Der 40-Jährige legt auch sein Amt als Landesvorsitzender der Nord-CDU nieder. Der Politiker hatte Anfang 2010 eine Beziehung zu einer damals 16-Jährigen.
Kiel. Neun Monate vor der Landtagswahl in Schleswig- Holstein tritt CDU-Spitzenkandidat Christian von Boetticher wegen einer privaten Affäre zurück – auch als Landesvorsitzender. Er stürzt die Partei damit in eine massive Führungskrise.
Der 40-Jährige, der auch die Landtagsfraktion in Kiel führt, gab seine Entscheidung am Sonntagabend in Kiel bekannt, mit stockender Stimme und den Tränen nahe. Von Boetticher zog die Konsequenz aus einem inzwischen beendeten Verhältnis: Der seinerzeit unverheiratete Politiker hatte Anfang vergangenen Jahres eine Liebesbeziehung mit einer damals 16-Jährigen.
Der Politiker bekannte sich vor der Presse zu der – rechtlich legalen – Beziehung, allerdings ohne das genaue Alter der Jugendlichen zu nennen. „Ja, es ist wahr, ich hatte mich im Frühjahr
2010 in eine junge Frau verliebt und bin mit ihr mehrere Monate zusammen gewesen“, sagte von Boetticher. Das war lange vor seiner Vornominierung zum Spitzenkandidaten.
Für die gemeinsam mit der FDP in Kiel regierende Nord-CDU ist die Entwicklung ein Dreivierteljahr vor der Wahl ein harter Schlag. Zwar gab es parteiintern immer wieder auch Kritik an von Boettichers Führungsstil, aber mit seiner Kür zum Spitzenkandidaten Anfang Mai (87 Prozent) schien für ihn alles klar zu sein.
Der 64-jährige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hatte auf eine weitere Bewerbung verzichtet, von Boetticher sollte am 4. November in Lübeck als Spitzenkandidat offiziell gewählt werden. Einflussreiche Christdemokraten sahen in ihm aber nie den aussichtsreichsten CDU-Kandidaten für die Landtagswahl.
Vor allem Wirtschaftsminister Jost de Jager (46) war im Gespräch als möglicher Alternativkandidat, aber auch Landtagspräsident Torsten Geerdts (48). Möglicherweise rückt jetzt auch der frühere Landes- und Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (48), derzeit Bundestagsabgeordneter, wieder ins Visier.
„Diese sehr ungewöhnliche Liebe ist auch von unserem Umfeld akzeptiert und auch unterstützt worden“, sagte von Boetticher am Sonntagabend. „Es war schlichtweg Liebe.“ Eine solche Beziehung sei zwar rechtlich legal, treffe aber bei vielen Menschen auf verständliche moralische Vorbehalte. Er habe den politischen Fehler gemacht, die Bedeutung einer solchen Beziehung für eine möglicherweise anstehende Spitzenkandidatur nicht bedacht zu haben.
Als die Beziehung in der Partei bekannt wurde, waren in den vergangenen Tagen immer mehr Unmut und Unverständnis aufgekommen. Am Samstag und Sonntag wuchs der Druck auf von Boetticher, seine Spitzenämter niederzulegen.
Rechtlich ist eine intime Beziehung zu einer 16-Jährigen zulässig. Ministerpräsident Carstensen hatte von Boetticher darauf hingewiesen, der Vorgang habe „mehr als eine nur rechtliche Dimension“. Im Gespräch mit der Zeitung „Schleswig-Holstein am Sonntag“ äußerte Carstensen auch die Erwartung, dass von Boetticher „die richtigen Schlüsse daraus zieht“. Über seine Zukunft als Chef der Landtagsfraktion wird in deren Sitzung am Dienstag entschieden.
Auf wen es auch zuläuft – die Nord-CDU hat nun ein schweres Führungsproblem. Eine Umfrage im Mai sah die Partei noch knapp mit 33 zu 31 Prozent vor der SPD, die mit dem Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig als Spitzenkandidat die Wahl ansteuert. Albig setzt auf ein Bündnis mit den Grünen, wofür die Chancen nach derzeitigem Stand gut erscheinen.
+++ Die politische Karriere des Christian von Boetticher +++
Der geschäftsführende Landesvorstand der CDU Schleswig-Holstein nahm die Entscheidung in einer Erklärung „mit Respekt zur Kenntnis“. Von Boetticher habe „deutlich gemacht, dass er die moralische Komponente falsch eingeschätzt hat“. Die Konsequenzen dienten „vor allem dem Schutz seiner Privatsphäre“.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag): „Die CDU muss den Vorfall intern klären und schnell eine Lösung finden.“ Dann werde auch die FDP reagieren. Albig will aus dem Skandal um seinen Konkurrenten keinen politischen Vorteil ziehen. „Mir steht es nicht zu, das Privatleben von Herrn Boetticher zu beurteilen“, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montag). „Uns als SPD geht es darum, die nächste Landtagswahl zu gewinnen. Wir gewinnen, wenn wir uns gut aufstellen.“
Boetticher beschreibt sich als bodenständig
Boetticher gilt seit langem als Kronprinz von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Er war aber bereits vor der Affäre in Teilen der Nord-CDU umstritten. Kritiker werfen ihm mangelnde Kommunikation und Führungsschwäche vor. Boetticher trat im September vergangenen Jahres bereits als Parteichef die Nachfolge von Carstensen an.
"Wenn man gradlinig sein will, hat man Ecken und Kanten“, sagt Boetticher. Er beschreibt sich selbst als "ausgeglichen, interessiert, bodenständig“. In seiner Freizeit geht der Sylt-Fan laufen und spielt Klavier. Zwar im niedersächsischen Hannover geboren, verbrachte der Christdemokrat aber den Großteil seiner Kindheit und Jugend in Appen (Kreis Pinneberg) nordwestlich von Hamburg. Bereits mit 15 Jahren war Boetticher Mitglied in der Schülerunion. Mit 18 trat er der CDU bei und stieg über Orts- und Kreis- bis in den Landesvorstand auf.
"Wir sind gut miteinander befreundet“, sagte Carstensen einst über seinen Kronprinzen. Der Nordfriese galt lange Zeit als Förderer Boettichers. Carstensen holte den damaligen Europaabgeordneten 2005 nach Kiel und machte ihn in der großen Koaltion zum Landwirtschaftsminister. Seit der Landtagswahl 2009 ist der an Heilig Abend geborene Boetticher Fraktionschef. (dpa/dapd)