Hannover . Frank Hanebuth, Ex-Chef der Hells Angels wartet auf den Prozess, die Banden machen weiter Geschäfte. Razzien schwächen Szene.
Der Prozessbeginn gegen den ehemaligen Chef der Hells Angels zieht sich hin: Auch sieben Monate nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wartet der Ex-Rockerboss Frank Hanebuth weiter auf eine Anklage. Die Behörden hätten nichts vorgelegt, sagte sein Anwalt Götz von Fromberg in Hannover. Dem Vernehmen nach sei im Herbst mit einer Anklage zu rechnen, bis dahin sitzt Hanebuth in Spanien fest – während sich die Rockerszene in Norddeutschland grundlegend wandelt.
Bereits im Juli 2013 war Hanebuth auf Mallorca festgenommen wurden. Die Beamten der Spezialeinheit GSG-9 durchsuchten auch die Villa des ehemaligen Boxers in Hannover und erschossen auch den Hund des Rockers. Anschließend saß Hanebuth exakt zwei Jahre in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis im südspanischen Cadíz. Die Behörden legen ihm die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Menschenhandel, Erpressung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Geldwäsche zur Last. Hanebuth galt in der Rockerszene lange als unantastbarer Anführer. Die Vorwürfe wurden dort stets bestritten. Gegen Auflagen war der 51-Jährige auf freien Fuß gekommen, muss aber in Spanien bleiben. Vom Festland ist er inzwischen nach Mallorca zurückgekehrt.
Veränderungen in der Rockerszene
Nach der Verhaftung Hanebuths befindet sich die Rockerszene im Umbruch. Auch wenn keine verlässliche Statistik geführt werden kann, schätzen die Ermittler die Mitgliederzahl der diversen Rockerclubs samt ihrer Unterstützergruppen derzeit auf etwa 820. Insgesamt gebe es mehr als 70 Unterstützer- und Ortsgruppen. Die Hauptaktivitäten der Rocker liegen weiterhin vor allem beim Drogen- und Waffenhandel sowie im Rotlichtmilieu.
In den vergangenen Jahren haben sich neben den Hells Angels aber neue Gruppen etabliert, welche die Ermittler vor andere Probleme stellen. Ein Beispiel ist die Gründung einer Ortsgruppe des „Osmanen Germania BC“ in Osnabrück im Oktober, der ersten Präsenz des Clubs in Niedersachsen. Ein Clubhaus gibt es noch nicht, dafür sind die bisherigen Mitglieder fast alle mit Gewalt-, Eigentums- oder Drogendelikten bei der Polizei bekannt.
Einige Rockerclubs wurden offiziell aufgelöst, so wie die Hells Angels Hannover im Juni 2012. Sie existieren jedoch weiter und zeigten erst im Sommer vergangenen Jahres, dass mit ihnen zu rechnen ist, als sich 40 Mitglieder mit schweren Maschinen und Kutten vor dem Neuen Rathaus zum Gruppenfoto trafen. Auch das Charter Flensburg ist trotz Verbots weiter aktiv.
Wöchentliche Razzien schwächen Rocker
Wie weit verzweigt die Hells Angels sind, zeigte sich erst vor wenigen Tagen bei einer Razzia. Die Polizei hatte in mehreren Bundesländern Gebäude durchsucht, um ein Drogennetzwerk auszuheben, in dem Angehörige des Clubs Mitglieder verschiedener Charter mit Rauschgift versorgt hatten. Darüber hinaus gibt es Supporter-Clubs, deren Mitglieder so etwas wie fanatische Fans der großen Rockerclubs sind. In Norddeutschland gibt es beispielsweise die Red Devils, Unterstützer der Hells Angels. Sie sind das „Fußvolk“ und können zahlenmäßig größer sein, weil die Aufnahmebedingungen nicht so streng wie bei den Angels sind.
Die stärksten Konkurrenten der Hells Angels, die Bandidos, sind in Norddeutschland weniger aktiv. Zwar gibt es einen Club in Schleswig-Holstein. Ihr Einfluss ist im Vergleich zu den Hells Angels gering. Bereits kurz nach der Gründung des Clubs war 2012 ein Brandanschlag auf das Clubheim verübt worden.
Weitere Razzien gegen Rocker
Auch in Hamburg sind die „Höllenengel“ weiter die vorherrschende Macht. Das sogenannte Charter MC Germany hatte sich hier bereits 1973 als eingetragener Verein gegründet. „Als Vereinszweck wurde angegeben: die Pflege des Zweiradsports nach Grundsätzen der Freiwilligkeit und Solidarität. Es war der erste Club der Hells Angels in Deutschland“, sagte Mirko Streiber, der die Soko „Rocker“ in Hamburg leitet. In Hamburg hat sich 2005 ein neues Charter entwickelt, das sich „Harbor City“ nennt. Seit 2011 gibt es ein weiteres Charter namens „South Port“, so Streiber. Es bestehe weiter ein Gefährdungspotenzial durch die Hells Angels, heißt es aus dem Präsidium.
Durch mehrere Razzien pro Woche hat die Soko sowohl die Hells Angels als auch ihre hinzugekommenen Rivalen der Mongols geschwächt. „Derzeit haben die Mongols vielleicht noch eine Handvoll Mitglieder“, sagt Streiber. „Der Rest ist in Haft oder abgesprungen.“ Die Hells Angels gelten als widerstandsfähiger, der Soko-Chef Streiber sieht die Polizei nun auf einem guten Weg. Der neue Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte an, die Strukturen der Rocker zerstören zu wollen.