Jesteburg. Stubbenhof könnte ein Jahr lang als Unterkunft für Schutzsuchende aus der Ukraine dienen. Landkreis hat Genehmigung bereits erteilt.
Der Bezirk Harburg hat es vorgemacht. In Eißendorf nutzte die Stadt Hamburg den leerstehenden Trakt eines Seniorenheims, um schnell dringend benötigten Platz für Flüchtlinge aus der Ukraine zu schaffen. Ähnlich sieht es im Landkreis Harburg aus.
Nachdem, wie berichtet, in Neu Wulmstorf ein geschlossenes Heim nun zur Unterbringung von Geflüchteten dient, wird dieses Konzept in Jesteburg weiterverfolgt. Auch hier steht eine Einrichtung leer, in der einst Senioren lebten, auch hier sollen dann zeitlich auf erst einmal ein Jahr begrenzt Vertriebene aus der Ukraine untergebracht werden.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Heim 2021 geschlossen
Das geht aus einer Verwaltungsvorlage für den Gemeinderat hervor, der am Mittwoch, 20. April, das nächste Mal tagt. Unter den zahlreichen Punkten, mit denen sich die Politiker dann befassen, findet sich auch der Stubbenhof. Unter diesem Namen ist die Einrichtung in Jesteburg bekannt.
Zum 31. August vergangenen Jahres schloss die Betreibergesellschaft, die Stubbenhof Betriebs GmbH, aus wirtschaftlichen Gründen das Heim genauso wie eines in Klecken und Buchholz. Wie Geschäftsführer Marco Wiencke dem Abendblatt gegenüber damals erklärte, hätte man den Betrieb der eher kleinen Häuser nicht wirtschaftlich fortführen können. „Kleine Einrichtungen wie unsere rechnen sich einfach nicht mehr, da es zu teuer ist, einen großen Personalstamm vorzuhalten“, sagte er damals. Versuche, die drei Häuser an einem Standort zusammenzulegen oder einen anderen Betreiber zu finden, scheiterten.
In Jesteburg zeichnete sich schnell eine politische Mehrheit ab, die den Umbau des Seniorenheims in Wohnungen verhindern wollte. Noch im August 2021 wurde eine Veränderungssperre für das Grundstück in der Ortsmitte erlassen. Ziel: die Nutzung als Alten- und Pflegeeinrichtung zu zementieren und gleichzeitig Wohnraum für ältere Menschen in der Gemeinde zu erhalten.
Gemeinde will Seniorenheim erhalten, Gespräche mit Eigentümer
In der Zwischenzeit gab es viele Gespräche. Mit Anwälten, Eigentümern, Verwaltungsfachleuten. Am Ende steht eine Einigung, die wie folgt aussieht: Die Gemeinde lenkt insoweit ein, als das sie den Umbau des Seniorenheims zu einer seniorengerechten Wohnanlage mit Pflegestützpunkt zulässt. Die Veränderungssperre soll aufgehoben werden, dafür müssen die Eigentümer allerdings einen städtebaulichen Vertrag unterzeichnen, der zuvor mithilfe eines Fachanwaltes im Sinne der Gemeinde Jesteburg verhandelt wird und die Planungsziele absichert.
Da die Vertragsverhandlungen noch einige Zeit in Anspruch nehmen dürften – wenn der Gemeinderat dem denn so am 20. April zustimmt – kann die Immobilie solange zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Der Verwaltungsausschuss in Jesteburg hat einem diesbezüglichen Antrag der Eigentümer für eine Ausnahme von den Regelungen der Veränderungssperre zur Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zugestimmt. Auch vom Landkreis gibt es grünes Licht.
1700 Vertriebene aus der Ukraine im Landkreis offiziell registriert
Andres Wulfes, Sprecher der Harburger Kreisverwaltung, bestätigt die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung. Wann eine Inbetriebnahme stattfindet, sei aber noch offen. „Das hängt von der Zahl an Geflüchteten ab, die uns erreichen“, so Wulfes. Sind es so viele wie in dieser Woche, dann könnte der Landkreis wohl ganz darauf verzichten. Denn in dieser Woche wurden dem Harburg von der Landesaufnahmebehörde in Hannover gar keine Flüchtlinge zugeteilt, in der vergangenen Woche waren es 20. Insgesamt wurden bislang 1700 Vertriebene aus der Ukraine im Landkreis Harburg offiziell registriert, so Wulfes. Da viele auch privat untergekommen sind und bis zu drei Monate Zeit haben, sich zu melden, wird die Zahl vom Landkreis aber deutlich höher auf etwa 4000 Geflüchtete geschätzt.
Auf etwa 70 Flüchtlinge schätzt Jesteburgs Bürgermeisterin Claudia von Ascheraden die Zahl in ihrer Gemeinde derzeit. Sie gibt sich selbstbewusst, dass die Gemeinde auch eine weitere Notunterkunft samt Bewohnern gut verkraften könne, die Integration gelingen werde. „Es ist sehr erfreulich, dass wir ein gutes Netzwerk aus Freiwilligen haben, das teilweise seit 2015 so besteht“, sagt sie. Überhaupt habe man viele Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015 gesammelt und gehe vorbereiteter an die Sache heran.
So trafen sich am Montagabend interessierte Helfer. Laut Koordinatorin Melanie Backhaus aus der Gemeindeverwaltung beteiligten sich etwa 40 Teilnehmer, 20 füllten anschließend einen Bogen aus, legten sich fest, als Freiwillige bei der Integration zu helfen. Dabei setzt Backhaus auf kleine Helferkreise, die jeweils einzelne Projekte betreuen. Geplant sind beispielsweise eine Mutter-Kind-Gruppe, Sprachförderung oder Sport und Bewegung.
Erster Testlauf für neu eingerichtetes Aufnahmezentrum Winsen
In Winsen wurde zudem am Freitag zum ersten Mal das neu eingerichtete Aufnahmezentrum getestet, das dann zeitnah in den Normalbetrieb gehen soll. Zentrale Notunterkünfte gibt es bisher in Buchholz, Neu Wulmstorf sowie in Meckelfeld. In Jesteburg besteht die Wohnanlage aus ehemals sechs miteinander verbundenen Doppelhäusern, die einst 39 Bewohnern im Alten- und Pflegeheim Platz boten.
Die Pläne der Stubbenhof-Eigentümer sehen den Umbau in eine barrierefreie Seniorenwohnanlage vor. Es sollen 26 Wohnappartements entstehen. Ein Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss mit Wintergarten, Küche und Terrasse stünde allen Bewohnern zur Verfügung. In Kooperation mit dem Café „Alte Sägerei“ soll hier den Bewohnern nachmittags Kuchen und Kaffee angeboten werden. In einem Gespräch mit der Verwaltung wurde zudem in Aussicht gestellt, dass der Gemeinschaftsraum den Jesteburger Senioren für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden könnte. Darüber hinaus ist ein Pflegestützpunkt in dem Gebäude vorgesehen, über den die Bewohner die Möglichkeit haben, eine gewünschte Pflege vor Ort zu buchen. Der Gemeinde wurde zudem bei Bedarf ein Raum als Büro angeboten als Sozialstützpunkt für eine Mitarbeiterin. So hätten die Senioren kurze Wege, um zum Beispiel Rentenangelegenheiten zu besprechen und zu klären.