Neu Wulmstorf. Opposition und Bürger kritisieren Vollsperrung der Hauptgeschäftsstraße scharf. Die Kosten schnellen derweil in die Höhe.

Die seit Januar laufenden Umbauarbeiten der Bahnhofstraße in Neu Wulmstorf gehen den Anwohnern zunehmend auf die Nerven – vor allem, weil die Hauptgeschäftsstraße des Ortes seit dem 24. April und voraussichtlich noch bis zum 16. Juni im Kreuzungsbereich in Höhe des Rathauses komplett für den Durchgangsverkehr gesperrt ist. Bisher wurden die Bauarbeiten bei halbseitiger Sperrung durchgeführt und der Verkehr mit Baustellenampeln geregelt. Das ist seit vergangenen Montag vorbei. Die erste Woche unter Vollsperrung stellte für Anwohner und Autofahrer eine große Herausforderung dar.

Die aktuelle Vollsperrung steht im Zusammenhang mit dem Vorrücken der Bauarbeiten in Richtung des Kreuzungsbereichs am Rathaus. Dort wird die vorhandene Fußgängerampel, die vor allem von vielen Schülern und Schülerinnen der an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße ansässigen Schulen genutzt wird, in Richtung Rathaus versetzt. Das ist das größte Projekt im Rahmen der Umgestaltung der Bahnhofstraße, die seit Januar läuft.

Der Anteil der Gemeinde an den Kosten schnellte rasant in die Höhe

Die zentrale Straße soll für die Nutzer attraktiver gestaltet werden und den ansässigen Einzelhandel und die Gastronomie stärken. Betroffen vom Umbau ist der Bereich zwischen der Straße Zur Heide und dem Rathaus. Ab dem Bereich der aktuellen Vollsperrung soll zudem eine Tempo-20-Zone beginnen. Ziel der Maßnahme sei es, den Fußgänger- und Radverkehr zu stärken und diesem mehr Platz einzuräumen, um somit den Durchgangsverkehr aus der Bahnhofstraße zu lenken, so die Verwaltung. Außerdem sollen mehr Aufenthaltsflächen geschaffen werden.

Hierfür hat die Gemeinde 295.000 Euro aus dem EU-Förderprogramm „Perspektive Innenstadt“ erhalten. Anfänglich war von einer Zuzahlung der Gemeinde in Höhe von 33.000 Euro die Rede gewesen. Dann gab es ein Angebotspreis von 561.000 Euro – und der Anteil der Gemeinde schnellte entsprechend in die Höhe. Höchstwahrscheinlich muss die Gemeinde noch Geld nachschießen, aber Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke rechnet nicht damit, dass sich der Kostenrahmen deutlich erhöht. „Ich erwarte keine großen Abweichungen“, so Handtke. Manches ist bereits fertig, wie eine Rundbank am Marktplatz.

Autofahrer fahren über den Rossmann-Parkplatz und gefährden Fußgänger

Dennoch ist der Grund für die aufwendigen Arbeiten einigen Passanten nicht auf den ersten Blick ersichtlich und manchen auch nicht auf den zweiten. Bei einem Vor-Ort-Besuch des Abendblatts fallen Kommentare wie „Das ist ein Witz“, „Zwecklos“ und „Unnötig“. Für den betriebenen Aufwand sehe man ja außer ein paar ausgetauschter Pflastersteine so gut wie nichts, hieß es. Außerdem war zu beobachten, dass Fahrzeuge von der Bahnhofstraße über den Rossmann-Parkplatz fahren, um in den eigentlich abgesperrten Grenzweg zu gelangen – was für Fußgänger an dieser Ecke sehr gefährlich werden kann.

Auch im Grenzweg fallen die vielen Fahrzeuge auf, die vor der Absperrung zur Bahnhofstraße wenden müssen. Und auch auf den – nicht offiziellen – Ausweichstraßen, wie Schifferstraße oder Konrad-Adenauer-Allee, kommt es besonders zu den Stoßzeiten zu größeren Behinderungen. „Die Verkehrssituation in der Bahnhofstraße ist aktuell mehr als unbefriedigend“, findet auch Malte Kanebley von der örtlichen CDU. „Das liegt auch an der – aus meiner Sicht – deutlich verbesserungswürdigen Beschilderung.“

Die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinde seien begrenzt, sagt der Bürgermeister

Tatsächlich waren beim Abendblatt-Besuch Mitte der vergangenen Woche die Wegweiser auf der B 73 zum Bahnhof und zum P&R-Parkhaus noch unverändert. „Da muss man sich nicht wundern, wenn die Fahrzeuge auch wirklich in die Bahnhofstraße abbiegen. Ich hoffe, dass unsere Verwaltung hier nachsteuert“, so Kanebley.

Bürgermeister Tobias Handtke will das überprüfen, wie er dem Abendblatt am vergangenen Freitag bestätigte: „Wir haben bei der Beschilderung bereits nachjustiert und sind immer dabei, die Situation zu überprüfen. Außerdem stehen wir mit den zuständigen Behörden und der Polizei im ständigen Austausch über die Lage.“ Die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinde seien allerdings begrenzt, so Handtke. „Ich bitte dafür um Verständnis.“ Die Bürger und Bürgerinnen werden gebeten, die vorgesehene Umleitung über die B 3 zu benutzen, um die Nebenstraßen zu entlasten.

Die Geschäfte an der Bahnhofstraße sind trotz der Sperrung erreichbar

Die Kritik der Ratsgruppe CDU/FDP an der Baumaßnahme gelte unverändert, sagt Malte Kanebley. „Allerdings haben wir das Projekt nicht deshalb kritisiert, weil die Bauzeit für Behinderungen sorgt. Das liegt leider in der Natur der Sache, auch wenn man dies aus meiner Sicht wesentlich besser organisieren könnte“, so Kanebley. Seine Gruppe wollte kurz vor Baubeginn aufgrund „einer Kostenexplosion“ das Projekt nicht mehr mittragen.

„Den Erfolg der Baumaßnahme werden wir nach Fertigstellung bewerten. Es ist ja heute schon bekannt, dass der ohnehin schon völlig überzogene Kostenrahmen erneut nicht gehalten werden kann. In welchem Umfang, werden wir am Ende sehen“, sagt Kanebley. „Was ich bisher in der Bahnhofstraße erkennen kann, ist jedenfalls sehr ernüchternd.“

Die Gemeinde weist darauf hin, dass die Geschäfte an der Bahnhofstraße auch während der Vollsperrung bis zum 16. Juni erreichbar sind. Das gelte auch für den Wochenmarkt, wo weiterhin mittwochs von 8 Uhr bis 13 Uhr und freitags von 8 Uhr bis 18 Uhr eingekauft werden könne.