In Wustrow probten Atomkraftgegner den “Ernstfall“. In einem Brief an Ministerpräsident McAllister fordern sie die Aufgabe vom Endlager Gorleben.

Lüchow/Wustrow. In einem Brief an Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) fordern Atomkraftgegner aus dem Wendland die Aufgabe Gorlebens als Endlagerstandort . Zehntausende würden gegen die Atomkraft und Gorleben während des bevorstehenden Castor-Transports auf die Straße gehen, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). „Auf keinen Fall wollen wir die Konfrontation mit der Polizei, dieser Konflikt muss politisch gelöst werden.“ Die Atomkraftgegner forderten McAllister deshalb auf, „in absehbarer Zeit mit uns über politische Lösungen zu sprechen“.

Unterdessen haben sich am Donnerstag Atomkraftgegner mit einem Blockadetraining auf die geplanten Aktionen gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager Gorleben vorbereitet. Im niedersächsischen Wustrow (Kreis Lüchow-Dannenberg) übten sie das Verhalten bei einer polizeilichen Räumung.

Die rund 30 Teilnehmer wurden theoretisch über die Abläufe informiert. Dabei wurde auch darüber gesprochen, wie man möglichst ruhig bleibt und sich nicht einschüchtern lässt. Auch eine praktische Übung stand bei dem Training unter dem Motto „Anleitung zum Sitzenbleiben“ auf dem Programm. Den Atomkraftgegnern war es dabei wichtig, zur Gewaltfreiheit aufzurufen.

Zu dem Training hatte die bundesweite Anti-Atom-Initiative „X-tausendmalquer“ geladen. Die Gruppe will im November eine große Sitzblockade gegen den Castor-Transport ins Atommüll-Zwischenlager organisieren.

Ein anderes Vorhaben von Atomkraftgegnern bereitet den niedersächsischen Behörden erhebliche Sorgen: die geplante massenhafte Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett. „Wir prüfen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“, sagte Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski am Donnerstag in Lüneburg mit Blick auf entsprechende Aufrufe der Kampagne „Castor schottern“. Zu den Unterzeichnern gehören auch Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und der Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen.

Das niedersächsische Innenministerium und die Polizei sehen in dem Aufruf von „Castor schottern“ eine klare Aufforderung zu Straftaten, die Linke verteidigt dies als zivilen Ungehorsam. Der zwölfte Castor-Transport wird am ersten November-Wochenende im Wendland erwartet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechnet mit 50.000 Demonstranten. 16.500 Polizisten werden im Einsatz sein.

Angesichts der aufgeheizten Stimmung wegen der Atompolitik der schwarz-gelben Bundesregierung rechnet die Polizei mit massiven Protesten. Nach Paragraf 316 b des Strafgesetzbuchs können für Störungen der öffentlichen Ordnung wie Aushöhlen von Gleisanlagen Geldstrafen, aber in besonders schweren Fällen auch Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren verhängt werden. „Wir prüfen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“, sagte Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski am Donnerstag in Lüneburg mit Blick auf den Aufruf. Die Polizei werde alles tun, um das zu verhindern, sagte ein Sprecher.

Linke-Chef Klaus Ernst distanzierte sich von den Plänen seiner Parteikollegen. „Ich halte es für legitim, dass sich die Gegner der Atompolitik der Bundesregierung überlegen, mit welchen Mitteln sie sich wehren können“, sagte Ernst den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Freitag). „Ich halte aber nichts davon, es auf Auseinandersetzungen mit der Polizei oder technische Zwischenfälle an Gleisen sogar direkt anzulegen.“

Der Fraktionsvize der Linken im Bundestag, Jan von Aken, verteidigte seine Beteiligung am Aufruf zur Beschädigung des Gleisbetts. „Der Atomdeal der Regierung ist zutiefst undemokratisch, deshalb ist ziviler Ungehorsam mehr als berechtigt“, sagte von Aken am Donnerstag. „Wenn die Regierung zu drastischen Mitteln greift, müssen wir auch zu drastischen Mitteln greifen.“

Auch der Landesvorstand der Linken in NRW sieht darin legitimen, vom Recht auf Demonstrationsfreiheit gedeckten Widerstand. „Wir gehen davon aus, dass das keine strafbare Handlung ist“, sagte der stellvertretende Sprecher des Landesvorstands, Thies Gleiss. Blockiert werden solle ein Gleis, das ausschließlich für den Castor-Transport genutzt werde. „Weder werden Unbeteiligte gefährdet noch in den regulären Bahn-Verkehr eingegriffen“, sagte Gleiss.

Die Aktion sei auch nicht drastischer als frühere Proteste von Castor-Gegnern, die sich an einbetonierten Ketten auf das Gleisbett gelegt hätten. „Der Widerstand ist politisch gerechtfertigt.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte die Linke hingegen scharf: „Das ist eine schlimme Erosion des Rechtsverständnisses von Parteien und Politikern.“ Der Aufruf löse bei der Polizei tiefe Besorgnis aus. „Die Militanz wird bei diesem Castor-Einsatz deutlich zunehmen.“ Wendt machte dafür auch die Entscheidung der Regierung für längere Atomlaufzeiten verantwortlich.