Obwohl der kritische Strahlenwert erreicht sei, habe man den Castor-Transport nicht gestoppt. Heftige Kritik an weiteren Vorbereitungen.
Hannover. Ein Vierteljahrhundert nach der Gründung seines Umweltministeriums blickt Niedersachsen mit gemischten Gefühlen auf die bisherige Naturschutz- und Atompolitik zurück. Insgesamt habe das Ressort aber viel erreicht, sagte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) am Donnerstag bei einem Festakt in Hannover: „Wir haben auch Erfolge gehabt, nicht nur Misserfolge.“ Dazu gehörten etwa die Einrichtung der Nationalparke Harz und Wattenmeer.
Ministerpräsident David McAllister (CDU) hob die Bedeutung des Ministeriums angesichts der Energiewende hervor – diese sei die größte gesellschaftspolitische Herausforderung seit der Wiedervereinigung.
Schon die Einrichtung des Ressorts im Juli 1986 war aus Sicht des Regierungschefs mehr als eine Reaktion auf den Atom-GAU von Tschernobyl drei Monate zuvor gewesen. Unter dem damaligen Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) habe es bereits Pläne für erste Windparks und die Nutzung von Erdwärme gegeben.
Wegen des Ausbaus erneuerbarer Energien sei die Expertise des Umweltministeriums nun so gefragt wie nie, betonte McAllister: „Seit Fukushima ist nichts mehr, wie es war. Das Land ist gefordert, weil wir diese Wende konkret umsetzen müssen.“ Ein eigenes Energiekonzept für Niedersachsen soll bis zum Jahresende fertig sein.
Harsche Kritik an Sanders Amtsführung kam am Jubiläumstag von den Grünen. Fraktionschef Stefan Wenzel kündigte „juristische Maßnahmen“ an, sollte sich der Vorwurf bestätigen, dass der Minister vom Umräumen der Castoren im Atommüll-Zwischenlager Gorleben wusste oder dies sogar anordnete. Dann handele es sich um Rechtsbeugung.
„Wir sehen dem gelassen entgegen“, konterte eine Sprecherin Sanders. Das Verrücken der Behälter in die Mitte der Lagerhalle sei auf Empfehlung des Bundesamts für Strahlenschutz und des Betreibers geschehen – und nicht, weil erhöhte Strahlenwerte an der Anlage gemessen wurden. Landtagsopposition und Deutsche Polizeigewerkschaft fordern, den nächsten für November geplanten Castor-Transport abzusagen.
Minister Sander sprach sich für mehr Bürgerbeteiligung aus – eine Maßnahme, die der Landeschef des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Holger Buschmann, für überfällig hält. Entscheidungen wie das Abholzen von Bäumen in der Elbtalaue seien gegen lokale Bedenken durchgeboxt worden. Auch zeige die Kürzung von Zuschüssen, dass ehrenamtlichen Umweltschützern unter dem amtierenden Minister Sander keine große Wertschätzung zukomme.
„Wir müssen den Menschen mehr Eigenverantwortung übertragen, auch in der Umweltpolitik“, entgegnete der Minister. Immerhin gebe es keine Begehrlichkeiten der 2004 abgeschafften Bezirksregierungen mehr, auf die Vorgänger Wolfgang Jüttner (SPD) noch achten musste. Jüttner, von 1998 bis 2003 Landesumweltminister, nannte die Atompolitik ein zentrales Thema, das sich durch die Jahre durchgezogen habe. Niedersachsen habe seit jeher damit zu kämpfen, dass sich andere Länder der Suche nach Endlager-Alternativen zu Gorleben und einem Kompromiss zur Verteilung der Kosten der Castor-Transporte ins Wendland verweigerten: „Die Abstimmungen zwischen den 16 Ländern im Bundesrat gingen schon damals immer mit 15:1 aus.“
Auch die SPD-Politikerin Monika Griefahn, Ex-Greenpeace-Aktivistin und Umweltministerin in Niedersachsen von 1990 bis 1998, zog Bilanz. Die Dauerdebatte um Atomendlager sei wichtig gewesen, betonte sie. „Wir haben so auch die Möglichkeit dafür geschaffen, dass der Ausstieg kommen kann.“