Neu Wulmstorf. Bremer Unternehmen übernimmt die Anteile des insolventen Betreibers von Wohn- und Pflegeheimen. Auch in Fredenbeck steht ein Heim.
Politik und Verwaltung in Neu Wulmstorf sorgen sich nach der Insolvenz des Pflegeheimbetreibers Convivo um das große Seniorenwohnprojekt der Convivo-Gruppe, das derzeit an der Bahnhofstraße entsteht. Inzwischen scheinen aber erste Signale auf Entwarnung zu stehen.
Auf der Großbaustelle ist kein Mensch zu sehen, die Kräne zwischen den Rohbauten ruhen still. Geräusche sind lediglich von der Nachbarbaustelle zu hören, wo am neuen Wohngebiet Wulmstorfer Höfe gewerkelt wird. Doch beim Seniorenwohnpark der Convivo Gruppe herrscht einen Tag nach der Bekanntgabe der Insolvenz des Unternehmens Stillstand.
Der Wohn- und Pflegeheimbetreiber mit Sitz in Bremen betreibt insgesamt mehr als 100 Pflegeeinrichtungen und baut aktuell auf dem rund 8300 Quadratmeter großen Areal eines ehemaligen Reiterhofs im Neubaugebiet im Norden von Neu Wulmstorf eine Anlage mit Formen fürs Wohnen im Alter. In vier Gebäuden sollen 62 barrierefreie Wohnungen und zwei Wohngemeinschaften mit je zwölf Komfort-Apartments entstehen. Ergänzt wird das Projekt durch eine Tagespflege mit 16 Plätzen, einen hauseigenen Pflegedienst und ein öffentliches Café. Wie soll es bei dem ambitionierten Vorhaben nun weitergehen, nachdem Convivo als Betreiber einen Insolvenzantrag gestellt hat?
Sorge treibt auch Neu Wulmstorf Bürgermeister Tobias Handtke um
Diese Sorge treibt auch Neu Wulmstorf Bürgermeister Tobias Handtke um, der immer wieder den hohen Bedarf an seniorengerechten Wohnen in seiner Gemeinde hervorgehoben hat. Am Mittwochnachmittag erreichten den Bürgermeister Signale der Entwarnung: Das ebenfalls in Bremen ansässige Unternehmen Hesse + Partner teilt mit, dass es die 50-prozentige Beteiligung der Convivo Gruppe an dem Bauvorhaben noch vor der Insolvenz übernommen habe. „Damit ist gewährleistet, dass das Bauvorhaben, wie geplant, im Frühjahr 2024 fertiggestellt sein wird“, teilt das Unternehmen mit. Hesse + Partner führe bereits Verhandlungen mit verschiedenen potenziellen Betreibern, welche die Wohnanlage als Pächter nach der Fertigstellung übernehmen könnten. Noch im Oktober hatte ein Convivo-Sprecher dem Abendblatt auf Nachfrage die Verzögerung der Fertigstellung bestätigt. Sie war zunächst für den Herbst 2023 geplant. Die verspätete Fertigstellung sei auf Personalmangel und Lieferschwierigkeiten zurückzuführen, so der Sprecher damals, der gleichzeitig verkündete, dass das Vorhaben nun „im ersten Quartal 2024“ fertig werden würde.
Der Bedarf an altersgerechten Wohnraum und Pflegeplätzen ist in Neu Wulmstorf sehr groß – besonders, seit vor rund zwei Jahren überraschend das Pflegeheim „Am Marktplatz“ geschlossen wurde. Auch Convivo verzeichnete bereits im Oktober eine hohe Nachfrage: „Es gibt bisher 165 Interessenten und Interessentinnen, was einer hohen Nachfrage entspricht“, bestätigte Unternehmenssprecher Daniel Koch dem Abendblatt.
Beruhigung für Anwohner, die sich für das Projekt interessieren
Die Lage der Fläche ist attraktiv: Sie liegt in unmittelbarer Nähe vom S-Bahnhof und einem Nahversorgungszentrum sowie am Rande eines EU-Vogelschutzgebiets.
Neu Wulmstorfs Bürgermeister Handtke zeigte sich nach der Erklärung von Hesse + Partner erleichtert: „Die Nachricht von der Convivo-Insolvenz hat uns erst einmal durchgeschüttelt“, sagte Handtke. „Jetzt bin ich froh, dass es eine Entwarnung gibt.“ Das sei ein gutes Zeichen und eine Beruhigung für diejenigen Anwohner, die sich für das Projekt interessieren. „Wir haben schon einige Anfragen weitergeleitet“, so Handtke. Gleichzeitig sei er aber betrübt über die Convivo-Insolvenz und fühle mit den Mitarbeitern. Als ehemaliger Betriebsrat bei Karstadt Sports weiß der Neu Wulmstorfer Bürgermeister, welche Belastungen im Zuge des Insolvenzverfahrens auf sie zukommen könnten. Die Convivo Unternehmensgruppe hatte am Dienstag für die wesentlichen Gesellschaften Insolvenzanträge beim Amtsgericht Bremen gestellt. Das Gericht ordnete daraufhin zwei vorläufige Insolvenzverwaltungen für die verschiedenen Gesellschaften an.
Convivo Gruppe betreibt auch ein Pflegeheim in Fredenbeck im Landkreis Stade
Im Moment verschaffen wir uns gemeinsam mit unseren Teams ein Bild vor Ort, um im Anschluss die Mitarbeitenden über die bevorstehenden Schritte im Insolvenzverfahren zu informieren“, so die beiden vorläufigen Insolvenzverwalter in einem ersten Statement. „Darüber hinaus können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht mehr sagen“, ergänzte Meike Ostrowski von der Kanzlei Willmerköster auf Abendblatt-Nachfrage.
Sie vertritt die Convivo Holding GmbH und die Convivo Life GmbH in dem Insolvenzverfahren. Dr. Christoph Morgen von der Kanzlei Brinkmann & Partner in Hamburg wurde als Insolvenzverwalter der Convivo Parks GmbH bestellt.
Als Gründe für den Insolvenzantrag wurden von der Convivo Gruppe, die auch ein Pflegeheim in Fredenbeck im Landkreis Stade betreibt, vor allem die niedrigen Belegungszahlen durch den Fachkräftemangel und durch einen verdoppelten Krankenstand in den Pflegeeinrichtungen des Unternehmens genannt. Zudem habe der Einsatz von Zeitarbeiterinnen und -arbeitern „überproportionale Kosten“ verursacht. Auch steigende Energie- und Sachkosten sowie allgemeine Preissteigerungen hätten das Unternehmen in finanzielle Schieflage gebracht und zudem habe sich die Pflegereform der Bundesregierung negativ ausgewirkt.
Pflege in den Einrichtungen läuft bislang weiter
Neben dem zwischenzeitlichen Verkauf von Standorten habe sich die Unternehmensgruppe bis zur letzten Sekunde gegen die Strukturkrise gestemmt und versucht, Beteiligungspartner zur Stabilisierung des Geschäftsbetriebs einzubinden, heißt es aus der Geschäftsführung. Nach anfänglich erfolgreichen Gesprächen sei es Ende 2022 und durch die nochmals verschärfte Marktsituation am Anfang des Jahres 2023 zu einer weiteren kurzfristigen Absage der angestrebten Beteiligungen gekommen. Die Pflege in den Einrichtungen laufe weiter: „Gemeinsam mit der Geschäftsleitung wurden zentrale Maßnahmen eingeleitet, um die pflegerische Versorgung weiterhin vollumfänglich sicherzustellen“, betont Convivo.
Auch die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter seien über das Insolvenzgeld für die Monate Januar bis März gesichert. „Die Unterstützung des Prozesses hat für uns oberste Priorität“, so Torsten Gehle, gelernter Krankenpfleger und geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe, zum Insolvenzverfahren.
Bereits seit 30 Jahren ist Convivo im Pflegemarkt aktiv, vereint über 100 Pflegeeinrichtungen mit Schwerpunkt im Nordwesten Deutschlands und beschäftigt 4800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Unternehmensgruppe hat ihren Ursprung und Sitz in Bremen. In den vergangenen Jahren hat sich das inhabergeführte Unternehmen nach eigenen Angaben „unter den Herausforderungen des Marktes“ zu einem der größten Pflegebetreiber in Deutschland entwickelt.