Neu Wulmstorf. Ortsdurchfahrten: In Wulmstorf und Daerstorf kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Gemeinde will das ändern – kann aber nicht.

Die Gemeinde Neu Wulmstorf hat für die Ortsdurchfahrten von Wulmstorf und Daerstorf die Einrichtung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h beantragt. Die Entscheidung steht zwar noch aus – aber es dürfte jetzt schon klar sein, dass aus diesem Antrag nichts wird.

Die Ortsdurchfahrten von Daerstorf und Wulmstorf liegen auf der L235, sind aber für eine Landesstraße schmal und stellenweise sehr kurvig. Seit die sogenannte Radwegebenutzungspflicht in den zur Gemeinde Neu Wulmstorf gehörenden Ortsteilen im vergangenen Jahr auf der Landesstraße größtenteils aufgehoben wurde, sind Radfahrer auf fast der gesamten Strecke verpflichtet, auf der Straße zu fahren. Was regelmäßig zu gefährlichen Situationen führt, wie Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke bei Bekanntgabe der Antragsstellung auf Tempo 30 im Verkehrsausschuss der Gemeinde so formulierte: „Wir sehen dort ein erhöhtes Unfallrisiko.“

Eröffnung der A26 hat die Situation in Neu Wulmstorf verschärft

Dieses habe sich mit der Eröffnung der A26 noch verschärft, weil sich der Lkw-Verkehr auf den Ortsdurchfahrten in Richtung Elstorf verstärkt habe.

Ziel der Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht durch den Landkreises war es, geltendes Recht umzusetzen und den Radfahrern auf möglichst vielen Strecken das Fahren auf der Fahrbahn zu ermöglichen. Auf der L235 in Wulmstorf und Daerstorf ging das nach hinten los. Die unübersichtliche Verkehrssituation veranlasst offenbar viele Radfahrer, weiterhin auf dem Gehsteig zu fahren und nicht – wie vorgeschrieben - auf der Straße.

Gemeinde hatte schon lange weitere Schutzmaßnahmen gefordert

Die Gemeinde Neu Wulmstorf legt dar, dass die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht seitens der Gemeinde zwar grundsätzlich unterstützt werde und auch die Kennzeichnung auf der Straße durch Piktogramme und Schutzstreifen in ihrem Sinne sei. Sie habe aber bereits bei der Einführung Bedenken an bestimmten Straßenabschnitten geäußert, heißt es in dem Antrag, der beim zuständigen Landkreis gestellt wurde.

Die Gemeinde habe schon damals an den gefährlichen Streckenabschnitten, wie zum Beispiel die schmale S-Kurve in Wulmstorf oder der langgezogenen Kurve in Daerstorf, weitere Schutzmaßnahmen gefordert. „Leider konnten die aus unserer Sicht gefährlichen Stellen nicht besser sichtbar gemacht beziehungsweise gelöst werden. In der S-Kurve in Wulmstorf gibt es tagtäglich immer noch gefährliche Situationen mit Lkw und größeren Fahrzeugen“, teilte die Verwaltung dem Abendblatt mit.

Mehrbelastung im Verkehr in Richtung Hamburg und in Richtung Rade zur A1

Und da die Sicherheit - besonders für die Radfahrer - auf der Strecke nicht gegeben sei, sei der Antrag auf eine Geschwindigkeitsreduzierung in den Ortschaften Wulmstorf und Daerstorf auf 30 km/h beantragt worden.

Hinzu komme, dass es bei den Wechselstellen von Fahrbahn zu Radweg keine baulichen Warte- beziehungsweise Querungspunkte gebe. „Und durch die Öffnung der A26 in Neu Wulmstorf und die dahingehende Mehrbelastung im Verkehr in Richtung Hamburg, aber auch in Richtung Rade zur A1, wird die Situation auf der L235 nicht besser“, heißt es aus der Verwaltung.

Gemeinde ist mit der niedersächsischen Landesbehörde in Kontakt

Hier stehe die Gemeinde schon mit der zuständigen niedersächsischen Landesbehörde in Kontakt, um ein entsprechendes Lkw-Leitsystem über Ovelgönne umzusetzen.

Seit der Umstellung sei festzustellen, dass weiterhin die wenigsten Radfahrer auf der Straße fahren, heißt es in dem Antrag. Grund dafür seien die nach wie vor gefährlichen Abschnitte, auf denen sich kein Radfahrer traue zu fahren, denn „in der S-Kurve in Wulmstorf treffen Schwerlastverkehr, Pkws und Radfahrer auf einer unübersichtlichen Weise zusammen“.

Tempo 30 als maximale Geschwindigkeit auf den beiden Ortsdurchfahrten

Die Gemeinde fordert den Landkreis in ihrem Antrag daher zur Einrichtung von Tempo 30 als maximale Geschwindigkeit auf den beiden Ortsdurchfahrten auf: „Zum Schutz der Radfahrer und der Steigerung der Akzeptanz, auf der Straße zu fahren“.Eine Entscheidung über den Antrag ist noch nicht gefallen, wie der Landkreis dem Abendblatt auf Nachfrage bestätigte. Allerdings wird dort keine Chance gesehen, dass er genehmigt wird, denn dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, so der Landkreis. „Die Straßenverkehrsordnung lässt es nicht zu. Damit Kommunen selbst entscheiden können, wo es sinnvoll ist, langsam zu fahren. müsste die Bundesgesetzgebung geändert werden“, erläutert Landkreissprecher Bernhard Frosdorfer die gültige Rechtslage. Eine Landesstraße müsse einen gewissen Verkehrsfluss garantieren.

Eine Tempo-30-Zone darf sich derzeit nicht auf sogenannte Straßen des überörtlichen Verkehrs, also Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, erstrecken. Ausnahmen könne es lediglich in sensiblen Bereichen wie an Kitas, Schulen oder Pflegeheimen geben, so Frosdorfer. Daher werde die Gemeinde Neu Wulmstorf demnächst Post vom Landkreis erhalten: „Wir werden den Antrag ablehnen“, sagte der Landkreissprecher.

Fehlende Rechtsgrundlage für eine Entschärfung der Gefahrenstellen?

Am vergangenen Dienstag sei dazu die Stellungnahme des Landes eingegangen, die – ebenso wie die vorliegende Stellungnahme der Polizei – zu 30 km/hm gleichen Schluss kommt: Ablehnung aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage.

Diese möchte eine 2021 gegründete bundesweite Initiative unter Beteiligung des Deutschen Städtetags ändern. Sie fordert den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anordnen können, wo sie es für notwendig halten.

So lange diese Initiative aber nicht von Erfolg gekrönt ist, bleibt es bei der bisherigen Regelung, die eigentlich in allen Kommunen bekannt sein dürfte. Dennoch erreichen den Landkreis häufig Anträge auf Einführung von Tempo-30-Zonen auf Straßen, von denen eigentlich klar sein müsste, dass daraus bei der gültigen Rechtsgrundlage nichts werden kann.