Hamburg. Bärte, Kutte und Motorräder – Klischees, die mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun haben. Die Geschichte hinter dem Rocker-Krieg.
Wenn es nach den jüngsten Meldungen geht, tobt in Hamburg ein brutaler Rockerkrieg zwischen „Hells Angels“ und „Mongols“. Es wird geprügelt, geschossen und gehöhnt. Nach einer Schießerei an der Reeperbahn hat die Polizei die Ermittlungsgruppe kurz vor Jahresbeginn zur Sonderkommission „Rocker“ mit 60 Ermittlern aufgestockt. Es gab Durchsuchungen und Festnahmen. „Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ende“, dämpft aber Soko-Leiter Mirko Streiber Erwartungen, dass das Problem bald gelöst sein könnte.
Worum geht es? Die Platzhirsche „Hells Angels“ gegen die Neulinge „Mongols“. Macht, Einfluss, Herrschaft über bestimmte lukrative „Branchen“ wie Drogenhandel oder Rotlichtviertel? Eher nicht. Aber so ganz genau wissen das Kriminaldirektor Mirko Streiber und seine Experten noch nicht.
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Hells Angels wurden 1973 gegründet
Rückblick. „Der MC Germany der „Hells Angels" hat sich hier 1973 ganz ordentlich als eingetragener Verein gegründet“, sagt Streiber. „Als Vereinszweck wurde damals angegeben: Die Pflege des Zweiradsports nach Grundsätzen der Freiwilligkeit und Solidarität. Es war der erste Club der Hells Angels in Deutschland.“
1983 war es dann vorbei mit dem Verein. Hunderte Polizeibeamte stürmten das Vereinshaus „Angels Place“ im Stadtteil Sternschanze. „Es war das weltweit erste Verbot einer Rockergruppe, das war damals das Charter unter dem Namen MC Germany“, erklärt Streiber. „Die sind da nach amerikanischem Vorbild aufgetreten - Outlaws, Harleys, Kutte in der Öffentlichkeit tragend - und haben gemeinsam Straftaten begangen. Zum Beispiel Schutzgeld, Waffendelikte, Erpressung. Darum konnten sie als kriminelle Vereinigung verboten werden.“
Verboten sind die Hells Angels heute darum noch lange nicht. „Bundesweit gibt es 77 Charter, also regionale Verbände“, sagt der Rocker-Experte. Voraussetzung für ein Verbot sei der Nachweis, dass sie als Gruppierung Straftaten begehen.
Die plötzliche Streitlust der "Mongols"
„In Hamburg hat sich 2005 ein neues Charter entwickelt, das nennt sich „Harbor City". Seit 2011 gibt es ein weiteres Charter namens „South Port"“, sagte Streiber. „Beide Charter haben jeweils etwa 20 Mitglieder. Bis zu den jüngsten Entwicklungen waren diese Charter der Hells Angels unauffällig.“
„Einzelne Mitglieder machen auch illegale Geschäfte, aber überwiegend werden legale Aktivitäten, also auch im Rotlichtbereich mit Bars und Clubs betrieben“, fasst Streiber zusammen. „Wie unsere jüngsten Durchsuchungen zeigen, werden aber auch illegale Geschäfte mit ganz anderen Dingen betrieben, zum Beispiel mit dem Handel von gestohlenen Autoteilen.“ Blaumann statt Kutte.
Auf der anderen Seite die „Mongols“, zu besten Zeiten in Hamburg mit etwa 20 Mitgliedern. „Die plötzliche Streitlust der „Mongols" im vorigen Jahr dürfte nach unserer Einschätzung von dem Präsidenten ausgegangen sein“, sagt Streiber. „Er kommt aus dem Rotlichtbereich auf St. Pauli, hat sich dort aber gestritten. Eventuell wollte er die „Mongols" nur als Vehikel benutzen, um wieder ins Milieu zurück zukommen.“
Der „Präsident“ habe die „Mongols“ sehr dominant geführt, sagt Streiber, „war sehr sprunghaft, hat fast täglich Leute rausgeworfen oder reingeholt. Darum gab es bei den „Mongols" auch heftigen Streit“. Und darum sei er auch überfallen und seiner Kutte beraubt worden. „Nach unseren Ermittlungen ist die Tat von seinen eigenen Leuten begangen worden. Wir haben drei Männer festgenommen, die damals noch Mitglied der „Mongols" waren.“
Drogen, Bordelle, Gewalt
„Die „Mongols" sind ein bunter Haufen. Viele haben eine kriminelle Vergangenheit, auch als Intensivtäter mit Körperverletzungsdelikten usw. Mancher hat eine Modellwohnung betrieben“, erzählt Streiber und meint damit eine Wohnung, in der sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Es gebe aber keine Auseinandersetzungen um Bereiche wie Drogen, Bordelle oder um die besten Plätze auf der Straße für die Prostituierten.
Das bestätigen auch andere Experten. Rocker spielten auf der Reeperbahn derzeit aus Polizeisicht keine Rolle, sagt der Rotlichtexperte des Landeskriminalamts, Jörn Blicke. Auch von der Davidwache auf der Reeperbahn heißt es, dass die Rocker auf dem Kiez nicht auffällig seien.
Weiter hohes Gefahrenpotenzial
Ohnehin habe sich die Rolle der Rocker gewandelt, sagt Streiber. „Das klassische Rockerbild gibt es so schon lange nicht mehr. Die „Hells Angels" haben zwar eine alte Tradition und fahren auch noch Harleys, bei den „Mongols" in Hamburg ist von dem Klischee allerdings nichts mehr übrig. Bei denen verfügt niemand über einen Motorrad- Führerschein, geschweige denn über ein Motorrad.“
„Derzeit haben die „Mongols" vielleicht noch eine Handvoll Mitglieder“, sagt Streiber. „Der Rest ist entweder in Haft oder abgesprungen. Im Moment wissen die „Mongols" offenbar nicht so recht, wie es weitergehen soll.“ Und die „Hells Angels“ sind zwar genervt, erdulden aber die Polizeiaktionen. Problem gelöst? Nein, sagt Streiber. „Bei der letzten Durchsuchung haben wir bei einem Mitglied der „Mongols" sogar eine Maschinenpistole gefunden. Man sieht also, dass ein hohes Gefahrenpotenzial weiterhin noch da ist.“