In Niedersachsen legt die CDU leicht zu. In Schleswig-Holstein muss sie dagegen Verluste hinnehmen. Dort holt die SPD mächtig auf. In Niedersachsen gibt es eine Auffälligkeit.

Kiel/Hannover. Sowohl in Niedersachsen wie in Schleswig-Holstein hatte bei der Europawahl die CDU die Nase vorn. Richtig strahlen aber konnten am Montag nur die Niedersachsen, die 0,2 Prozent auf jetzt 39,4 Prozent zulegten und mit dem Spitzenkandidaten David McAllister das beste CDU-Ergebnis bundesweit erzielten. Die CDU in Schleswig-Holstein dagegen verlor 3,5 Prozentpunkte und landete bei 34,4 Prozent. Da die SPD zugleich deutlich zulegte – von 24,6 auf jetzt 32 Prozent – hat sie Tuchfühlung mit der CDU. Das ist in Niedersachsen etwas anders, hier legte die SPD zwar auch deutlich zu (32,5 Prozent), aber es gibt eben doch einen deutlich größeren Abstand zur CDU.

Der frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister strahlte angesichts der Zahlen wie nie seit der verlorenen Landtagswahl im Januar 2013. Ihm ist so etwas wie ein persönlicher Neustart gelungen, auch weil ihm seine Bundesvorsitzende Angela Merkel die erstmals von der Partei geschaffene Position eines bundesweiten Spitzenkandidaten verschafft hatte. Das war wohl auch ein Stück Dank für McAllisters unverbrüchliche Loyalität als Ministerpräsident. In seiner Eigenschaft als CDU-Landesvorsitzender steht McAllister aber in einer vergleichbar schwierigen Situation wie die Parteifreunde um den CDU-Landesvorsitzenden und wieder gewählten Europaabgeordneten Reimer Böge in Schleswig-Holstein: Die FDP stürzte in beiden Bundesländern in die Bedeutungslosigkeit ab. Mindestens aus heutiger Sicht fehlt den Christdemokraten der bislang einzige denkbare Partner für Koalitionen. Dank deutlicher Gewinne der SPD und geringer Verluste der Grünen bei der Europawahl rangiert jetzt in beiden Ländern Rot-Grün deutlich vor Schwarz–Gelb.

Die AfD hat auch in Schleswig-Holstein ein gutes Ergebnis erzielt

In Niedersachsen blieb die AfD mit 5,4 Prozent deutlich unter ihrem bundesweiten Ergebnis. Ihr in Winsen an der Luhe wohnender Spitzenkandidat Bernd Lucke wird dennoch wie neun weitere Niedersachsen ins Europaparlament einziehen. Auch die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner schaffte auf Platz drei der Liste gerade noch den Wiedereinzug ins Brüsseler Parlament. Als Spitzenkandidatin ihrer Partei ist natürlich auch die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms weitere fünf Jahre gewählt.

Uneinheitlich ist das Bild nach der ersten Runde der kleinen zeitgleichen Kommunalwahl in Niedersachsen, wo in Direktwahl über 215 Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister abgestimmt wurde. In 46 Fällen wird es zu einer Stichwahl am 15. August kommen. Mindestens als Achtungserfolg kann dabei die CDU verbuchen, dass sich auch der amtierende Präsident der Region Hannover, Hauke Jagau (SPD), noch einmal dem CDU-Herausforderer Axel Brockmann wird stellen müssen. Die Region mit mehr als einer Million Einwohnern gilt als sozialdemokratisches Stammland. Stichwahlen wird es auch in den großen Städten Braunschweig, Göttingen und Lüneburg geben – mit den deutlich besseren Aussichten für die SPD-Kandidaten. In den ländlichen Landkreisen setzten sich überwiegend CDU-Landräte durch. Die CDU freute sich darüber, dass es ihr gelang, den bislang von der SPD gehaltenen Landkreis Gifhorn zu gewinnen.

Auffällig in Niedersachsen: Vor allem in den kleineren Kommunen treten häufig Einzelbewerber an, die von mehreren Parteien unterstützt und gewählt werden. Insgesamt mehr als 60 der neuen Amtsinhaber wurden so gewählt. In 54 Fällen gewannen Christdemokraten, in 52 Fällen Sozialdemokraten.

In Schleswig-Holstein ist die SPD der große Gewinner. Der Song, den sich Ralf Stegner für den Morgen nach dem Urnengang ausgesucht hatte, entsprach dennoch nicht ganz der Europawahl-Wirklichkeit. „Every 1’s a Winner“ von der Funk-Band „Hot Chocolate“ mochte eine zutreffende Beschreibung für die Stimmung des schleswig-holsteinischen SPD-Landesvorsitzenden sein. Aber gewiss nicht für die Stimmung seiner Amtskollegen Reimer Böge (CDU) und Heiner Garg (FDP). Während die SPD sich über den Zugewinn von 7,3 Prozent freuen konnte, musste die CDU deutliche Verluste (minus 3,5 Prozent), die FDP sogar einen veritablen Absturz hinnehmen (minus 8,9 Prozent). Heiner Garg machte gar nicht erst den Versuch, irgendetwas beschönigen zu wollen. „Seit 1992 lagen wir bei Wahlen in Schleswig-Holstein nie unter fünf Prozent “, sagte er. „Die 3,7 Prozent, die wir jetzt bekommen haben, sind ein hundsmiserables Ergebnis.“ Der CDU gelang es, ihrem Wahlergebnis Positives abzugewinnen – obwohl es ein negatives Vorzeichen trägt. „Wir sind mit Abstand stärkste Partei geworden“, sagte Johannes Callsen, der Chef der CDU-Fraktion im Landtag.

Die AfD hat auch in Schleswig-Holstein ein gutes Ergebnis erzielt und kann sogar eine Schleswig-Holsteinerin ins Europaparlament schicken. Ulrike Trebesius aus Horst (Kreis Pinneberg) profitiert von dem Boom der europaskeptischen Partei und komplettiert die Dreierriege der schleswig-holsteinischen Parlamentarier, zu der Reimer Böge und Ulrike Rodust (SPD) gehören.

Die CDU hat besonders stark in ihren nördlichen Stammlanden verloren – in der Stadt Flensburg sind es 5,6 Prozentpunkte. Die SPD ist im Hamburger Rand stark. Im Kreis Segeberg hat sie 9,2 Prozentpunkte dazugewonnen. Die Verluste der FDP ziehen sich quer durchs ganze Land. Am stärksten sind sie im Kreis Segeberg (minus 10,9 Prozent), am schwächsten in Kiel (minus 6,8 Prozent). Die Grünen haben in den Kreisen Pinneberg und Stormarn am meisten verloren.