Landkreis Harburg. Erleichterung im Landkreis, doch “die Kuh ist noch nicht vom Eis“. Neue Landesregierung erteilt Neubauplänen eine Absage.

Es ist eine klare Botschaft und ein deutliches Bekenntnis der neuen niedersächsischen Landesregierung. Eine Vereinbarung, die viele Menschen im Landkreis Harburg jubeln lässt und für Aufatmen in der Gemeinde Seevetal sowie den Samtgemeinden Hanstedt und Salzhausen sorgt. Die neue rot-grüne Landesregierung hat sich in ihrem neuen Koalitionsvertrag klar gegen den Neubau einer Bahntrasse entlang der A7 ausgesprochen.

Deutsche Bahn: Rot-grün will keine neue Trasse Hamburg-Hannover

Die Regierung in Hannover präferiert uneingeschränkt den Ausbau der vorhandenen Bestandsstrecke zwischen Hamburg und Hannover und damit die auch im Landkreis Harburg favorisierten Trassenplanungen. Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der am Mittwoch veröffentlicht worden ist, heißt es dazu: „Wir werden uns auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass der Ausbau der Schiene im Städtedreieck Hamburg-Bremen-Hannover durch die Bündelung mit vorhandener Infrastruktur landschafts- und umweltschonend gestaltet wird („Optimiertes Alpha E plus Bremen“).“ Und weiter: „Wir setzen uns für schnell umzusetzende Infrastrukturmaßnahmen entlang der Bestandsstrecke Hamburg-Hannover ein.“

Deutliches Signal, dass für die weiteren Planungen der Deutschen Bahn

Damit setzt jetzt auch das Land Niedersachsen ein deutliches Signal, dass für die weiteren Planungen der Deutschen Bahn richtungsweisend sein dürfte und im Landkreis Harburg sowie in den betroffenen Gemeinden und Samtgemeinden für Freude sorgt. „Ich begrüße sehr, dass sich die neue Landesregierung klar zur Vereinbarung Alpha-E bekennt und dies auch entsprechend im neuen Koalitionsvertrag manifestiert“, sagte Landrat Rainer Rempe dem Abendblatt. „Wir hoffen, dass dieser Schritt auch Signalwirkung nach Berlin hat und der Bundestag entsprechend entscheidet. Unsere Haltung bleibt weiterhin klar: Wir fordern die Umsetzung der Beschlüsse des Dialogforums und lehnen eine Neubaustrecke in aller Deutlichkeit ab.“

Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede, deren Gemeinde besonders massiv von den Folgen einer Neubautrasse betroffen wäre, sieht im Koalitionsvertrag ein „klares Statement“. „Dass von der neuen Landesregierung ein so deutliches Bekenntnis kommt, haben wir nicht zu hoffen gewagt“, sagt sie. Es sei ein „großer Erfolg“, dass sich Rot-Grün so klar positioniere. Weede ist davon überzeugt: „Wenn Niedersachsen nicht mitmacht, können die Pläne für eine Neubautrasse vom Bund auch nicht ohne weiteres umgesetzt werden. Das wird jetzt schwierig“, sagt sie.

Aufatmen auch bei Olaf Muus, Bürgermeister der Samtgemeinde Hanstedt

Aufatmen auch bei Olaf Muus, Bürgermeister der Samtgemeinde Hanstedt: „Ich freue mich, dass die im Wahlkampf gemachten Äußerungen der Parteien über den Wahltag Bestand haben und nunmehr an ‚prominenter‘ Stelle im Koalitionsvertrag schriftlich fixiert wurden“, sagt er. Amtskollege Wolfgang Krause, Bürgermeister der Samtgemeinde Salzhausen, begrüßt ausdrücklich die entsprechende schriftliche Fixierung im Koalitionsvertrag als Ergebnis der im Wahlkampf getätigten Aussagen. „Ich freue mich insbesondere darüber, dass nun dadurch auch endlich Bündnis 90/Die Grünen sich eindeutig positioniert haben, was in der Vergangenheit auf Landesebene nicht transparent war“, so Krause.

Darüber hinaus, so sind sich Olaf Muus und Wolfgang Krause einig, sei es „sehr bedeutsam“, dass Olaf Lies erneut das Wirtschaftsministerium übernehmen werde. „Als ehemaliger Wirtschaftsminister hatte er seiner Zeit in Absprache mit der DB und dem Bundesverkehrsministerium das Dialogforum ‚Schiene Nord‘ initiiert und später eng begleitet“, so Krause.

Landkreis Harburg wurde über die Planungen zunächst nicht informiert

Wie berichtet, hatte das Dialogforum bereits 2015 gemeinsam mit Bahn, Land, Bund, Regionen, Politik, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen eine Variante für den Ausbau der bestehenden Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover erarbeitet. Diese Lösung wurde von einer breiten Mehrheit getragen. Doch, was Landkreis und Gemeinden bis vor wenigen Monaten nicht wussten: Die Bahn entwickelte unter dem Deckmantel des sogenannten „Deutschlandstakts“, der eine Verbindung von unter einer Stunde Fahrzeit zwischen Hamburg und Hannover vorsieht, parallel auch eine bestandsferne Trasse für den schnellen ICE und die Güterzüge entlang der Autobahn 7.

Der Landkreis Harburg wurde über die Planungen zunächst nicht informiert. Und dass, obwohl deren Bau für die Region massive Folgen hätte. Wohngebiete würden zerschnitten, wertvolle Biotope zerstört, Dörfer eingekesselt und die Lärmbelastung so hoch, dass zum Beispiel in Seevetal nur noch Gewerbegebiete ausgeschrieben werden dürften, so die Befürchtung der Bürgermeister.#

Kritik aus dem Landkreis am Ausbau des Güterverkehrs

Große Teile der Strecke würden auf Bahndämmen verlaufen, oft Kilometer weit entfernt von der Autobahn. „Für die Region wäre das eine Katastrophe“, sagt Emily Weede, die vermutet, dass es der Bahn im Grunde weniger um den „Deutschlandtakt“ gehe, sondern vielmehr um den intensiven Ausbau des Güterverkehrs. „In Wahrheit geht es darum, möglichst viele Container in schneller Taktung aus dem Hamburger Hafen auf die Schiene bringen“, so Weede. „Dazu braucht der Wirtschaftsstandort Hamburger Hafen nicht nur die Bestandsstrecke, die die Region, Lüneburg, Celle und Uelzen bedient, sondern vor allem eine Schnellstrecke für den Güterverkehr durch die Bundesrepublik.“

Was das für den Landkreis Harburg und die weiteren betroffenen Kreise entlang der Trasse bedeuten würde, hat Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Krause ausgerechnet: „Wenn zwei ICEs und vier Güterzüge – wie von der Bahn angekündigt – pro Stunde an sieben Tagen rund um die Uhr auf der Strecke unterwegs sein werden, sind das täglich 144 Züge, von denen zwei Drittel Güterzüge sind.“

ICE-Strecke: Kritik an fehlenden Zwischenhalten

Was die Betroffenen darüber hinaus erzürnt: „Die neue Planung hat keine Vorteile für die regionale Anbindung“, so Emily Weede. „Im Gegenteil: Wenn die Strecke kommt, wird der ICE nicht einmal mehr in Harburg halten. Es wird entlang der gesamten Strecke bis nach Hannover keine Zwischenbahnhöfe geben. Für uns aber wäre wichtig, dass man nicht nur die Hauptbahnhöfe anbindet, sondern auch die Region, Lüneburg, Uelzen, Celle. Aber die Bahn plant dort nicht einen einzigen Haltepunkt.“

Ein Szenario, dass längst für massive Proteste sorgt. Tausende Bürgerinnen und Bürger haben sich entlang der geplanten Neubaustrecke zu Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Unzählige mahnende gelb-rote Bahnkreuze und Plakate säumen die mögliche Neubautrasse. Und der Widerstand soll weiter wachsen.

Deutsche Bahn: Gemeinden wollen weiter gegen neue Bahntrasse protestieren

„Denn die Kuh ist noch nicht vom Eis“, sagt Bürgermeisterin Emily Weede, die am 8. November um 18 Uhr zu einer weiteren Infoveranstaltung in die Burg Seevetal (Am Göhlenbach 11) einlädt. „Wir dürfen nicht nachlassen“, so Weede. „Entschieden wird letztendlich im Bund.“

Dieser sei, ergänzt Olaf Muus, der maßgebliche Auftraggeber der Bahn. „Es gilt, die Mitglieder des Bundestages zu überzeugen, dass der nunmehr von einigen Beteiligten eingeschlagene Weg einer Heidetrasse auf ein totes Gleis führt.“