch mit jeder Meile, die er näher an Island kam, wurde auch die Möglichkeit einer gefährlichen Begegnung wieder größer. „Dann werde ich wohl wieder Wach-Rhythmen einführen, Schluss mit dem wachfreien Lotterleben“, schrieb er da in sein Logbuch.
Jesteburger Segler kommt nach 43 Tagen in Reykjavik an
Anfang dieser Woche dann war diese erste große Etappe nach 43 Tagen geschafft. Um 10 Uhr morgens machte er am Montag im Yachthafen der isländischen Hauptstadt fest – als einziger Gast. Und dann hat es auch geklappt, wie vorgestellt. Im Clubhaus duschte er ausgiebig, genoss in der Stadt eine große Pizza und natürlich ein frisches gezapftes Bier. „Danach habe ich dann erstmal richtig ausgeschlafen“, berichtete er via Mail.
Nun will er sich einige Tage Pause können, Segel reparieren lassen und neuen Diesel bunkern; im Juli schließlich soll es auf die letzte Etappe zurück nach Bremen gehen. Am 1. August dann wird er wieder in seinem Job erwartet.
Nachlesen und später im Juli weiterverfolgen kann man das Segel-Abenteuer des Jesteburgers in seinem Online-Logbuch.