Die Polizei hat sich früh auf den Atommüll-Transport vorbereitet. Die Zahl der Beamten wird von ein paar hundert am Wochenende auf fast 17.000 steigen.

Lüchow. Frühnebel über dem Wendland, der erste Frost war schon da. Die gold-rot gefärbten Blätter hängen noch an den Bäumen, in den nächsten Tagen werden sie fallen. Kleine Dörfer mit Fachwerkhäusern, hinter dem Traktor auf der Landstraße zuckelt ein Autofahrer gemütlich hinterher. Es ist so ruhig im Wendland. Aber spätestens am Wochenende wird es damit vorbei sein. Atomkraftgegner rechnen mit den größten Protesten seit Jahrzehnten , wenn die Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll nach Gorleben rollen. Für tausende Polizeikräfte wird aus dem Wendland der „Einsatzabschnitt Lüchow-Dannenberg“. Die Zentrale ist im Polizeikommissariat Lüchow, einem nüchternen Gebäudekomplex am Ortsrand.

Aufregung ist hier nirgends zu spüren. Nicht in der Kantine, die große Portionen für kalte Tage austeilt, und auch nicht in der kleinen vorläufigen Einsatzzentrale. Hier werden Bau- und Objektschutz koordiniert. Der große Raum daneben wird erst genutzt, wenn es so richtig losgeht. „Wir sind hier unterwegs und gucken etwa, ob Straßen unterhöhlt wurden, oder überprüfen Unterkünfte und andere Gebäude“, erklärt Patrick Mauche von der 2. Hundertschaft derBereitschaftspolizei aus Hannover. „Ich wünsche mir, dass der Konflikt möglichst gewaltfrei verläuft“, hofft der Kommissar. „Die Leute sind dieses Jahr zugänglicher, ist mein Eindruck“. Sechs der bislang elf Transporte hat er miterlebt. Wie sieht er seine Rolle – und kann er die Castor-Gegner verstehen? „Als Polizist wahre ich Neutralität. Aber ich denke, viele Kollegen haben Verständnis für die Sache der Demonstranten. Schließlich sind wir ein Spiegelbild der Gesellschaft“. Ein Kollege nickt zustimmend.

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Gewalttätige Auseinandersetzungen kann auch der optimistische Kommissar aus Hannover nicht ausschließen, und die Polizei hat sich darauf vorbereitet. Wasserwerfer und Transporter stehen bereit, ein Schild weist den Weg zur „GeSa“. Die Zellen der „Gefangenen-Sammelstelle“ sind frisch gesäubert. Sie fassen mehrere hundert Festgenommene, wenn nötig. Ein Richter aus Dannenberg wird rund um die Uhr vor Ort sein. Bis zu 17.000 Beamte werden aus fast allen Bundesländern kommen. Baden-Württemberg jedoch stellt diesmal keine Kräfte – dort ist die Polizei mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 ausgelastet.

„Die Beamten im Wendland werden bislang vor allem entlang der Bahnstrecke nach Dannenberg und an besonders neuralgischen Punkten eingesetzt“, bestätigt Pressesprecherin Wiebke Timmermann von der Polizeidirektion Lüneburg. Dort liegt die Leitung für den gesamten Einsatz.

Zu den neuralgischen Punkten gehören etwa der Verladebahnhof in Dannenberg und die Eisenbahnbrücke über das Flüsschen Jeetzel. An der Brücke haben die Castor-Gegner einst mit brennenden Heuballen schwere Schäden verursacht. Hier muss er rüber, der Zug mit der strahlenden Fracht. Deshalb wird die Brücke besonders aufwendig gesichert mit Polizeibooten, Stacheldrahtrollen und Scheinwerfern. Sogar Taucher waren schon im Einsatz. In einem Container werden die Bilder von Überwachungskameras entlang der Bahnstrecke ausgewertet. Auch wenn von Demonstranten noch nichts zu sehen ist, herrscht am Umladebahnhof in Dannenberg eine angespannte Atmosphäre. Die für das Umladen derAtommüll-Behälter auf Schwertransporter zuständige Firma will keine Fotos auf dem Gelände erlauben. Die Fahrzeuge werden gerade überprüft. „Letztlich ist der Castor-Transport nur ein genehmigungspflichtiger Schwertransport, den es polizeilich zu begleiten gilt“, sagt Timmermann. Wie teuer dieser Schwertransport am Ende sein wird, entscheiden ab Samstag auch seine Gegner.