Kiel. Daniel Günther ist neuer Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Zwei Abgeordnete verweigern ihm bei der Wahl ihre Stimme.

Am Fördeufer bestiegen Hunderte Passagiere die beiden Kreuzfahrtschiffe „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 6“, als im wenige Hundert Meter entfernten Landtag zwei Plätze an Bord von Daniel Günthers „Jamaika“-Dampfer „Meine Koalition 1“ leer blieben: Der CDU-Landesvorsitzende wurde am Mittwoch zwar zum neuen Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt, aber von den 44 Abgeordneten seiner Koalition aus CDU, Grünen und FDP stimmten nur 42 für ihn.

Angesichts einer immer noch deutlichen Mehrheit für Günther war das zwar weder ein Mast- noch ein Schotbruch, aber die eben noch heiteren Mienen der Koalitionäre verfinsterten sich deutlich. Der Kieler Landtag, wegen seiner harmonischen Proportionen und des spektakulären Fördeblicks vielleicht einer der schönsten Plenarsäle in Deutschland, bot den Gästen am Mittwoch ein Feuerwerk an Emotionen.

Freude und Zuneigung

Früh hatte sich der Vorraum mit Politikern, Berichterstattern und Besuchern gefüllt. Neue Pressesprecher stellten sich voller Freude vor, alte verabschiedeten sich ein wenig geknickt. Eine Zeitrafferaufnahme hätte blitzschnell sich bildende und wieder zerfallende Grüppchen gezeigt. Kurz vor zehn Uhr betraten Daniel Günther und seine Frau Anke das Landeshaus. Hand in Hand schlenderten sie den Kameras entgegen. Wer in ihren Gesichtern Freude und Zuneigung zu entdecken meinte, lag sicher nicht falsch.

Kommentar: Darum wurde Günther Ministerpräsident

Kurz darauf erschien Torsten Albig, der abgewählte SPD-Ministerpräsident – ohne Lebensgefährtin Bärbel Boy. Trotz lag in seiner Stimme, als er von dem „Glück“ sprach, Ministerpräsident gewesen zu sein – und Wehmut kam dazu, als er nachschob: „Jetzt hat das Glück ein anderer.“ Albig hatte am Vortag eigenes Versagen im Wahlkampf eingeräumt. Es sei ein Fehler gewesen, seinem Herausforderer Daniel Günther von der CDU weitgehend aus dem Weg gegangen zu sein, sagte er den „Lübecker Nachrichten“. „Weil wir ihn für stark hielten, wollten wir ihm möglichst keine Plattform geben, auf der er mit dem Ministerpräsidenten zusammentraf“, sagte Albig. „Das war falsch.“

Im Plenarsaal hatten sich mittlerweile die Abgeordneten gruppiert. Zwischen Sozialdemokraten und Grünen, eben noch in der Küstenkoalition eng miteinander verbunden, herrschte eisiges Schweigen. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner und der grüne Frontmann Robert Habeck würdigten sich keines Blickes. Das alte Kabinett, das ja in diesem Moment noch im Amt war, nahm auf der Regierungsbank Platz – aber in einer anderen Anordnung als in glücklichen Regierungszeiten. Habeck, als stellvertretender Ministerpräsident sonst stets neben Torsten Albig sitzend, suchte sich einen Stuhl in der letzten Reihe. Man ging sich sorgsam aus dem Weg.

Man musste sich wohl auch erst in die neuen Rollen hineinfinden. Den Sozialdemokraten, plötzlich auf der Oppositionsbank, fiel das sichtlich schwer. Mit versteinerten Mienen lauschten sie den Erläuterungen des Landtagspräsidenten zur bevorstehenden Wahl von Daniel Günther. Kontrapunktisch wirkte die fröhliche Aufgekratztheit der hinten im Saal schon wartenden neuen Regierungsmannschaft.

Erste kurze Rede als Ministerpräsident

Dann das Wahlergebnis. Es sorgte für einen raschen Wechsel der Emotionen. 44 Abgeordnete zählt die Jamaika-Koalition, 44 Stimmen für Daniel Günther hätten es sein müssen. Aber es waren nur 42. Zwei Abgeordnete hatten das geheime Votum genutzt, um ihr Mütchen zu kühlen. Günther brauchte ein paar Sekunden, um die Glückwünsche entgegennehmen zu können. Und bei den SPD-Abgeordneten schlich sich ein Lächeln auf manche Gesichter.

Dann konnte auch Torsten Albig lächeln. Denn Daniel Günther nutzte seine erste kurze Rede als Ministerpräsident, um seinen Vorgänger zu würdigen. „Wir beide wissen, wie Wahlen sind“, sagte Günther und spielte damit auf die Kritik an Albigs Wahlkampfführung an. „Wenn man gewinnt, hat man alles richtig gemacht. Wenn man verliert, hat man alles falsch gemacht. Aber wahr ist: Beides ist falsch.“ Albig habe sich um das Land verdient gemacht, er habe zum Beispiel Größe beim Thema Flüchtlinge gezeigt. „Schleswig-Holstein dankt Ihnen, Sie haben dem Land ein weltoffenes Gesicht gegeben“, sagte Günther.

Zurück blieben Spekulationen

Danach wurde die Sitzung unterbrochen. Das Kabinettsfoto musste angefertigt werden, paarweise machten sich alte und neue Minister auf den Weg in die jeweilige Behörde, um den Wechsel an der Spitze zu vollziehen.

Zurück blieben Spekulationen. Gibt es in der CDU Widerstände gegen „Jamaika“? Sind die fehlenden zwei Stimmen etwa dem christdemokratischen Lager zuzurechnen? Ein klares Dementi gab es nicht. Daniel Günther sagte: „Ich werde dafür arbeiten, dass diese beiden mich in Zukunft besser unterstützen.“ Die Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sagte: „Bei uns wollten alle für Daniel Günther stimmen.“ Wolfgang Kubicki (FDP), schon in Feierlaune, empfahl einfach, „sich keine weitergehenden Gedanken zu machen“.

Günthers Kabinett ist nun im Amt. „Meine Koalition 1“ nimmt Kurs auf das offene Meer des stürmischen Regierungsgeschäfts.