Am Tag nach der Europawahl beginnt die Postenverteilung in Brüssel. Vor allem auf die Besetzung des Kommissionspräsidenten müssen sich die EU-Politiker einigen. Abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden.

Hamburg. In Deutschland streiten sich die beiden Volksparteien um die Besetzung des EU-Chefpostens, in anderen Ländern löste der Erfolg rechtspopulistischer Parteien große Sorgen aus: Die Wahl zum Europäischen Parlament hat gestern für viele Überraschungen gesorgt.

Die SPD legte sowohl bundesweit als auch in Hamburg kräftig um bis zu acht Prozentpunkte zu und macht sich Hoffnungen auf das Amt des neuen Präsidenten der EU-Kommission. Die Unions-Parteien, vor allem die CSU, gaben zwar deutlich Stimmen ab, bleiben aber deutschlandweit mit Abstand die stärkste Kraft. Zugleich schaffte die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit wie auch in Hamburg aus dem Stand sechs bis sieben Prozent und zieht damit erstmals in eine Volksvertretung ein. Die FDP stürzte ins Bodenlose.

„Das ist der größte Zugewinn, den die SPD bei einer Deutschland-weiten Wahl jemals erreicht hat“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. „Das Wahlergebnis trägt einen Namen, und der lautet Martin Schulz!“ Der SPD-Spitzenkandidat sagte, er wolle jetzt im neuen Europäischen Parlament um eine Mehrheit für sich als neuer EU-Kommissionspräsident werben. CDU-Spitzenkandidat David McAllister gab sich dagegen zuversichtlich, dass Europas christlich-konservative Parteien mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker künftig den Brüsseler Spitzenposten besetzen werden. Heute Abend wollen die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Gabriel, darüber beraten, welchen Kandidaten die Bundesregierung in Brüssel unterstützen wird.

Bestürzung löste der Erfolg radikaler Parteien im mehreren Ländern aus. In Frankreich sorgte der rechtsextremistische Front National von Marine Le Pen für ein politisches Beben: Er wurde mit 25 Prozent stärkste Partei. In Österreich legte die rechtspopulistische FPÖ um sieben Prozentpunkte zu und kam laut Hochrechnungen auf 20 Prozent. In Griechenland wurde die Radikale Linke mit bis zu 28 Prozent stärkste Partei, die rassistische Partei Goldene Morgenröte erzielte bis zu zehn Prozent. In Finnland kamen die rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ auf 12,8 Prozent. AfD-Chef Bernd Lucke wies dagegen Vorwürfe des Rechtspopulismus zurück. Die AfD sei keine rechte Partei, sondern eine des „gesunden Menschenverstandes“, sagte er.

In Hamburg wurde die SPD laut vorläufigem amtlichen Endergebnis mit 33,8 Prozent stärkste Partei (2009: 25,4), während die CDU mit 24,5 Prozent (29,7 Prozent) auf Platz zwei kam. Deutlich über dem Bundesergebnis liegen die Hamburger Grünen mit 17,2 Prozent (20,5 Prozent). Bundesweit kamen die Grünen bei leichten Verlusten nur auf 10,7 Prozent. Die Hamburger Linken konnten sich auf 8,6 Prozent (6,7 Prozent) verbessern. Auf Platz fünf folgt die AfD, die in der Hansestadt auf 6,0 Prozent kam. Die FDP landete abgeschlagen bei 3,7 Prozent vor den Piraten mit 2,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung stieg von 34,7 Prozent auf jetzt 43,4 Prozent. Bundesweit lag sie bei etwa 48 Prozent.