Jesteburg. Das Unternehmen ist ein „Big Player“ in der Branche und betreibt den renommierten „Jesteburger Hof“. Der Chef ist wütend.
Der „Ambulante Hauspflege Dienst“ aus Jesteburg, vertreten durch den Geschäftsführer Ole Bernatzki, hat beim Amtsgericht Tostedt den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Der Antrag betreffe auch die AHD Solewo GmbH die den Jesteburger Hof betreibt.
Der GmbH habe sich rechtzeitig die Fachkompetenz bei der renommierten Beratungsgesellschaft Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH aus Hagen eingeholt, heißt es in der Mitteilung. Diese riet dem Unternehmen nach umfänglichen Prüfungen, eine Insolvenz in Eigenverwaltung zu beantragen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Tostedt von Mittwoch, 5. April, wurde demnach das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet.
Betrieb in Jesteburg ist zunächst gesichert. Geschäftsführer „tieftraurig“
Drastisch gestiegene Kosten aufgrund des Tariftreuegesetzes und keine ausreichende Refinanzierung seitens der Kranken- und Pflegekassen hätten das Unternehmen zu diesem Schritt gezwungen, schreibt der AHD. Ziel dieses Verfahrens sei die Erhaltung und wirtschaftliche Stärkung des Unternehmens.
Ole Bernatzki, Geschäftsführer: „Die Corona-Pandemie und damit verbundene hohe Krankenstände der Mitarbeiter, haben uns schon sehr zugesetzt. Mit der Inflation und der Energiekrise haben wir aktuell auch zu kämpfen. Aber das hätten wir alles irgendwie hinbekommen. Was uns jetzt in eine wirklich schwierige Situation gebracht hat, ist das Tariftreuegesetz. Lohnsteigerungen von über 25 Prozent und keine ausreichende Refinanzierung seitens der Pflege- bzw. Krankenkassen. Ich begrüße dieses Gesetz ausdrücklich, bin aber wütend, dass die Finanzierung nicht geregelt wurde. Jede Firma in der freien Wirtschaft kann bei höheren Kosten ihre Preise erhöhen. Wir dürfen das nicht und sind den Kassen vollständig ausgeliefert. Und ich muss feststellen, die Politik hat hier völlig versagt. Wir haben ohne Ende zu tun, der Jesteburger Hof funktioniert nun bringt uns ein eigentlich gut gemeintes Gesetz in solch eine missliche Lage. Ich bin unfassbar wütend, zugleich auch tieftraurig.“
Bei einer Regelinsolvenz übernimmt der Insolvenzverwalter die Kontrolle über den laufenden Betrieb und die Finanzhoheit. Meistens führt dieses Verfahren zur Liquidierung des Unternehmens. Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung behält die Geschäftsführung die Befugnisse über das Unternehmen. Das heißt konkret, die Ansprechpartner für Patienten und Lieferanten bleiben die AHD-Mitarbeiter, Ole Bernatzki ist weiterhin Geschäftsführer.
Sachwalter überprüft, koordiniert und unterstützt die Unternehmensleitung
Ein amtlich bestellter Sachwalter überprüft, koordiniert und unterstützt die Unternehmensleitung bei dem Fortgang des Verfahrens. Erste Einschätzungen der Beraterfirma haben ergeben, dass der AHD eine starke und wichtige Position am Markt habe und unverschuldet in diese Situation geraten sei. Trotzdem stünden alle Abläufe auf dem Prüfstand. Hauptanliegen werde sein, die Pflege- und Krankenkassen zu bewegen, die gesetzlich vorgeschriebenen Mehrkosten zu refinanzieren.
Für die Kunden des AHD ändert sich aktuell nichts. Die Versorgung sei gesichert. Auch der Jesteburger Hof läuft normal weiter. Die Mitarbeiter erhalten für drei Monate ihr volles Gehalt von der Bundesagentur für Arbeit. Die Rechnungen der Lieferanten werden zukünftig vollständig bezahlt. Bernatzki: „Der AHD ist mein Lebenswerk und ich kämpfe mit Wut im Bauch dafür, dass dieses im Sinne meiner Mitarbeiter und Kunden erhalten bleibt. Und: Niemand muss befürchten, dass Rechnungen nicht bezahlt werden oder keine Pflegekraft mehr kommt.“