Die Zahl der Badetoten an der Ostsee steigt weiter an: Nun ist ein 70-Jähriger in Scharbeutz ums Leben gekommen. Auf Usedom sorgte ein Badeverbot für Ärger, Gäste beschimpften DLRG-Mitglieder.
Hamburg. Das Baden an der Ostsee bleibt gefährlich: Vor Scharbeutz ist am Dienstag erneut ein Schwimmer ums Leben gekommen, ein 13-jähriger Junge konnte noch gerettet werden. Ein anderer Badegast hatte den leblosen Körper des Schwimmers aus dem Wasser gezogen, Wiederbelebungsversuche von Rettern scheiterten am Strand, wie eine Polizeisprecherin sagte.
Bei dem Toten handelt es sich um einen etwa 70 Jahre alten Mann aus Niedersachsen. Er hatte einen Tagesausflug nach Scharbeutz unternommen. Rechtzeitig konnten Retter dagegen ebenfalls in Scharbeutz einen 13-Jährigen aus dem Wasser ziehen. Der Junge schluckte zwar reichlich Wasser, musste aber nicht in ein Krankenhaus gebracht werden.
An vielen Strandabschnitten an der Ostsee wie am Timmendorfer Strand herrschte am Dienstag sogar Badeverbot. Windböen der Stärke sieben führen zu starken auflandigen Winden, das zurückfließende Wasser sorge für Unterströmungen. „Die Wetterlage ist zurzeit außergewöhnlich an der Ostsee“, sagt Schleswig-Holsteins DLRG-Landesgeschäftsführer Thies Wolfhagen.
Wie lange das Badeverbot anhält, hängt von den Wetterverhältnissen ab. „Am Dienstag bleibt das Badeverbot am Timmendorfer Strand noch definitiv bestehen“, sagt eine Sprecher der dort ansässigen DLRG-Wachstation. Rettungsschwimmer und Polizei sind vor Ort und warnen die Badegäste über Megafone. Auf Fehmarn, Usedom und in Grömitz ist dagegen das Baden weiterhin erlaubt.
Es ist eine traurige Bilanz. Nach Angaben der DLRG wurden bislang allein in Schleswig-Holstein 34 Menschen aus lebensbedrohlichen Situationen gerettet. In Mecklenburg-Vorpommern waren an diesem Wochenende sechs Menschen beim Baden ertrunken.
Insgesamt acht Menschen sind nach einer ersten Zählung der DLRG und der Wasserwacht des DRK bis zum Dienstagnachmittag in der Ostsee ertrunken. Die Mehrzahl davon, weil sie die Gefahren beim Schwimmen unterschätzten. Deutlich mehr wurden im gesamten Norden verletzt oder werden noch vermisst.
Nach den tödlichen Badeunfällen an der Ostsee hat die Polizei an die Badegäste appelliert, rote Flaggen der DLRG und direkt am Wasser aufgestellte Hinweisschilder unbedingt zu beachten. „Wir können nicht alle 100 Meter am Strand einen Streifenwagen aufstellen“, sagte Polizeisprecher Stefan Muhtz.
Nach mehreren Badeunfällen am Timmendorfer Strand hatten die Beamten am Montag kurzzeitig zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen und mit Lautsprecherdurchsagen auf Gefahren hingewiesen. „Das war am Montag eine einmalige Sache.“ Rote Flaggen signalisieren ein Badeverbot. „Die Badenden gefährden sich selbst und bringen Retter und Helfer in Lebensgefahr“, meint Sprecher Stefan Muhtz.
Erst am Montag ist ein 62 Jahre alter Mann am Timmendorfer Strand ums Leben gekommen. Den Urlauber aus Ostfriesland hatte ein anwesender Arzt am Nachmittag noch aus dem Wasser gerettet und wiederbelebt, doch die Hilfe kam zu spät, wie die Polizei berichtete.
Am Timmendorfer Strand mussten nach Polizeiangaben zudem Retter trotz roter Flagge, direkt am Wasser aufgestellter Warnschilder und Lautsprecherdurchsagen mehrere Menschen aus dem Wasser in Sicherheit bringen, darunter zwei Mädchen. Eines der beiden 10 und 14 Jahre alten Urlauberkinder sei ebenso wie wenige Stunden später ein 29-Jähriger aus Polen ins Krankenhaus gebracht worden. Zudem wurde eine im Wasser stehende Frau am Dienstag derart heftig von einer Welle getroffen, dass sie stürzte und sich eine Gehirnerschütterung zuzog.
Im Selker Noor bei Schleswig entdeckte die Polizei ebenfalls am Montag eine weibliche Leiche. Die Frau sei offenbar ertrunken, hieß es. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“ handele es sich um die seit Sonnabend vermisste 47-Jährige, teilten die Beamten mit. Taucher bargen die Leiche vom Grund des Binnensees. Hinweise auf strafbare Handlungen gebe es nicht. Die Ermittlungen dauerten weiter an.
Usedom: Badeverbot aufgehoben
Das Badeverbot auf der Insel Usedom, das mittlerweile wieder aufgehoben wurde, ist bei den Badegästen auf Unverständnis gestoßen. Nach aggressiven Beschwerden von Urlaubern musste sogar die Polizei am Strand von Ahlbeck eingreifen. Laut Polizei hatte ein Badegast die Rettungsschwimmer lautstark wegen des Badeverbots beschimpft. Als zwei Beamte am Strand eintrafen, war der Urlauber aber bereits verschwunden. Die Polizisten hätten dann die Gelegenheit genutzt, um mit den Lebensrettern die Badegäste am Strand über die Beflaggung und das Badeverbot aufzuklären.
Auch in Sellin kam es nach Angaben des DLRG-Wachleiters Peter Prussakowski am Montag zu unschönen Szenen: Die Badegäste hätten sich uneinsichtig gezeigt und die Rettungsschwimmer teilweise mit „Verbalattacken unter der Gürtellinie“ beschimpft. Die Polizei wurde nur deshalb nicht alarmiert, weil die Helfer gemeinsam mit Kioskbetreibern und Mitarbeitern der Kurverwaltung beruhigend auf die Gäste eingewirkt hätten.
Nach zwei Tagen mit roter Flagge wurde am Dienstag an den Stränden von Usedom – etwa in Ahlbeck und Heringsdorf, sowie auf Rügen wie etwa in Sellin – das Badeverbot aufgehoben. Gelbe Flaggen wurden gehisst. Das bedeutet, dass das Baden erlaubt ist – allerdings nur für geübte Schwimmer. Die Wellen hatten dort am Dienstag noch immer eine Höhe von bis zu einem Meter. Allerdings hat nach Angaben von DLRG und Wasserwacht dort die Unterströmung nachgelassen.
Mit Material von dpa
Badeunfälle in diesem Sommer in Norddeutschland