Der Wahlkampf im Nordosten nähert sich dem Ende. Doch wirklich Fahrt aufgenommen hat er nicht. Es fehlten Themen und Kontroversen.

Schwerin. Lorenz Caffier geht dorthin wo die Probleme sind. Auf den Dreesch in Schwerin zum Beispiel. Das Plattenbaugebiet wird wegen hoher Arbeitslosigkeit und häufiger Gewaltdelikte zu den sozialen Brennpunkten gezählt. Doch an seinem Wahlstand bleibt der Innenminister und Spitzenkandidat der CDU weitgehend unbeachtet, Gespräche kommen kaum zustande. Eine Erfahrung, die auch Kandidaten anderer Parteien an anderen Orten in Mecklenburg-Vorpommern machten. Ein müder Wahlkampf ohne Kontroversen und zündende Themen, den auch die Wahlwerbung der Union mit Energy-Drinks nicht beleben konnte, neigt sich dem Ende zu. Nach Ansicht von Demoskopen droht eine sehr geringe Wahlbeteiligung.

In der letzten Woche vor der Landtagswahl am 4. September soll bundespolitische Prominenz die Aufmerksamkeit für die Wahl und für die Kandidaten noch mal erhöhen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt wieder, SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zum ersten Mal, die Grünen- Bundesspitze mit Cem Özdemir und Claudia Roth ist im Dauereinsatz, wie auch die Linke-Galionsfigur Gregor Gysi. Und FDP-Chef Philipp Rösler will ebenfalls den schwächelnden Liberalen Mut machen. Caffier, dessen CDU in Umfragen (28 Prozent) deutlich hinter der SPD (35) liegt, kann sich wohl sicher sein, dass er bei seinen Auftritten mit Merkel größere Resonanz findet, als an einsamen Wahlständen. In Schwerin, Rostock, Neubrandenburg, Neustrelitz und Waren treten beide noch gemeinsam auf. Auch die Bundesminister Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen und Ilse Aigner bietet Caffier auf. Doch ob deren Unterstützung und die Strahlkraft der Euro-gestressten Kanzlerin ausreichen, um Caffiers enorme Popularitätsnachteile gegenüber Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wettzumachen, wird allenthalben bezweifelt.

„Dass Sellering so schnell in die Rolle des Landesvaters wächst, war nicht zu erwarten und hat wohl auch die Union überrascht“, sagt der Rostocker Politikwissenschaftler Martin Koschkar. Seiner Meinung nach hat sich die CDU längst mit der Rolle des Juniorpartners angefreundet, vermeidet Konfrontationen mit Sellerings SPD und hofft auf eine Fortführung von Rot-Schwarz. Deshalb erwartet der Politologe vom TV-Duell der Spitzenkandidaten an diesem Dienstag auch keine Überraschungen. „Das Aufeinandertreffen wird kein Highlight dieses Wahlkampfes. Die Konfliktfelder fehlen und auch der Wille zur Attacke. Das wird eher ein Duett als ein Duell.“

Sellering tourt auch in der letzten Woche vor der Wahl noch durchs Land und sucht den direkten Kontakt zum Volk, wie jüngst in Waren, als er Rosen verteilte und um Zustimmung für seine Politik warb. „Das macht er sehr geschickt. Er hebt das Positive hervor, und das kommt an“, sagt Koschkar. Die SPD setzt ganz auf ihren Landeschef und nutzt den Besuch der Bundesparteispitze an diesem Mittwoch im Warnemünder Kurhaus vor allem zur Motivation der eigenen Mitglieder. „Die guten Umfragewerte dürfen uns nicht verführen, im Vorgefühl des Sieges die Hände in den Schoß zu legen“, mahnt Landesgeschäftsführer Thomas Krüger.

Linke-Spitzenkandidat Helmut Holter, sichtlich verärgert darüber, nicht zum TV-Duell mit eingeladen worden zu sein, wird bis zur Wahl mit dem populärsten Linke-Politiker, Gregor Gysi, quer durch den Nordosten reisen. Querelen in der Bundespartei und die Debatte um den Mauerbau haben Holters Wahlkampf erheblich belastet und von ihm favorisierten Themen wie Mindestlohn oder öffentlich geförderte Beschäftigung verdrängt. Schwer, das in der letzten Woche zu ändern und die Linke von den mäßigen Umfragewerten (17 Prozent) nach oben zu bringen. Holters Traum ist aber weiterhin ein rot-rotes Bündnis.

Wie Linke und SPD haben auch die Grünen Sitzungen wichtiger Führungsgremien von Berlin nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt, um die Beratungen mit Wahlkampfauftritten zu verknüpfen. Am Montag und Dienstag tagt der Bundesvorstand der Öko-Partei in Schwerin, wo sie nach eigenem Bekunden eine Mission zu erfüllen hat. „Wir wollen erstmals auch in den Schweriner Landtag kommen. Dann wären wir in allen Landesparlamenten vertreten und würden mit Union und SPD gleichziehen“, wird Parteichef Özdemir nicht müde zu erklären. Mit Umfragewerten von zuletzt 8 Prozent stehen die Chancen dafür gut. Anders als für die FDP, die an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern droht. Dass die rechtsextreme NPD indes mit 4 bis 5 Prozent in den Umfragen noch Chancen hat, wieder in den Landtag zu kommen, wird von vielen mit Sorge gesehen. (abendblatt.de/dpa)