Neu Wulmstorf. Übernahme durch die Zur-Mühlen-Gruppe ist gescheitert. 550 Mitarbeiter betroffen. Das sind die Gründe.

Am Morgen nach der Hiobsbotschaft scheint auf dem Firmengelände von Schwarz Cranz im Neu Wulmstorfer Gewerbegebiet an der Lessingstraße normaler Betriebsalltag zu herrschen. In den Büros brennt Licht, Firmen-Pkw parken davor und aus Schornsteinen der Produktionshallen zieht weißer Rauch. Doch nichts ist mehr normal, seit am Donnerstag der Insolvenzverwalter, der Hamburger Rechtsanwalt Friedrich Kraft von Kaltenborn-Stachau, verkündet hat, dass der Betrieb des insolventen Schinken- und Wurstproduzenten stillgelegt werden muss. 550 Mitarbeiter sind betroffen.

Das Unternehmen, das Anfang der 90er Jahre von Cranz im Alten Land nach Neu Wulmstorf umgesiedelt war, gilt als größter Arbeitgeber im Ort. Ein Traditionsbetrieb, der 1852 als Landschlachterei gegründet wurde und heute in der sechsten Generation geführt wird.

„Eigentlich hatten wir gehofft, dass das Ruder noch herumgerissen werden kann“, berichten bei einer Rauchpause vorm Werkstor zwei Mitarbeiterinnen am Freitagvormittag. Als die Belegschaft am Tag zuvor von dem harten Schritt erfuhr, seien viele „aus den Wolken gefallen“, sagen sie. Es habe auch Tränen gegeben, weil Kollegen sich nun vor der Arbeitslosigkeit fürchten. Man habe ihnen mitgeteilt, dass zum 31. Dezember Schluss sei in Neu Wulmstorf. Derzeit schon werde dort nur noch aufgeräumt, berichten die beiden Frauen.

Schwarz Cranz: Vertrag ließ sich nicht mehr durchführen

Tatsächlich sah es zunächst so aus, als könne der Betrieb weitergeführt werden, nachdem aufgrund eines „schwierigen Marktumfeldes“ und höheren Kostendrucks, wie es hieß, im September die Insolvenz angemeldet werden musste. Insolvenzverwalter von Kaltenborn-Stachau fand aber innerhalb weniger Wochen mit der zur Mühlen Gruppe ein Unternehmen, das den Neu Wulmstorfer Betrieb übernehmen wollte. Das brachte der Belegschaft neue Hoffnung.

Auch am Tag nach der schlechten Botschaft wird in den Büros bei dem Neu Wulmstorfer Unternehmen noch gearbeitet
Auch am Tag nach der schlechten Botschaft wird in den Büros bei dem Neu Wulmstorfer Unternehmen noch gearbeitet © AT | Axel Tiedemann

Doch dieser Plan scheiterte nun: „Der Vertrag ließ sich nicht mehr durchführen“, sagte der Insolvenzverwalter am Freitag dem Abendblatt zu Begründung der letztlich nun überraschenden Stilllegung.

Listerien in zwei Produkten

Hintergrund ist eine Kette von Vorgängen, die schließlich dazu führte, dass der Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember beendet wird. „Wir haben zunächst Listerien, also Bakterien, in zwei Produkten gefunden. Es kam dann zu Rückrufen“, so von Kaltenborn-Stachau.

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So musste Schwarz Cranz beispielsweise kürzlich Rinderaufschnitt zurückrufen, der bei Aldi Nord verkauft worden war. Auch für ein Rohschinkenprodukt gab es einen Rückruf aus Neu Wulmstorf.

Maschinen und Lüftungen wurden auseinandergebaut

Die Produktion ruhte für einige Tage, um eine Grundreinigung zu organisieren. „Maschinen und Lüftungen wurden auseinandergebaut und gereinigt. Dabei wurde ein Wartungsstau entdeckt“, so der Rechtsanwalt, der Partner bei der Hamburger Kanzlei BRL Boege, Rohde, Luebbehuesen ist. Kunden zogen sich zurück und das Unternehmen verlor notwendige Zertifikate, die Voraussetzungen für Lieferungen sind. „Für Investitionen fehlte das Geld“, so der Jurist.

Inzwischen haben auch mehrere, zur Schwarz-Cranz-Gruppe zählende Gesellschaften, unter ihnen die „1852 Delikatessen Manufaktur“ in Neu Wulmstorf, Insolvenzanträge gestellt. Die zur Mühlen Gruppe aus Böklund, die zum Tönnies-Konzern zählt, hat unterdessen den Mitarbeitern in der Produktion angeboten, an andere Standorte der Gruppe zu wechseln. Die Mehrzahl der 550 Beschäftigen arbeitet in der Produktion.

Für Mitarbeiter, die das Angebot nicht annehmen, hat der Insolvenzverwalter als Alternative den Wechsel in eine Transfergesellschaft vorgeschlagen. Der Betriebsrat unterstützt diese Maßnahmen ausdrücklich. „ „Es ist mir wichtig, keinen Mitarbeiter fallen zu lassen, sondern Perspektiven für ein neues Arbeitsverhältnis und zur sozialen Absicherung anzubieten“, sagt der Insolvenzverwalter.

Insolvenzquote für die Gläubiger?

Für die für den 5. Januar im Tostedter Amtsgericht geplante Gläubigerversammlung ist aufgrund der Corona-Pandemie jetzt ein schriftliches Verfahren vorgesehen. Von Kaltenborn-Stachau prüft zudem, ob die beiden Geschäftsführerinnen von Schwarz Cranz zur Rechenschaft gezogen werden müssen, wie er sagte.

Ob und wie hoch eine Insolvenzquote für die Gläubiger ausgehandelt werden kann, ist derzeit völlig offen. Offen ist aber auch, was mit dem Firmengelände in Neu Wulmstorf passiert.

Man habe es jetzt in der Gemeinde zum einen mit dem Verlust vieler Arbeitsplätze und zudem noch mit einer großen, bald wohl leerstehenden Gewerbe-Immobilie zu tun, sagt Neu Wulmstorfs Bürgermeister Wolf Rosenzweig: „Es ist schon traurig, dass ein angestammtes Unternehmen auf diese Weise kaputt gehen muss.“