Lüneburg/Soltau. 50 Prozent mehr Verkaufsfläche, Eröffnung 2025? Das sind die Gründe für den umstrittenen Erweiterungsplan.

Am 30. August 2012 eröffnete das Designer Outlet Soltau, kurz DOS. Auf knapp 9000 Quadratmetern Verkaufsfläche bieten dort verschiedene Marken in insgesamt 55 Geschäften Waren zu vergünstigen Preisen an, so das Versprechen. Das lockt.

Schenkt man dem fast 600 Seiten starken Tourismusgutachten Glauben, das Grundlage eines jetzt angestoßenen Prüfungsprozesses für eine Erweiterung ist, dann wäre das Outlet für 590.000 Tagesgäste und 58.000 Übernachtungsgäste im Jahr verantwortlich, die deshalb in die Lüneburger Heide kommen. Doch es sollen noch mehr werden.

Ziel: Planerische Voraussetzungen bis 2024 abschließen

Nicht nur mehr Besucher, sondern vor allem mehr Verkaufsfläche, mehr Arbeitsplätze, mehr Shops, mehr Gastronomie, mehr Parkplätze – eben einfach mehr. Geht es nach Investoren, Centermanager und der Stadt Soltau, soll das Designer Outlet nahe der A 7 um knapp 50 Prozent auf dann 15.000 Quadratmeter anwachsen. Ziel wäre es laut Stadtverwaltung in Soltau, alle planerischen Voraussetzungen bis 2024 abzuschließen und 2025/2026 zu öffnen.

Zu den 500 Arbeitsplätzen kämen dann noch einmal rund 250 weitere hinzu. Die Zahl der Parkplätze würde von jetzt 1200 laut Entwurfsplan auf 1750 steigen; dabei soll der Erweiterungsbau auf dem Ausweichparkplatz westlich vom Eingang entstehen, somit auch Stellplätze wegfallen. Dafür würden aber nördlich weitere auf einem Schotterplatz befestigt, der heute als „Überlauffläche“ bei Großveranstaltungen dient – heißt es im eigens erstellten Verkehrsgutachten.

Die Gutachter der ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH gehen von einem Besucherzuwachs durch die Erweiterung von 1,4 auf mindestens 1,8 Millionen Besucher jährlich aus. Das wären circa 29 Prozent mehr, die dann wiederum ihren Besuch mit einer Übernachtung in der Region oder dem Ausflug zu einer anderen Attraktion wie dem Heide Park Soltau koppeln würden.

Doch dem Wachstumsplan steht vor allem eines entgegen: Die bisherige Planung sieht nur eine genehmigte Verkaufsfläche von knapp 10.000 Quadratmetern vor. Um 50 Prozent mehr bauen zu können, muss unter anderem das Raumordnungsprogramm des Landes geändert werden. Mit diesem Instrument soll geregelt werden, dass nicht einzelne Orte oder Städte anderen den Rang ablaufen. Also in Soltau ein so starkes Einkaufszentrum entsteht, dass es anderen Ortschaften und Städten das Wasser abgräbt.

Hansestadt Lüneburg fürchtet negative Auswirkungen

Genau das fürchten beispielsweise die Verantwortlichen in Lüneburg. Dort sieht man den Plänen mit großer Skepsis entgegen. „Oberstes Ziel der Hansestadt Lüneburg ist es, die Innenstadt zu schützen und unsere Aufgaben als Oberzentrum wahrzunehmen“, sagt Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. „Durch eine Erweiterung des Outlet-Centers in Soltau befürchten wir Auswirkungen auf unsere Innenstadt und auf oberzentrale Funktionen der Hansestadt.“

In den niedersächsischen Oberzentren werden laut Raumordnungsprogramm Einrichtungen und Angebote für den spezialisierten höheren Bedarf – wie Theater, Universitäten, Spezialkliniken – vorgehalten und entwickelt. Auch der Einzelhandel gilt als Teilfunktion. Eine Untersuchung zur Einzelhandelsverträglichkeit, die die Stadt Soltau in Auftrag gegeben hat, kommt zwar auch zu dem Schluss, dass Lüneburg neben Celle eine wichtige Einkaufsstadt im Einzugsgebiet des Outlets ist. Diese Bedeutung habe jedoch seit 2020 etwas nachgelassen, so das Ergebnis einer Telefonbefragung.

In der Hansestadt Lüneburg  sieht man das Outlet als Konkurrenz. Einzelhändler, Verwaltung und Politik fürchten eine Schwächung der Innenstadt.
In der Hansestadt Lüneburg sieht man das Outlet als Konkurrenz. Einzelhändler, Verwaltung und Politik fürchten eine Schwächung der Innenstadt. © Lena Thiele

„Das Outlet steht in Konkurrenz zu unserer Innenstadt, die schon aufgrund des zunehmenden Online-Handels leidet“, sagt Kalisch. Eine Erweiterung des Outlet Centers werde weitere Autoverkehre mit sich bringen und stehe damit der dringend notwendigen Mobilitätswende entgegen, betont die Oberbürgermeisterin. „Um die Positionierung der Stadt klar und deutlich zu machen, werde ich dem Rat in der nächsten Sitzung eine entsprechende Resolution zum Beschluss vorschlagen.“ Der Rat kommt am 23. Juni wieder zusammen. Die Unterlagen zum jetzt angestoßen Verfahren waren am Mittwoch im Lüneburger Rathaus eingegangen. „Diese werden wir jetzt eingehend und kritisch prüfen“, sagt Kalisch. Dazu zählten auch raumordnerische Belange. Anschließend werde eine kritische Stellungnahme verfasst.

Kritik auch aus den Landkreisen Lüneburg und Harburg

Kritik kommt auch aus dem Landkreis Lüneburg. „Die Vergrößerung der Verkaufsfläche lässt befürchten, dass es zu einer signifikanten Schwächung des innerstädtischen Handels und auch der Attraktivität der Städte und der Region kommt. Die Auswirkungen betreffen nicht nur den Handel, sondern auch die Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen vor Ort“, sagt Landrat Jens Böther. Er setzt darauf, die Potenziale in der Region zu nutzen. „Es gibt, von der Stadt bis zum Hofladen, eine Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten und verschiedenartige Ausflugsziele, Gastronomien und Erlebnisorte, die für Touristen und Einheimische attraktiv sind. Dies macht die Unverwechselbarkeit unseres Landkreises aus.“

Auch im Landkreis Harburg steht man den raumgreifenden Plänen in Soltau sehr skeptisch gegenüber. Im Kreishaus will man die umfangreichen Unterlagen ebenfalls prüfen und kritisch begleiten, wie ein Sprecher ankündigt. Andres Wulfes sagt: „Wir befürchten eine Schwächung des Handels vor Ort und der Attraktivität der Region. Als Landkreis stehen wir an der Seite des Einzelhandels und der Stadt Lüneburg und wollen den Einzelhandel und lebendige Innenstädte unterstützen.“

Investitionsvolumen im zweistelligen Millionenbetrag

Outlet-Chef Christian Antholz kennt die Bedenken und Probleme zu genüge. „Wir tragen den Wunsch, uns zu erweitern, schon lange mit uns und hoffen, dass der Prozess endlich weitergeht“, sagt der Centermanager, der das Investitionsvolumen mit einem zweistelligen Millionenbetrag beziffert. Zum Vergleich: 80 Millionen Euro kostete das Bauwerk vor zehn Jahren. Seit 2017 wird nun um die Erweiterung gerungen, auch die Gerichte beschäftigte der Fall. Das Problem aus Sicht des Centermanagers: „Währenddessen haben sich alle anderen Outletcenter um uns herum aber auch deutschlandweit vergrößern können.“ Soltau sei signifikant kleiner, was einen Wettbewerbsnachteil darstelle. So gebe es laut Antholz Marken, die erst ab einer bestimmten Größe eines Outlets kommen würden. Auf die Frage welche das sind und ob es bereits potenzielle Mieter gebe, hält er sich bedeckt. Nur so viel: Man sei in losen Gesprächen, aber einen im Hintergrund bereits stehenden Ankermieter gebe es nicht.

Auch im Rathaus Soltau fürchtet man um die Attraktivität des Outlets. „Es besteht die Gefahr, das Prämienmarken abwandern, weil es im Vergleich zu anderen kleiner ist. Wir müssen es stärken und die bisher geschaffen Arbeitsplätze sichern. Dafür kämpfen wir“, sagt Daniel Gebelein als Leiter der Abteilung Stadtplanung. Er verweist zudem daraufhin, dass es vielmehr Chancen durch ein starkes Outlet für die Region gebe, auch für Lüneburg. So könnte man durch eine gemeinsame Vermarktung auch die Hansestadt stärken. Im Erweiterungsbau sei auch ein größerer und besser gelegener Tourismus- und Informationsbereich vorgesehen. Gebelein räumt ein: „Ich verstehe die Sorgen und die Kritik, die gemeinsame Vermarktung könnte noch besser laufen.“

Das Beteiligungsverfahren zum Raumordnungsverfahren läuft noch bis zum 19. August. Bis dahin haben öffentliche Stellen wie Städte, Gemeinden und Landkreise aber auch Verbände Zeit zur Stellungnahme. Ob es dann für den Outlet-Chef Grund zum Feiern gibt? Zumindest einen: September wird erstmal das zehnjährige Bestehen gefeiert.