Berlin/Jesteburg. Die teils insolvente Dorea-Gruppe betreibt mehrere Pflegeheime vor Ort. Eines im Landkreis Harburg ist unmittelbar betroffen.
Es ist ein weiterer Schlag für die Pflege, der sich unmittelbar im Landkreis Harburg und in der Region auswirkt: Nach dem Pflegeheimbetreiber Convivo und dem AHD („Ambulante Hauspflege Dienst“) hat es nun den großen Pflegeanbieter Dorea getroffen.
Die Gruppe mit deutschlandweit fast 80 stationären und vielen ambulanten Angeboten musste für Teile des Unternehmens Insolvenzanträge stellen. Darüber berichtete zuerst die „Wirtschaftswoche“.
Dorea-Pflegeheime in Harburg, Jesteburg, Buxtehude und Stade
Vor Ort betreibt der Unternehmenszweig Doreafamilie vier Pflegeheime (Harburg, Jesteburg, Buxtehude und Stade) und zwei ambulante Dienste (Buxtehude und Marschacht). Unmittelbar betroffen von dem „Schutzschirmverfahren“ ist nach Unternehmensangaben lediglich der Standort in Jesteburg – der Meritus Seniorenwohnpark im Bergweg mit 64 Plätzen und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Damit ist nach der Insolvenz des Jesteburger Pflegedienstes AHD um Geschäftsführer Ole Bernatzki erneut ein wichtiger in Jesteburg ansässiger Player von finanziellen Schwierigkeiten betroffen.
Betrieb in Jesteburg läuft weiter – Ausgang der Restrukturierung“ ungewiss
Vorläufig gilt für das Pflegeheim: Die Pforten bleiben geöffnet. „Für die Pflegebedürftigen, die in den betroffenen Einrichtungen und von ambulanten Diensten versorgt werden, ändert sich während der Durchführung der Verfahren nichts“, lässt Dorea-Geschäftsführer Dr. Walter von Horstig (CEO) per Pressemitteilung wissen.
Und weiter: „Alle stationären und ambulanten Pflege-Leistungen werden wie gewohnt erbracht. Unser Geschäftsbetrieb geht ganz normal und in vollem Umfang weiter.“
Die Löhne und Gehälter aller Beschäftigten seien gesichert, die Agentur für Arbeit übernehme die Bezahlung in Jesteburg und allen anderen betroffenen Einrichtungen bis einschließlich Juni 2023.
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Bekommt der Meritus Seniorenwohnpark einen neuen Betreiber?
Dorea kündigt umfassende „Restrukturierungsmaßnahmen“ an. Nach derzeitigem Stand geht die Unternehmensgruppe auf Abendblatt-Nachfrage davon aus, dass der Standort Jesteburg erhalten bleibt. Was sich durch die „Restrukturierung“ ergebe, sei aber völlig offen, sagt Sprecher Sebastian Glaser. „Denkbar ist auch, dass das Pflegeheim an einen anderen Betreiber übergeben wird“, so Glaser.
In der Pressemitteilung kündigt die Unternehmensgruppe an, die Maßnahmen „bis zum Herbst 2023 abzuschließen“.
Unberührt von Umbau: Pflegeheime in Harburg, Buxtehude, Stade
Nicht vom Umbau betroffen ist die größere Dorea-Einrichtung in Harburg im Kapellenweg. Der Standort in Wilstorf nahe der B4 mit 107 Plätzen und 77 Beschäftigten werde von dem Insolvenzverfahren in keiner Weise berührt. „Es handelt sich um eigenständige Gesellschaften, für die jeweils ein Antrag gestellt wurde“, erläutert Sprecher Glaser.
Auch die Pflegeheime in Buxtehude und Stade gehören nicht zu den insgesamt 25 Dorea-Unternehmensteilen, die unter den Schutzschirm kommen. Das gilt ebenso für die ambulanten Dorea-Pflegedienste in Buxtehude und Elbmarsch/Marschacht.
„Gesunder Kern“: Warum die Doreafamilie Insolvenz anmelden muss
Die Dorea-Gruppe gehört zu den größten privaten Pflegedienstleistern in Deutschland mit Schwerpunkt auf der klassischen Altenpflege. Rund 5500 Beschäftigte kümmern sich nach Unternehmensangaben bundesweit um 7500 pflegebedürftige Menschen. Der Jahresumsatz lag 2022 bei rund 280 Millionen Euro.
„Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat die Dorea-Gruppe einen gesunden Kern“, wird der Sanierungsexperte Professor Dr. Stadler in der Pressemitteilung zitiert. Stadler ist Teil des Anwaltsteams, das das Unternehmen beim geplanten Umbau begleitet.
Noch im Januar hatte der neu ins Unternehmen getretene Geschäftsführer Von Horstig zu seinem Start bei Instagram eine „solide Basis für die zukünftige Unternehmensentwicklung“ verlautbaren lassen:
Dorea strebt nun eine „Stabilisierung und Neuausrichtung des Geschäftsbetriebs“ im Rahmen des sogenannten Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung an. Das zuständige Gericht setzt dafür einen Sachverwalter ein, der das Verfahren im Interesse der Gläubiger überwacht.
Die Doreafamilie sei weder zahlungsunfähig noch überschuldet. Wie viele Pflege-Anbieter führt die Dorea-Gruppe an, durch äußeren Einfluss wirtschaftlich unter Druck geraten zu sein. Konkret nennt das Unternehmen enorm gestiegene Kosten für Energie, Miete und Material sowie gesetzlich vorgegebene Gehaltssteigerungen („Tariftreuegesetz“) und geringere Einnahmen während der Corona-Pandemie.
Beide Kostenschübe seien von den Pflegekassen nicht ausreichend aufgefangen worden. Außerdem seien die Einbußen durch die Corona-Hilfen nicht ausgeglichen worden.
AHD-Pflegedienst-Chef Bernatziki: „Ich bin nicht pleite“
Auch Ole Bernatzki, Gründer und Geschäftsführer des Ambulanten Hauspflege Dienst (AHD) in Jesteburg betonte im Abendblatt: „Ich bin nicht pleite.“ Alle Rechnungen würden bezahlt, alle Verpflichtungen des Unternehmens erfüllt. Der Pflegedienstleister befindet sich seit Anfang April ebenfalls in der Insolvenz in Eigenverwaltung.
Der AHD zählt 250 Mitarbeiter, davon 120 Vollzeitkräfte. Rund 800 Patienten betreut der AHD mit sieben Standorten in der Region. Er ist der größte der derzeit 32 Pflegedienste (lt. Seniorenwegweiser) im Landkreis Harburg.
Convivo-Pleite: Seniorenwohnprojekt in Neu Wulmstorf gerettet
Auch die Bremer Pflegeheim-Gruppe Convivo befindet sich seit April offiziell im Insolvenzverfahren. Wie berichtet ist die Fertigstellung des Seniorenwohnprojekts in Neu Wulmstorf mit mehr als 80 Wohneinheiten an der Bahnhofstraße gesichert, weil das Unternehmen Hesse + Partner die Convivo-Anteile kurz vor der Insolvenz übernommen hatte.