Neu Wulmstorf. Gemeinderat verabschiedet einstimmig Haushalt mit Defizit von 2,1 Millionen Euro. Wofür allein 55 Millionen Euro gebraucht werden.

„Not verbindet“ - Mit diesen Worten fasste Jan Lüdemann, Fraktionsvorsitzender der UWG/Freie Wähler-Fraktion im Neu Wulmstorfer Gemeinderat, den einstimmigen Haushaltsbeschluss des Gremiums am vergangenen Donnerstagabend treffend zusammen. Denn Neu Wulmstorfs angespannte Haushaltslage lässt wenig Spielraum zu und schränkt deshalb die Diskussionen um die Mittel ein. Der jetzt vom Rat der Gemeinde Neu Wulmstorf verabschiedete Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 ist zum wiederholten Male nicht ausgeglichen und weist ein Defizit im Ergebnishaushalt von mehr als 2,1 Millionen Euro aus.

Der Grund dafür: Trotz einer deutlichen Erhöhung der Steuereinnahmen um rund vier Millionen Euro und des angesetzten Rotstifts in einigen Bereichen konnten die stark gestiegenen Kosten im Bereich Personal, Energiepreise, Zinsen für Kredite sowie Transferaufwendungen – etwa für die Flüchtlinge aus der Ukraine – in der Planung nicht kompensiert werden.

Wie kann die Finanzlage ohne Erhöhung der Steuern verbessert werden?

„Damit dürfen wir uns für die Zukunft nicht abfinden“, sagte Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke. „Wir müssen trotz schwierigster Begleitumstände daran festhalten, langfristig einen stabilen Haushalt aufzustellen.“

Insgesamt umfasst der Neu Wulmstorfer Etat für 2023 ein Volumen von rund 45 Millionen Euro. Zur Konsolidierung müssten mittel- und langfristig höhere Erträge erzielt werden, so Handtke. Der Bürgermeister setzt dabei aktuell aber nicht auf Steuererhöhung: „Das halte ich zu diesem Zeitpunkt nicht für das Richtige. Das ist den Bürgerinnen und Bürgern in der momentanen Situation nicht zu vermitteln“, sagte Handtke.

Straßen müssen saniert werden, der Bauhof und das Freibad

Neu Wulmstorf plant eine weitere Kreditaufnahme in Höhe von 18 Millionen Euro – allerdings soll diese erst 2025 ausgelöst werden und vor allem in die Finanzierung der Neu- beziehungsweise Umbauten der drei Grundschulen der Gemeinde fließen. „Wir sprechen allein bei den drei Schulen von einem Investitionsvolumen von insgesamt deutlich über 55 Millionen Euro“, sagte Tobias Handtke mit Blick auf die größte Investitionsmaßnahme der Gemeinde in den kommenden Jahren, die zwei Schulneubauten (Grundschulen Am Moor und An der Heide) und eine umfangreiche Erweiterung der Grundschule in Elstorf umfasst. Allein die Kosten für die Neubauten der beiden Grundschulen im Kernort belaufen sich auf 52 Millionen Euro.

Notwendige Investitionen in Straßen und zum Beispiel in den Bauhof seien damit noch gar nicht beziffert, so Handtke. Doch wie kann die Finanzlage angesichts dieses zu leistenden finanziellen Kraftakts verbessert werden ohne Steuererhöhungen? „Durch deutlich mehr Ansiedlung von Gewerbe, das Gewerbesteuer bei uns lässt“, lautete das Rezept von Sonja Stey, Vorsitzende der Gruppe Grüne/Linke im Gemeinderat.

Einschränkungen bei den freiwilligen Leistungen?

Die Wirtschaftskraft zu erhöhen sei selbstverständlich ein angestrebtes Ziel, entgegnete Handtke. Jedoch habe sich die Gemeinde hinsichtlich der Entwicklung von Gewerbeflächen nie großartig nach vorn bewegt und verfüge nur über ein begrenztes Potenzial. Auch Einschränkungen bei den freiwilligen Leistungen scheinen sowohl im Rat und als auch beim Bürgermeister als Einsparpotenzial nicht durchsetzbar zu sein.

Bei den Positionen, die Ausdruck des Zusammenlebens in der Gemeinde seien, dürfe der Rotstift nicht angesetzt werden, sagte Handtke, der in diesem Zusammenhang auch die weitere Nutzung des sanierungsbedürftigen Freibads nannte. „Solange die Technik keine hohen Investitionen bedarf“, schränkte der Bürgermeister ein. Der gesamte Posten der freiwilligen Leistungen, zu denen neben den Bädern unter anderem die Gemeindebücherei, Schulsozialarbeit, Sportzentren, der ÖPNV und selbst die Beleuchtung der Nebenstraßen in der Nacht gehören, sei mit 1,8 Millionen Euro ohnehin nicht hoch genug, um den Neu Wulmstorfer Haushalt zu sanieren. „Mit dem Kahlschlag der freiwilligen Leistungen würde sämtliche Lebensqualität aus dem Ort verbannt“, betonte auch der Fachausschussvorsitzende Jürgen Waszkewitz (SPD), der den Haushalt der Gemeinde insgesamt als „vernünftig“ bezeichnete: „Das Risiko ist tragbar.“

Fünf Millionen Euro Überschuss aus dem Jahr 2022

Die Losung der Stunde sei dennoch Vorsicht und Zurückhaltung. „Nur weil es viele Jahre immer besser lief als geplant, ist das keine Garantie, dass das immer so bleibt“, warnte Waszkewitz mit Blick auf den unerwartet positiven Abschluss für 2022 mit einem Überschuss von rund fünf Millionen Euro – ein Überschuss, der allerdings neben den angestiegenen Steuereinnahmen auf unfreiwillig eingesparten Personalkosten aufgrund nicht besetzter Stellen im Rathaus basierte sowie auf Lieferengpässen, die die Umsetzung geplanter Projekte verhinderten. „Wir werden die Zurückhaltung künftig sehen, besonders deutlich im Pflegezustand des Straßenbegleitgrüns“, meinte Jürgen Waszkewitz. Auch Tobias Handtke kündigte „Einschränkungen und Belastungen“ an, auf die sich Neu Wulmstorfs Bürger einstellen müssten.

Lediglich ein regelmäßiger „Haushaltsmahner“ goss bei aller demonstrierten Einigkeit in der Etatplanung Öl in die Wunde: „Wir müssen mehr sparen“, lautete der Appell von CDU-Urgestein Gerhard Peters. Die „Schuldenmacherei“ in Neu Wulmstorf gehöre auf den Prüfstand. Er kritisierte, dass bei den Standards im Schulbau „immer in die oberste Schubladen gegriffen“ werde. Insbesondere seien auch jene Investitionen zu hinterfragen, für die die Gemeinde gar nicht zuständig sei, sondern Bund oder Land, so Peters: „Wer die Gesetze etwa zur Ganztagsbetreuung an den Grundschulen macht, muss die Kommunen finanziell entsprechend entlasten“, forderte der CDU-Finanzpolitiker.

Trotz Kritik stimmen alle Ratsmitglieder für den Haushalt der Gemeinde

Seiner Rechnung, dass das Defizit im Ergebnishaushalt 2022 in Höhe von 2,1 Millionen Euro ohne die steuerlichen Mehreinnahmen in Höhe von vier Millionen Euro statt bei rund 900.000 Euro bei rund sechs Millionen Euro gelegen hätte, widersprach Tobias Handtke: „Da kann man ja auch sagen, dass wir ohne die Preissteigerungen einen ausgeglichenen Haushalt gehabt hätten. Beide Werte sind inflationsbedingt zu sehen“, so der Bürgermeister zum Abendblatt.

Ratsmitglied Peters stand mit seiner deutlichen Kritik an der Neu Wulmstorfer Haushaltspolitik allein da und erhielt für seinen Wortbeitrag nicht einmal die ungeteilte Zustimmung aus den eigenen Reihen, sondern lediglich Applaus aus der Zuhörerschaft. Letztlich stimmte aber auch der Mahner zum Sparen dem Haushaltsplan ebenso zu wie alle anderen anwesenden Ratsmitglieder: „Unter der Bedingung, dass die Kommunalaufsicht ihn genehmigt“, so Peters.