Winsen. Seit zwei Wochen werden keine Geflüchteten aus der Ukraine in den Landkreis Harburg geschickt. Grund: rechnerische „Überlastung“.

Im Meckelfelder Helbachhaus sind etwa hundert Betten gemacht. Auch in der Buchholzer Schützenhalle stehen die Mitarbeiter der Johanniter bereit. Die Umnutzung eines früheren Jesteburger Seniorenheims wird vorbereitet. In Winsen steht ein Ankunftszentrum in der Stadthalle kurz vor der Eröffnung – der Landkreis Harburg hat sich innerhalb kurzer Zeit auf schnell steigendende Flüchtlingszahlen aus der Ukraine eingestellt. Allein, die Menschen kommen kaum noch.

Die Betten in Meckelfeld sind weiterhin leer, auch in Buchholz halten sich zurzeit nur eine Handvoll Menschen in der Notunterkunft auf. Fast alle dort Angekommenen sind mittlerweile in private Unterkünfte umgezogen. Trotzdem werden von offizieller Seite, dem Land Niedersachsen, seit rund zwei Wochen keine Geflüchteten mehr von der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Hannover in den Landkreis geschickt.

Geflüchtete Ukrainer werden nicht mehr nach Harburg geschickt

Warum, das weiß man im Winsener Kreishaus nach Angaben von Sprecherin Katja Bendig nicht: „Das Land meldet uns jede Woche die Zahl der zugewiesenen Menschen, zuletzt dreimal Null. Eine Begründung dafür haben wir nicht erhalten.“ Schon am 13. April hatte ein Sprecher erklärt, man wisse nicht, warum plötzlich keine Busse mehr ankommen.

In den vorangegangenen Wochen waren anfangs etwa 120 Geflüchtete pro Woche von Hannover in den Landkreis Harburg geschickt worden. Insgesamt gab es 540 Zuweisungen. Registriert sind hier bisher 1879 Ukrainer, ihre tatsächliche Zahl wird vom Landkreis auf etwa 4000 geschätzt. Die Anmeldetermine sind bis zum 23. Mai ausgebucht.

Der Speiseraum für Geflüchtete im Meckelfelder Helbachhaus wurde noch nicht genutzt..
Der Speiseraum für Geflüchtete im Meckelfelder Helbachhaus wurde noch nicht genutzt.. © Lena Thiele

Angesichts der leeren Hallen ist die Begründung für die ausgesetzten Zuweisungen schwer nachzuvollziehen: Denn der Landkreis Harburg wird beim Niedersächsischen Innenministerium auf einer Liste von Kommunen geführt, die wegen zu starker Belastung vorübergehend von der Verteilung ausgenommen sind. Dies betrifft außerdem die Städte Hannover, Oldenburg und Braunschweig sowie den Heidekreis.

Wann sich diese Lage wieder ändere, hänge stark von den weiteren Entwicklungen und dem Kriegsgeschehen in der Ukraine ab. Die Aussetzung habe mit den zuvor gemeldeten Zahlen von Geflüchteten zu tun sowie mit dem aktuell geltenden Verteilungsschlüssel, heißt es aus dem Ministerium. Flüchtlinge werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Dieser wird jedes Jahr neu festgelegt.

„In den vergangenen zwei Wochen sind in den Landkreis Harburg keine Verteilungen von Asylsuchenden und aus der Ukraine Vertriebenen vorgenommen worden, weil dieser wegen einer sehr hohen Aufnahme von ukrainischen Kriegsvertriebenen übermäßig stark belastet war“, sagt Rosa Legatis, Pressesprecherin im Innenministerium. Dies sei auch kommuniziert worden. „Der Landkreis Harburg ist durch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen so früh wie möglich über ausbleibende Verteilungen informiert worden.“

Geflüchtete Ukrainer: Ministerium lässt offen, wie Überbelastung festgestellt wurde

Eine konkrete Begründung, auf welchen Zahlen die festgestellte Überlastung basiert, liefert das Ministerium nicht. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts lag die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn deutlich über der Grenze, die der Verteilungsschlüssel vorgibt. So kam es auf dem Papier zu einer Überbelegung. Nicht berücksichtigt ist dabei offenbar, dass viele Ukrainer privat bei Bekannten oder freiwilligen Gastgebern unterkommen. Die kommunalen Notunterkünfte, die mit einer Zahl von 4000 Menschen tatsächlich überlastet gewesen wären, sind längst nicht das Ziel aller Geflüchteten.

Die derzeitige Pause bei den offiziellen Zuweisungen könnte auch schnell wieder vorbei sein. Die Mitarbeiter der Johanniter-Unfall-Hilfe, die die Unterkünfte im Landkreis betreibt, sind jedenfalls darauf eingestellt, jederzeit wieder Geflüchtete zu versorgen. „Wir sind bereit, im Notfall auch schnell viele Menschen aufzunehmen“, sagt Sprecherin Sonja Schleutker-Franke. Das Personal sei vor Ort, der Vertrag mit dem Landkreis laufe weiter. Aktuell werden weitere Mitarbeiter – ab sofort – für die Unterkünfte in Buchholz, Jesteburg und Neu Wulmstorf gesucht.

Ukrainer können Aufenthaltsort selbst wählen:

  • Menschen, die aus der Ukraine flüchten, können sich visumsfrei bis zu 90 Tage in Deutschland aufhalten. Wer eine Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde beantragt, kann nach der Registrierung eine Arbeit aufnehmen und hat Zugang zu Sozialleistungen. Ihren Aufenthaltsort können Ukrainer selbst wählen.
  • Verwandte, Freunde und Bekannte sind für viele Geflüchtete derzeit die erste Anlaufstelle. Wer keine private Unterkunft in Aussicht hat, kann sich an die Aufnahmezentren wenden. Weitere Infos: www.germany4ukraine.de