Der ehemalige CDU-Partei- und Fraktionschef kehrt nach seinem Sturz über eine Affäre mit einer Schülerin jetzt ins Landeshaus zurück.
Kiel. Christian von Boetticher atmet kurz durch, bevor er nervös den Sitzungssaal der CDU-Fraktion im zweiten Stock des Kieler Landeshauses betritt. Fast alle Abgeordneten schauen ihn gebannt an. Von Boetticher gibt sich einen Ruck und begrüßt jeden Fraktionskollegen persönlich, einige wie die Abgeordnete Ursula Sassen drückt er fest ans Herz, anderen wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen schüttelt er nur kurz und kühl die Hand.
Die knisternde Spannung im Saal legt sich langsam. Der frühere Hoffnungsträger, der wegen einer Affäre mit einer Schülerin vor einem Monat von allen Spitzenämtern zurückgetreten war, ist wieder im Landeshaus, um als einfacher Hinterbänkler die schwarz-gelbe Ein-Stimmen-Mehrheit zu sichern. Offiziell begrüßt wird von Boetticher hinter verschlossenen Türen von seinem Nachfolger als Fraktionschef, Johannes Callsen. Viele Abgeordnete applaudieren.
"Ich bin wieder da", hatte von Boetticher schon kurz vor der Sitzung den vor der Tür wartenden Pressepulk begrüßt. Der 40 Jahre alte Jurist berichtet, dass er zwei Wochen mit seinem 80-jährigen Vater im Gebirge wandern war, der Senior auch über die Kriegszeit gesprochen habe. "Da schrumpfen die Ereignisse der vergangenen Wochen auf ein anderes Maß zusammen", erzählt von Boetticher und schließt mit einem Plädoyer in eigener Sache. Die Medien sollten sich weniger um ihn und mehr um den neuen CDU-Spitzenkandidaten Jost de Jager kümmern.
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Nachfragen wehrt von Boetticher ab und offen lässt er auch, ob er mit der Wahl im Mai 2012 der Landespolitik den Rücken kehrt oder aber erneut als Direktkandidat im Wahlkreis 25 (Pinneberg, Schenefeld, Halstenbek) antritt. "Das werde ich zu gegebener Zeit mit den Gremien der Partei erörtern."
Im Kreis Pinneberg wurde die Ankündigung mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Der CDU-Kreischef Ole Schröder hatte die Nominierung des Direktkandidaten eigens auf den 4. Oktober verschoben, um seinem Jugendfreund eine Chance zu geben. Andere Christdemokraten halten es für eine "Schnapsidee", mit dem "Lolita-Politiker" in den Wahlkampf zu ziehen.
Im Landeshaus hofft eine Mehrheit der Christdemokraten inständig, dass von Boetticher die politischen Segel streicht. Begründung: Die CDU wolle nach dem Neuanfang mit Wirtschaftsminister de Jager nach vorn blicken. Bleibt von Boetticher an Bord, wäre das kaum möglich. Als Beispiel wird in der CDU-Spitze der Landesparteitag am 4. November in Lübeck genannt, auf dem de Jager feierlich zum Spitzenkandidaten gekürt werden soll. Die Jubelveranstaltung könnte von Boetticher gefährden, weil ihm als Direktkandidaten und Ex-Partei- und Fraktionschef einer der vorderen Plätze auf der Landesliste zusteht, die härter umkämpft ist als vor den vergangenen Wahlen. Denn anders als 2009, als die CDU 34 der 40 Wahlkreise holte, könnte diesmal vielerorts die SPD triumphieren, auch im Wahlkreis Pinneberg, den von Boetticher nur mit einem knappen Vorsprung (5,3 Prozentpunkte) gewann.
Im Landeshaus wird derweil eifrig darüber diskutiert, wie stark die Affäre der CDU schadet. In der SPD wird gern an eine Meinungsumfrage Mitte August erinnert. Damals, kurz nach dem Rücktritt von Boettichers, zog die SPD (32 Prozent) erstmals seit Jahren an der CDU (30 Prozent) vorbei. In der CDU weiß man um das "Affärentief", setzt aber auf ein anderes Ergebnis der Umfrage. Demnach lag der SPD-Spitzenkandidat, Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig, nur knapp vor de Jager, der gerade erst als neuer CDU-Hoffnungsträger nominiert worden war. Von Boetticher backt derweil kleine Brötchen. In der heute beginnenden Landtagssitzung hat die CDU ihn für keinen Redebeitrag gemeldet.