Es war einmal ein viel zu junger Politiker. Daniel Günthers Ministerpräsidenten-Märchen. Ein Kommentar.

Es ist eine der verrücktesten Politiker-Geschichten, die es seit Längerem in Deutschland gegeben hat. Da wird einer Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, den noch vor gut einem halben Jahr in Norddeutschland kaum jemand kannte. Und der damals selbst sagte, dass die Nominierung als Spitzenkandidat der CDU für ihn viel zu früh komme – weil er doch erst 43 sei und dazu noch viel jünger aussehe.

Soll heißen: Eigentlich hatte Daniel Günther gegen Schleswig-Holsteins etablierten Regierungschef Torsten Albig keine Chance. Trotzdem ist er seit gestern Ministerpräsident und sagt nun, dass er sich kneifen müsse, um all das zu glauben, was in den vergangenen Monaten passiert sei. Damit meint er auch, dass die schwierigen Verhandlungen zur aktuell einzigen Jamaika-Koalition in der Bundesrepublik gelungen sind, also das Bündnis von CDU, Grünen und FDP.

Aber interessanter ist es, die Zeit davor zu analysieren und sich zu fragen: Wie konnte einer wie Daniel Günther Ministerpräsident werden? Jemand, der genau das Gegenteil vom bisher letzten CDU-Landesvater, dem beliebten Peter Harry Carstensen, ist? Ein leiser und zurückhaltender Mensch ist der Neue. Keiner für steile Thesen und klare Ansagen wie FDP-Mann Wolfgang Kubicki. Keiner, der die Wähler fasziniert wie der Grüne Robert Habeck. Und trotzdem ist er jetzt die Nummer eins in einem Land, das, siehe oben, nicht wenige ambitionierte und populäre Politiker hervorgebracht hat.

Wieso Günther Ministerpräsident wurde

Für Daniel Günthers Sieg gibt es im Wesentlichen drei Gründe. Erstens: Er ist, wahrscheinlich wie so oft in seinem Leben, unterschätzt, vom politischen Gegner nicht ernst genommen worden. Zu jung, zu unbekannt – aus dieser Situation heraus kann man nur gewinnen. Zweitens: Günther hatte eine klare Strategie, die wirkte, als hätte er sie sich von der Bundeskanzlerin abgeschaut. Vor der Wahl ließ der CDU-Mann genau abfragen, welche Themen die Schleswig-Holsteiner tatsächlich interessieren. Und setzte dann auf die Bildung (G9 statt G8) und die Infrastruktur/Verkehr. Zwei Volltreffer.

Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts
Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts © HA | Andreas Laible

Drittens: Er blieb während des gesamten Wahlkampfs und später auch bei den Koalitionsverhandlungen ruhig und besonnen. Das Signal: Ich habe die Lage im Griff, mir könnt ihr vertrauen. Das beeindruckte am Ende selbst solche starken Charaktere wie Kubicki, Habeck oder Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold, ebenfalls von den Grünen.

Der jungenhafte Charme Günthers tat sein Übriges.

Welche Lehren aus Günthers Sieg gezogen werden

Nun ist er viel früher da, wo er tatsächlich hinwollte. Denn natürlich hat Daniel Günther seit Jahren im Blick gehabt, einmal Spitzenkandidat der CDU zu werden, natürlich hat er inner­parteilich alles dafür getan, was man eben so tun muss. Der überraschende Sprung ganz nach oben ließ ihm dann keine Zeit, großartig an seiner öffentlichen Wahrnehmung zu arbeiten. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahl blieb ihm nichts anderes übrig, als so zu sein, wie er eben ist. Das war der entscheidende Unterschied zu seinem Amtsvorgänger Torsten Albig (SPD), bei dem die Wähler am Ende nicht mehr genau wussten, wen sie da vor sich haben.

Merke: Authentizität ist auch in der politischen Welt der Schlüssel zum Erfolg. Versuche nie mehr oder anders zu sein, als du bist – selbst wenn das eher unauffällig und leise ist. Wie das funktioniert, hat lange vor Daniel Günther Angela Merkel gezeigt. Es gibt schlechtere Referenzen.