Nach der Razzia auf Mallorca erlässt ein spanischer Richter Haftbefehl gegen den Hannoveraner Chef der Hells Angels. Die Vorwürfe gegen den 49-Jährigen haben es in sich.
Hamburg . Anwalt Klaus-Peter Beyer lässt sich erst einmal entschuldigen an diesem Freitag. Ihr Mann, sagt Beyers Frau Daniela freundlich am Telefon in Port d’Andratx, Mallorca, sei in diesen Tagen kaum noch zu erreichen. Gespräche, Termine, wieder Gespräche. Sie halte derweil am Telefon die Stellung. Man dürfe es gerne noch mal versuchen. Es gehe ja sicherlich um „FH“.
Ja. Es geht um FH. Wieder einmal um Frank Hanebuth, den Oberrocker, eine große Nummer unter Deutschlands, angeblich auch Europas Hells Angels, den Höllenengeln. Ein Koloss, Preisboxer ehedem, dreieinhalb Jahre Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung, Bordellbesitzer in Hannover. Dort haben sie ihn eine Zeit lang gefeiert für die Leistung, aus dem schäbigen Steintorviertel eine Partymeile gemacht zu haben, auf der sich auch Hannovers Oberwelt ganz wohl fühlen konnte, höhere Mitarbeiter der örtlichen Polizei inklusive. Aber diese Zeiten sind schon eine Weile vorbei.
„Wir müssen den Rockern auf den Füßen stehen“, hatte Hannovers damals neuer Polizeipräsident Axel Brockmann bereits vor seinem Amtsantritt im November 2011 eine andere Gangart gegen das Hells-Angels-Chapter Hannover angekündigt. Ein halbes Jahr und eine ebenso martialische wie ergebnislose Durchsuchung seines Grundstücks in der niedersächsischen Wedemark später kapitulierte Hanebuth – jedenfalls offiziell. Der hannoversche Ortsverein der Höllenrocker löste sich von heute auf morgen auf.
„Ende im Gelände“, befand Hanebuth damals. Hannovers Hells Angels verlegten einen Teil ihrer Rocker-Aktivitäten in der Folgezeit nach Mallorca – ein Umstand, aus dem man keinen großen Hehl machte. Mit Kutte, Harley und gewohnter Großspur nahm man sich der Insel an, auch Hanebuth wurde öfter mal gesehen. Er selbst ließ sich mit Andeutungen zitieren, hier eventuell einen gastronomischen Betrieb eröffnen zu wollen. Mag sein, dass nicht jedem gefallen hat auf Mallorca, dass die Sangria-Teutonen sich hier jetzt noch ein bisschen breiter machen wollten.
Mag auch sein, dass Hanebuth und seine Kumpanen sowohl diese Argusaugen als auch die Tatkraft und Robustheit der spanischen Behörden unterschätzt haben. Jedenfalls fackelte die Guardia Civil gar nicht lange, nachdem die ersten Geschichten über mögliche dunkle Geschäfte der Hells Angels aus Hannover auf der Urlaubsinsel umgingen.
Am vergangenen Dienstag durchsuchte die kampferprobte nationale Polizeitruppe diverse Anwesen und Absteigen, nahm tatsächliche und vermutete Hells Angels im Dutzend fest, darunter auch Frank Hanebuth, seinen Hannoveraner Spezi „Kirsche“ und „Thrombose-Paul“, eine frühere Frankfurter Kiez-Größe. Hubschrauber waren im Einsatz, vermummte Spezialkräfte; ein Hund, nicht gerade ein Kampfhund, wurde kurzerhand mit sieben Schüssen erlegt. Spätestens seit diesem Freitag ist bekannt, dass es sich bei alldem nicht um ein Versehen gehandelt hat.
Ein Richter in Palma, das bestätigen Hanebuths hannoversche Anwälte, hat inzwischen Haftbefehl gegen den 49-Jährigen erlassen. Ob Frank Hanebuth Weihnachten mit seinem kleinen Sohn verbringen kann, mag derzeit niemand vorhersagen. Untersuchungshaft, das kann schon mal dauern in Spanien.
Die Vorwürfe, die die für Bandenkriminalität zuständigen Strafverfolger in Madrid zunächst einmal recht allgemein und nicht sonderlich detailliert erheben, haben es jedenfalls in sich. Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, Schutzgelderpressung, unerlaubter Waffenbesitz, das ganze Register rauf und runter. Würde Hanebuth verurteilt, dürfte er einige Jahre hinter Gitter gehen. Soweit ist es noch nicht, aber Geduld wird der in Hannovers Vorort Garbsen geborene Rocker in den vor ihm liegenden Wochen und Monaten in der Justizvollzugsanstalt von Palma schon aufbringen müssen.
Zu Hause an der Leine, in der Kanzlei von Hanebuth-Anwalt Götz von Fromberg, haben sie bisher noch nicht einmal eine wasserdichte Übersetzung des spanischen Haftbefehls zu Gesicht bekommen. Die wäre aber nötig, um das weitere Vorgehen erörtern zu können. Am Montag, hofft man, werde das Dokument wohl vorliegen.
Ein paar Monate dürften schon ins Land gehen, ehe Hanebuth freikommt
Drüben auf Mallorca und in Spaniens Hauptstadt Madrid werden die Ermittler auch keine übertriebene Eile an den Tag legen, um die Papiere, Computer, Unterlagen auszuwerten, die man bei der Razzia am Dienstag beschlagnahmt hat. Auch dabei dürften erhebliche Übersetzungsarbeiten anfallen. Zumindest der mallorquinischen Rotlicht-Szene, den ortsansässigen Platzhirschen, die die jüngsten Aktivitäten der Hells Angels vermutlich mit Misstrauen beäugt hatten, dürfte das ganz recht sein.
Der von Klaus-Peter Breyer in Hanebuths Auftrag angeworbene renommierte mallorquinische Strafverteidiger Zaforteza ist an diesem Freitag erst einmal nach Madrid geflogen, um bei der dortigen Staatsanwaltschaft, bei der die Verfahren anhängig sind, Akteneinsicht zu nehmen. Was auch immer er dort findet, ein paar Monate dürften schon ins Land gehen, ehe Hanebuth wieder auf freien Fuß kommen könnte. Wenn stimmt, was er seinen Anwälten erzählt.
Am frühen Freitagabend ist Klaus- Peter Beyer dann doch wieder zu Hause in Port d’Andratx. Er ruft gleich zurück und klingt auch ganz entspannt. Der Fall Hanebuth, sagt der Immobilien- Anwalt, sei für ihn doch eine schöne Abwechslung. Sein Mandat, jenseits der bulligen Erscheinung ein angenehmer Zeitgenosse, beteuere glaubwürdig, dass er sich auf Mallorca „nichts zu Schulden habe kommen lassen“.
An der Tatsache, dass der Hells-Angels- Präsident jetzt eine ganze Zeit im Gefängnis werde verbringen müssen, ändere das aber nichts. Er, Beyer, rechne jedenfalls schon wegen der These der Strafermittler, bei Hanebuth handle es sich um den „Europa-Chef“ der Hells Angels, nicht mit einer baldigen Entlassung aus der U-Haft. Das werde jetzt seine Zeit dauern, und „das habe ich Herrn Hanebuth heute auch gesagt“.