Soltau. Center in Soltau will Verkaufsfläche um Hälfte vergrößern. Händler bangen um ihre Existenz, Städte warnen vor Verödung ihrer Zentren.
Die geplante Erweiterung des Designer Outlet Soltau (DOS) an der Autobahn 7 zwischen Hamburg und Hannover ruft sowohl Gegner als auch Befürworter auf den Plan. Die einen befürchten eine Abwanderung der Kunden aus den Innenstädten, die anderen hoffen, dass die Region noch attraktiver für Touristen wird.
Die Stadt Soltau beabsichtigt, die Verkaufsfläche des Outletcenters von bisher 9900 Quadratmeter auf 15.000 Quadratmeter zu erweitern. Bei der Eröffnung vor zehn Jahren war eine Vergrößerung noch ausgeschlossen worden. Deshalb ist für die aktuellen Pläne ein gesondertes Raumordnungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig. Dieses führt das Amt für regionale Landesentwicklung Lüneburg als obere Landesplanungsbehörde durch.
Designer Outlet Center: Verlagerung der Kaufkraft aus Innenstädten nach Soltau?
Im Sommer konnten die Pläne für die Center-Erweiterung eingesehen werden, daraufhin brachten Bürger, Händler, Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Bedenken und Wünsche in das Verfahren ein. In ihren Stellungnahmen wird auf mögliche positive Aspekte hingewiesen, wie zusätzliche Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen, ein größeres Angebot an günstiger Markenkleidung an einem Ort sowie eine größere Bekanntheit von Soltau bei Touristen. Auch wird die Befürchtung geäußert, dass das Outlet in der bisherigen Größe nicht mehr wettbewerbsfähig wäre und schließen müsste.
Zu den eingebrachten Kritikpunkten zählt die Anmerkung, dass die Pläne dem allgemeinen Aufruf zu nachhaltigerem Konsum entgegenstehen. Auch werden Auswirkungen auf die Umwelt befürchtet. Vor allem aber befürchten Einzelhändler und Kommunen eine Verlagerung der derzeit ohnehin geschwächten Kaufkraft und damit eine Verödung der Innenstädte. Das Designer Outlet rechnet mit etwa einem Drittel mehr Kunden, derzeit zählt es etwa 1,4 Millionen Besucher pro Jahr.
Outlet Center: Kaufhaus in Hanstedt fürchtet um Existenz
Im Kaufhaus Dittmer in Hanstedt sind 50 Mitarbeiter beschäftigt, es gibt hier Kleidung, Spielzeug, Schreibwaren und Haushaltswaren. Die Betreiber befürchten einen „Todesstoß“ für viele kleine und mittlere Geschäfte und sehen die Existenz des Kaufhauses gefährdet: „Durch die Erweiterung entsteht die Gefahr einer Umlenkung der Kundenströme, da ein breiteres Sortiment und mehr Verkaufsfläche automatisch eine größere Sogwirkung erzielen.“
Der stationäre Einzelhandel in der Region habe durch die Corona-Pandemie bereits zwei schwierige Jahre hinter sich, auch sei die Konsumlaune auf einem historischen Tiefstand. Zugleich verzeichne der Onlinehandel zweistellige Zuwachsraten. Bei Dittmer ist man sich sicher: „Für die historisch gewachsenen Zentren und Innenstädte des Landkreises Harburg, des Heidekreises und sogar des Landkreises Lüneburg stellt eine Erweiterung des Designer Outlets Soltau eine zusätzliche Beschwernis und Gefahr dar.“
Landkreis Harburg bezweifelt positiven Effekt auf Tourismus
Der Landkreis Harburg lehnt die Erweiterungspläne ab und stellt vor allem die von den Planern angenommenen Vorteile für den Tourismus infrage. Es sei zu bezweifeln, dass Outlet-Kunden tatsächlich in nennenswerter Zahl weitere touristische Ziele in der Region ansteuerten. Da ein Großteil der Kunden aus einem 90-Minuten-Einzugskreis anfährt, fehlten diese zudem in den Innenstädten der Region.
Die Hansestadt Lüneburg hat ebenfalls „erhebliche Bedenken“ und befürchtet negative Auswirkungen auf die regionalen Strukturen und Entwicklungen. Die Innenstadt hat demnach noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, diverse Ladengeschäfte stehen leer. Eine leichte Erholung werde durch die steigenden Preise bereits wieder abgebremst. „Wenn dann ein Teil der Kaufkraft noch verstärkt auf ein deutliche erweitertes DOS verlagert, ist dies für die Innenstadt Lüneburgs zusätzlich problematisch.“
Lüneburg: Erweiterung wäre auch Gefahr für Galeria-Kaufhaus
Grundlage für die Pläne ist unter anderem ein Gutachten zur Einzelhandelsverträglichkeit des Vorhabens, das die Stadt Soltau in Auftrag gegeben hatte. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass durch die Erweiterung keine entwicklungshemmende Beeinträchtigung in den Ober- und Mittelzentren der Region zu erwarten sei. Die vergrößerte Fläche soll vor allem für den Verkauf von Kleidung, Schuhen und Sportbedarf genutzt werden.
Dies sieht man in Lüneburg kritisch, da es sich hier um „hoch innenstadtrelevante Sortimente“ handele. Besonders kritisch könnte es nach Einschätzung aus dem Rathaus für das frühere Karstadt- und heutige Galeria-Kaufhaus auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes werden.
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Zwei Drittel der Verkaufsfläche dort und ein mindestens ebenso hoher Umsatzanteil seien direkt von möglichen Kaufkraftabflüssen zum Outlet-Center betroffen, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. „Da das Galeria-Haus nach wie vor eine herausragende Bedeutung für die Lüneburger Innenstadt hat, stellen auch geringe Kaufkraftverluste möglicherweise seine weitere Existenz und seine Funktion für das Zentrum in Frage.“
Deutlich werde dies beim Sportbedarf: Hier geht das Gutachten vom „Marktaustritt“ eines der drei Sportanbieter in der Lüneburger Innenstadt aus, zu diesen zählt auch die Sportabteilung bei Galeria. Aus all diesen Gründen hatte der Rat der Stadt sich bereits im Frühjahr in einer Resolution „klar und deutlich“ gegen eine Vergrößerung ausgesprochen. „Die geplante Erweiterung widerspricht allen Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung“, hatte Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch betont.
Designer Outlet Center: Einwendungen werden in Soltau öffentlich erörtert
Auch vom Landkreis Lüneburg kommt Kritik, verbunden mit einer Rechnung: Das erweiterte Outlet würde dem Gutachten zufolge im Bekleidungsbereich etwa 40 Prozent der entsprechenden Fläche in der Lüneburger City erreichen, die Umsätze würden etwa 30 bis 40 Prozent höher liegen. „Es ist offensichtlich, dass ein derartiges Verkaufsflächen- und Umsatzverhältnis eine erhebliche Konkurrenz zum Oberzentrum Lüneburg darstellt. Das DOS wirkt in dieser Hinsicht für Lüneburg wie ein weiteres, umsatzstärkeres Oberzentrum in 45 Minuten Pkw-Entfernung, das hinsichtlich Flächenproduktivität, Parkplatzverfügbarkeit und Komfort gegenüber der kleinteiliger strukturierten Innenstadt mit aus stadtplanerisch und ökologischen Gründen bewusst eingeschränkter Pkw-Zugänglichkeit klare Wettbewerbsvorteile hat.“
Trotz des seit Anfang 2020 laufenden Verfahrens ist eine Verwirklichung der Erweiterungspläne bisher keinesfalls sicher. Am Mittwoch, 7. Dezember, werden die Einwendungen aus dem Beteiligungsverfahren in der Alten Reithalle in Soltau öffentlich erörtert. Im ersten Quartal 2023 soll das Raumordnungsverfahren abgeschlossen werden. „Ich gehe davon aus, dass im kommenden Jahr eine Grundsatzentscheidung fallen wird“, hatte Center-Manager Christian Antholz im Oktober gesagt. Sollte eine Abweichung von der bisherigen Flächenbeschränkung auf 10.000 Quadratmeter zugelassen werden, kann die Stadt Soltau ein Bauleitplanverfahren einleiten.