Nach mehreren tödlichen Badeunfällen bleibt das Schwimmen in der Ostsee weiterhin gefährlich. In der Lübecker Bucht besteht zum Teil weiter das Badeverbot vom Vortag. In Vorpommern weht zumindest die gelbe Flagge.

Timmendorfer Strand/Scharbeutz/Ahlbeck/Sellin. Das Baden in der Ostsee bleibt gefährlich. Das Badeverbot vom Vortag gilt auch weiterhin nahezu an der gesamten Lübecker Bucht. So wehen auch am Donnerstag am Timmendorfer Strand die rote Flagge. „Wir haben heute wieder die Rote Fahne am acht Kilometer langen Strandabschnitt Timmendorfer Strand/Niendorf gehisst“, sagte Clarissa Brechtken von der örtlichen DLRG-Wachstation am Donnerstag.

Die Menschen sei inzwischen vernünftiger geworden, seit Mittwoch habe es an diesem Strandabschnitt keinen Rettungseinsatz für Schwimmer mehr gegeben. Nur noch selten gingen Menschen ins Wasser. In Scharbeutz wurde am Vormittag erneut die Unterströmung gemessen. Daraufhin entschieden sich die Retter die rote Flagge in Scharbeutz und am Strand von Haffkrug zu hissen. In Sierksdorf weht die gelbe Flagge. Baden ist dann dort zwar erlaubt, jedoch nur für geübte Schwimmer. Gegen 12 Uhr wird es eine erneute Messung geben. Gegebenenfalls kann es dann zu Änderungen kommen.

Dagegen dürfen die Badehungrigen etwas weiter im Norden, in Pelzerhagen und vor Grömitz, derzeit bedenkenlos ins Wasser gehen. Auch an anderen Orten hat sich die Lage etwas entspannt. „In Eckernförde, Kiel und Kappeln gab es zumindest am Donnerstagvormittag keine Badeverbote mehr, aber das kann sich jederzeit – je nach Wetterlage - wieder ändern“, sagte Thies Wolfhagen, Landesgeschäftsführer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Schleswig-Holstein.

In Vorpommern bleibt das Schwimmen dagegen auf Grund des starken Windes weiter gefährlich. Die Wasserretter auf Usedom und Rügen hissten am Donnerstagmorgen beispielsweise an den Stränden von Trassenheide, Ahlbeck und Sellin die gelbe Flagge.

In Rügens größtem Ostseebad Binz messen Rettungsschwimmer im Abstand von rund zwei Stunden die Wellenhöhe und Unterstömung, indem sie selbst ins Wasser gehen, die Wasserströmung in Beinhöhe einschätzen und sich dabei auch auf den Meeresgrund legen, um zu spüren, mit welcher Kraft der Körper abgetrieben wird. „Die gefährlichste Stelle ist dann maßgebend für den Strand“, sagte Grotsch.

In Binz haben sich Rettungsschwimmer und Bürgermeister bereits zusammengesetzt, um über Konsequenzen nachzudenken und die Sicherheit zu erhöhen. So sollen zwei Masten verlängert oder umgesetzt werden, damit die Beflaggung besser zu sehen ist, wie Grotsch sagte.

An der Küste vor Boltenhagen war das Schwimmen für geübte Schwimmer dagegen problemlos möglich. “Es gab vermehrt Rückfragen von den Badegästen. Wir haben auf die Gefahren hingewiesen. Wichtig ist, dass man sich nicht überschätzt“, so ein Retter auf der Wachstation Boltenhagen.

Noch immer weht der Nordostwind mit Stärke drei bis fünf aus Nordost, wie Uwe Ulbrich vom Wetterdienst Meteomedia auf Hiddensee sagte. In Spitzen könnte die Stärke sieben erreicht werden. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach wird der Nordost-Wind am Sonnabend drehen und sich die Badesituation an der Ostsee entspannen.

Je höher die Wellen, desto stärker ist die Unterströmung, die sie beim Zurückfluten erzeugen. Das kann Badenden zum Verhängnis werden. Mehrere Todesfälle waren bereits zu beklagen.

Gefahren besonders für Senioren

Unabhängig vom ausgesprochenen Badeverbot rät die DLRG, sich an einige Baderegeln zu halten. Insbesondere Senioren seien beim Baden gefährdet, wenn sie bei mehr als 30 Grad Lufttemperatur ins mehr als zehn Grad kältere Wasser steigen. Alkohol, Übermut und unbekannte Gewässer stellen weitere Gefahrquellen für alle Altersgruppen dar.

Prof. Moustafa Abdel-Maksoud, Strömungsforscher an der TU Hamburg-Harburg, erklärt das gefährliche Phänomen der Strömungen. Wenn Wellen auf den Strand aufliefen, brächen sie, was man an dem weißen Schaum erkennen könne. Am Boden der Ostsee fließe das Wasser in entgegengesetzter Richtung ins Meer zurück. Und diese unsichtbare Unterströmung könne für viele zum Problem werden.

Unterdessen warnt Franz Bergmann von der DLRG, dass auch die Badegäste an der Nordsee schnell in Lebensgefahr geraten können, auch wenn dort die Verhältnisse gänzlich anders sind. "Die Hauptgefahrenquellen an Nord- wie Ostsee sind meistens starke Strömungen durch bestimmte Windrichtungen. Und derzeit bereiten eben diese starken auflandigen Winde an der Ostsee Sorgen. Das kann an der Nordsee auch passieren, wenn der Wind auf Nord oder Nordwest dreht.

Nach seiner Ansicht habe "jede Insel ihre besonderen Probleme, etwa durch Sturmschäden. 2013 hat das Orkantief "Xaver" auf Wangerooge große Teile der Strände weggespült. Dort haben wir jetzt sehr starke Querströmungen. Die sind auch auf Juist und Spiekeroog zu spüren", erklärt Bergmann: "Zudem haben Bauwerke wie Buhnen oder Sandbänke Einfluss auf die Strömung. Diese entwickelt manchmal stündlich eine ganz eigene Dynamik. Erfahrene Rettungsstationen kennen diese Problematik, müssen das aber jedes Jahr buchstäblich erfahren."

Weitere Gefahre gäbe es "im Wattenmeer, aber auch auf den Seeseiten der Inseln bilden sich immer wieder Priele mit reißender Strömung. Durch diese Rinnen fließen die Wassermassen so stark, dass selbst kräftige Schwimmer nicht dagegen ankommen", sagt Bergmann, der zugleich einen Tipp für alle Badegäste hat: "Besser ist es, dazu parallel zu schwimmen, um aus dem Sog wieder heraus zu kommen. Beim Schwimmen in starkem Wellengang in der Nähe von Buhnen droht Verletzungsgefahr. Die letzten Todesfälle an der Küste aber gab es bei Badegästen, die gesundheitlich vorgeschädigt waren, etwa durch einen Herzinfarkt."