Verfassungsgericht in Wismar hat entschieden, dass die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern verfassungskonform ist.

Greifswald. Aus zwölf, mach sechs: Das Landesverfassungsgericht in Greifswald hat in einem Urteil entschieden, dass die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern verfassungskonform ist. Somit werden dort die bundesweit größten Landkreise gebildet. Die Richter wiesen die Klagen gegen die umstrittene Kreisgebietsreform ab. Fünf Landkreise und die beiden kreisfreien Städte Greifswald und Wismar waren vor Gericht gezogen, weil sie das Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt sahen. Mit den Landtags- und Kreistagswahlen am 4. September werden aus den zwölf bestehenden Landkreisen sechs neue Großkreise gebildet. Fünf Kreise davon sind größer als das gesamte Bundesland Saarland. Von den bislang sechs kreisfreien Städten behalten nur Rostock und Schwerin ihren Status.

Die Reform der rot-schwarzen Landesregierung war im Juli 2010 vom Landtag beschlossen worden. Mit dem Gesetz reagiert das Land auf den anhaltenden Bevölkerungsrückgang und den absehbaren Rückgang der Zuschüsse von Bund und EU. Die Verwaltung soll in den größeren Strukturen besser und kostengünstiger werden.

Derzeit leben im Nordosten rund 1,65 Millionen Menschen, Prognosen zufolge werden es 2020 nur noch 1,5 Millionen sein. Mecklenburg-Vorpommern weist mit 71 Einwohnern je Quadratkilometer bundesweit die geringste Bevölkerungsdichte auf.

Jetzt herrscht Klarheit zur Kreisreform

Mit Erleichterung haben haben Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Innenminister Lorenz Caffier (CDU) die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts für die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen. Sellering sprach in Schwerin von einer wichtigen Entscheidung für die Zukunftsfähigkeit des Landes. "Jetzt herrscht Klarheit“, sagte er am Donnerstag. Die Reform sei von vitalem Interesse für das Land, zukunftsfähige Verwaltungsstrukturen würden geschaffen. Der Ministerpräsident zeigte sich überzeugt, dass die Menschen im Land in einem Jahr wüssten, dass sie durch die Reform keine Einbußen sondern einen Gewinn hätten.

Caffier betonte, die Kreisgebietsreform sei lange und sorgfältig vorbereitet worden. Er versicherte, die Verwaltung werde nah am Bürger bleiben. "Dass sich bestimmte Leistungen verschlechtern, wird nicht passieren“, sagte er. Mittelfristig werde es auch Einsparungen geben.

Enttäuschung an der Landkreis-Basis

An der Landkreis-Basis brach sich die Enttäuschung kräftiger Bahn. "Dieser Donnerstag ist ein schwarzer Tag für das Ehrenamt“, sagte Rügens Landrätin Kerstin Kassner (Linke). Die knappe Entscheidung sei kein gutes Ohmen für den Start der Reform, sagte Ostvorpommerns Landrätin Barbara Syrbe (Linke). "Wir müssen die Nachteile jetzt so gering wie möglich halten.“ Der Ludwigsluster Landrat Rolf Christiansen (SPD) meinte: "Dass das siebenköpfige Richtergremium mit knapper 4:3-Stimmenmehrheit entschieden hat, verdeutlicht, wie begründet die Bedenken der Kläger gegen das im Juli 2010 vom Landtag beschlossene Kreisstrukturgesetz sind.“ Dennoch wolle man nun nach vorne schauen und die Chancen des neuen Großkreises nutzen. In der Kreisverwaltung Waren standen einigen Mitarbeitern Tränen in den Augen. Der Müritzkreis hatte bis zuletzt auf Selbstständigkeit gehofft.

Auch die bislang noch kreisfreien Städte Wismar und Greifswald hatten vor dem Verfassungsgericht geklagt. "Ich bin geschockt“, sagte Greifswalds Oberbürgermeister Arthur König (CDU) nach dem Urteil. Wismars Bürgermeister Thomas Beyer (SPD) erklärte: "Jetzt wird - davon sind wir nach wie vor überzeugt – in unserem Land ein Gesetz umgesetzt, welches Mecklenburg-Vorpommern nicht voranbringen wird.“

Die Fraktionen von SPD und CDU im Landtag reagierten erfreut, sie sehen die Gesetzgebung der Großen Koalition bestätigt. Mit der Zurückweisung der Klagen unterstütze das höchste Gericht des Landes den Weg von Landesregierung und Landtagsmehrheit, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Norbert Nieszery (SPD) und Harry Glawe (CDU). Es gelte, sich nun vor Ort aktiv für die Umsetzung dieser wichtigen Reform zu engagieren.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Helmut Holter, sprach sich für eine Überprüfung der Reform in der kommenden Wahlperiode durch den neuen Landtag aus. Das betreffe vor allem die Bürgernähe, die Arbeitsmöglichkeiten der ehrenamtlichen Kreistagsmitglieder und die versprochene Kosteneinsparung. Er forderte zudem, den sechs neuen Großkreisen mehr Aufgaben vom Land zu übertragen und die Landesverwaltung zu verschlanken.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Michael Roolf, meinte zu der 4:3-Entscheidung der sieben Verfassungsrichter: "Die Landesregierung ist heute mit einem blauen Auge davon gekommen, die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nicht.“ Die Reform bringe am Ende keine Einsparung, meinte er. Die Ausübung des Ehrenamtes dürfe nicht leiden. "Gegebenenfalls muss nachgebessert werden“, forderte Roolf.

Der Landeselternrat warf der Landespolitik vor, die Schulen bei der Kreisgebietsreform vergessen zu haben. Der amtierende Vorsitzender des Landeselternrates, Torsten Werner, erklärte: "Um die Elternarbeit in den neuen Großkreisen zu koordinieren, müssen die Elternräte für ihre Beratungen nach Feierabend teilweise enorme Entfernungen zurücklegen. Neben dem Zeitaufwand, der effektive Sitzungen kaum noch möglich erscheinen lässt, ist auch kein Ausgleich für die finanziellen Mehrbelastungen der Kreiselternräte vorgesehen.“

(abendblatt.de/dpa)