Buchholz/Lüneburg. Erste Firmen im Landkreis Harburg bieten Jobs für Geflüchtete an. Arbeitsagentur stellt sich auf steigende Nachfrage ein.

Die Zahl der Menschen, die seit Kriegsbeginn aus der Ukraine geflüchtet sind, übersteigt alles, was Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Rund 272.000 Menschen sind laut Bundespolizei bisher in Deutschland angekommen, überwiegend Frauen, Kinder und Senioren. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen, da Ukrainer sich visumsfrei bis zu drei Monate im Land aufhalten dürfen. Im Landkreis Harburg schätzt man die Zahl der Angekommenen auf etwa 4000, mehrere Hundert Termine zur Registrierung sind bisher vergeben worden.

Zumindest einige von ihnen werden hier arbeiten wollen. Rechtlich ist das kein Problem, Ukrainer erhalten dank ihres Schutzstatus auch ohne Jobangebot eine Aufenthaltserlaubnis, mit der sie in Deutschland selbstständig oder angestellt arbeiten oder eine Ausbildung absolvieren können. Praktisch müssen sie sich selbst um einen Job bemühen, über die übliche Arbeitsvermittlung hinaus gibt es von offizieller Seite bisher keine speziellen Beratungsangebote.

Registrierte Geflüchtete dürfen arbeiten, Arbeitsagentur vermittelt Jobs

Wer sich registriert und eine Arbeitserlaubnis von der Ausländerbehörde erhalten hat, kann sich an die örtlichen Arbeitsagenturen wenden. Dort ist man vorbereitet auf ankommende Ukrainer, bisher gibt es jedoch nur vereinzelt Anfragen. „Noch bilden sich die ankommenden Geflüchteten nicht in der Arbeitsmarktstatistik ab“, sagt Kerstin Kuechler-Kakoschke, Chefin der Agentur für Arbeit Lüneburg-Uelzen. Deshalb seien Daten über Ausbildungsberufe oder Qualifikationsstand der Geflüchteten derzeit nicht darstellbar.

Die Vermittler in den Agenturen erfragen diese Informationen aber in den Beratungsgesprächen, um eine jeweils passende Arbeit oder Qualifikation vorzuschlagen. Freie Stellen seien vorhanden, sagt Kuechler-Kakoschke. „Der Arbeitsmarkt im Landkreis Harburg hat sich in den vergangenen Monaten sehr robust gezeigt. Die Arbeitskräftenach­frage hat zuletzt deutlich zugelegt. Daher haben wir eine gute Basis.“

IHK weist auf Fachkräftemangel und Bedarf in den Unternehmen hin

Auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg sei die Nachfrage bisher nicht ungewöhnlich groß, sagt Tobias Hannemann, zuständig für das Thema Arbeitsmarktintegration. Er weist jedoch auf den Fachkräftemangel hin. „Viele Unternehmen haben einen enormen Unterstützungsbedarf.“ In den Landkreisen südlich von Hamburg seien Fachkräfte besonders knapp zum Beispiel in Baugewerbe, Lebensmittelherstellung und -verarbeitung, Verkauf, Tourismus sowie Gastronomie, in IT, Verkehr und Logistik.

Tobias Hannemann, IHK Lüneburg-Wolfsburg, kümmert sich um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt
Tobias Hannemann, IHK Lüneburg-Wolfsburg, kümmert sich um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt © IHK Lüneburg-Wolfsburg | IHK Lüneburg-Wolfsburg

„Unternehmen sollten von Beginn an eine Willkommenskultur etablieren“, rät Hannemann. Sie können Sprachkurse anbieten, bei Wohnungssuche oder Behördengängen unterstützen. Beratung erhalten Betriebe bei Organisationen wie Welcome Center oder dem Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge. Firmen sollten ihre freien Stellen bei der Arbeitsagentur melden. Jobangebote für Ukrainer gibt es auch auf Plattformen wie UAtalents.com, jobsforukraine.net, jobs4ukraine.eu und remoteukraine.org.

Erste Firmen bieten Jobs ausdrücklich für Geflüchtete an

Im Moment stehe die humanitäre Hilfsbereitschaft der regionalen Wirtschaft im Vordergrund, sagt Hannemann. Viele Firmen spenden, einige organisieren Hilfskonvois, Hotels bieten Unterkünfte. „Schon bald wird aber auch die Frage nach Ausbildung und Beschäftigung relevant werden.“ Erste Unternehmer wollen bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen – und bieten Jobs speziell für geflüchtete Ukrainer an.

So wie WAS Germany aus Rosengarten, ein internationales Handelsunternehmen mit etwa 50 Mitarbeitern. „Wir wollen die Menschen unterstützen, hier Fuß zu fassen und den Einstieg ins Arbeitsleben zu schaffen“, sagt Office Managerin Charlotte Just. Das Unternehmen führt rund 3000 Produkte für Hotel und Küche. Diese müssen im Lager in Nenndorf verpackt werden – ein Job, der körperlich nur leicht herausfordernd und daher für Frauen und Männer geeignet ist.

Mitarbeiter im Lager und Elektroinstallateure werden gesucht

„Wir freuen uns über neue Kollegen und Kolleginnen, die aufgeschlossen sind und Lust haben zu arbeiten“, sagt Tom Standke, Head of Logistics. Auch Englisch sei zur minimalen Verständigung erforderlich, leichte Deutschkenntnisse von Vorteil. Der Arbeitsweg muss selbst organisiert werden. Zwei bis drei Arbeitsplätze bietet die Firma an, die Bezahlung ist abhängig von Stundenumfang – zwischen Montag und Freitag jeweils bis in den frühen Nachmittag – und genauer Tätigkeit. Interessenten melden sich bei Charlotte Just per E-Mail an charlotte.just@wasgermany.com oder unter 04108/41 88 49.

Ein bis zwei Stellen für ausgebildete Elektroinstallateure kann Elektrotec Rehder in Buchholz besetzen. Bisher arbeiten fünf Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten in dem Betrieb. „Das Angebot richtet sich an ernsthafte Bewerber, die sich langfristig etwas aufbauen oder zumindest die Zeit hier gut über die Runden kommen wollen“, sagt Inhaber Sven Rehder. Bezahlt werde nach Tarif. Fehlende Sprachkenntnisse seien keine Hürde. „Wir können auch Russisch und ein Fachhandwerker sieht ja, was zu tun ist.“ Kontakt: Telefon 04186/89 16 60 oder E-Mail service@eletrotec.com.

Damit Unternehmen und Geflüchtete künftig gut zusammenfinden, bereitet die Arbeitsagentur weitere Unterstützung vor. „Die Abstimmungen, wie wir gemeinsam mit Kommunen, Helfernetzwerken und Vereinen Kriegsflüchtlinge unterstützen und konkret beim Ankommen helfen können, laufen bereits“, betont Kuechler-Kakoschke. „Auch der Spracherwerb ist bei Geflüchteten und letztendlich bei der Integration ein wichtiges Thema.“ Für die Deutschkurse sei die Bundesagentur zuständig.