Traurige Bilanz: Innerhalb weniger Tage sind mehrere Menschen in der Ostsee ertrunken. Es ist bereits der achte Badetote innerhalb weniger Tage. Die DLRG sieht dafür zahlreiche Gründe und übt Kritik.

Hamburg. Diese Zahlen machen Angst: Allein in den vergangenen drei Tagen gab es in Norddeutschland sieben Badetote. Nun ist ein weiteres Opfer hinzugekommen. Beim Baden in der Ostsee am Timmendorfer Strand ist ein 62 Jahre alter Mann am Montag ums Leben gekommen. Ein am Strand anwesender Arzt hatte den Urlauber aus Ostfriesland am Nachmittag noch aus dem Wasser gerettet und wiederbelebt, doch die Hilfe kam zu spät, wie die Polizei berichtete. Auch die heraneilenden Rettungskräfte konnten dem Mann nicht mehr helfen. Seelsorger kümmerten sich um die Ehefrau und den Sohn des 62-Jährigen.

Martin Janssen von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) übte ob der tragischen Bilanz auch Kritik an den Familien. „Viele Eltern geben am Strand die Verantwortung für ihre Kinder ab, weil sie denken: Die DLRG ist da und passt auf“, sagte der DLRG-Pressesprecher. Doch die Sorgepflicht der Eltern bestehe auch an bewachten Badeorten weiter.

Ein achtjähriger Junge ist am Sonntag nach einem Badeunfall an der Seebrücke in Graal-Müritz (Landkreis Rostock) in einem Rostocker Krankenhaus gestorben. Das Kind war beim Schwimmen verschwunden und erst 20 Minuten später und zwei Strandaufgänge weiter von Rettungsschwimmern aus dem Wasser gezogen worden. Der Junge konnte zwar am Strand noch reanimiert werden, erlag im Krankenhaus anschließend aber seinen Verletzungen.

Zudem war ein 88-jähriger Mann am Sonntag in einem Badesee in der Feldberger Seenlandschaft (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) ums Leben gekommen. Wie ein Sprecher des Innenministeriums mitteilte, war der Mann schwimmen gegangen und kurz darauf unter Wasser gesunken. Rettungskräfte fanden den 88-Jährigen schließlich leblos am Strand.

Ebenfalls am Sonntag starben am Strand von Prora auf Rügen ein 59 Jahre alter Mann und seine gleichaltrige Frau in der Ostsee. Das Ehepaar aus Bergen wurde leblos aus dem Wasser geborgen, Wiederbelebungsversuche scheiterten. Ob beide ertrunken seien oder Gesundheitsproblem zu ihrem Tod führten, sei noch unklar, hieß es bei der Polizei. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Vor Ückeritz (Usedom) starb zudem ein 58-jähriger Mann, wie eine DLRG-Sprecherin am Montag sagte. In der Ostsee vor Sellin (Rügen) kam ein 56-jähriger Familienvater aus Niedersachsen ums Leben.

„Durch Leichtsinn und Selbstüberschätzung setzen sich viele Badegäste unnötigen Gefahren aus“, sagte Christian Moeller, Pressesprecher des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern: „Auch die Hinweise der Rettungsschwimmer werden häufig nicht beachtet und mit patzigen Kommentaren abgetan. Dabei geht es nicht darum, den Badegästen den Spaß zu verderben, sondern auf Gefahren hinzuweisen.“ In Mecklenburg-Vorpommern starben in diesem Sommer rund zehn Menschen nach Badeunfällen.

Mindestens 15 Badetote in Norddeutschland

Insgesamt gibt es in der diesjährigen Badesaison bislang mindestens 15 Badetote in Norddeutschland. In Schleswig-Holstein seien es laut dem DLRG-Landesgeschäftsführer Thies Wolfhagen mindestens fünf. „Es können allerdings stündlich weitere Todesopfer dazukommen. Viele verunglückte Badegäste schweben noch in Lebensgefahr.“

Während die Zahl der Badetoten an der Ostsee in den vergangenen Wochen stetig gestiegen ist, bleiben tragische Meldungen an der Nordseeküste bislang weitestgehend aus. Nur Zufall? „Die Badegäste an der Nordsee scheinen vorsichtiger zu sein. Zudem kommen häufig Urlauber, die Erfahrung mit den Gezeitenströmen haben und sich mit Ebbe und Flut auskennen. Der Respekt ist groß“, sagte Wolfhagen. Badegäste an der Ostsee seien weniger kritisch und ob der zahlreichen Gefahren überrascht.

Doch auch die Wetterlage sei besonders an der Ostsee in diesem Jahr für die Unglücke verantwortlich. „Strömungen, Winde und starker Seegang führen zu zahlreichen Gefahren“, so Wolfhagen weiter. Allerdings gebe es an der Ostsee auch deutlich mehr Badegästen, als an der Nordsee. „Die Gefahr, dass es zu Badeunfällen kommt, ist daher größer“, erklärt der DLRG-Landesgeschäftsführer aus Schleswig-Holstein.

Und noch eine weitere Entwicklung beunruhigt die Rettungsorganisationen. Immer weniger Kinder können richtig schwimmen. Jeder zweite Grundschulabgänger sei kein guter Schwimmer, sagte DLRG-Bundessprecher Martin Janssen unter Berufung auf eine von der DLRG in Auftrag gegebene Umfrage. Nur 40 Prozent der Kinder hätten das Bronzeabzeichen, das als Einstieg in das sichere Schwimmen gewertet werde. Auch hier sehen die Organisationen die Kommunen in der Pflicht. Die Schließung von Schwimmbädern dürfe nicht dazu führen, dass Kindern der Zugang zum Schwimmunterricht verwehrt werde.

Bereits am Sonnabend war ein 46-jähriger Mann aus Hamburg, der Urlaub auf Hiddensee machte, beim Baden in der Ostsee ums Leben gekommen. Laut Polizei hatten andere Badegäste am Strand von Vitte den leblos im Wasser treibenden Mann entdeckt und Alarm geschlagen. Wiederbelebungsversuche eines Rettungsschwimmers und auch des Notarztes seien erfolglos geblieben. Die Todesursache sei noch unklar, hier soll eine Obduktion des Leichnams den Fall klären.

Vor einer Woche war auf Usedom bereits ein 70-jähriger Urlauber aus Sachsen in der Ostsee ertrunken. Er hatte laut Polizei versucht, den Ball seiner Enkelin aus dem Wasser zu holen und Zeugenaussagen zufolge dann gesundheitliche Probleme bekommen. Ein Notarzt stellte später Tod durch Ertrinken fest.

Diese Menschen starben in der Ostsee