Auf der Insel Rügen stürzte ein Stück Kreideküste in die Tiefe. Verletzt wurde niemand. Touristen suchen Ort des Geschehens auf.

Sassnitz/Stralsund. An der vielbesuchten Kreideküste der Insel Rügen sind am Dienstag rund 200 bis 300 Tonnen Kreide und Mergel in die Tiefe gestürzt. Menschen wurden nach Polizeiangaben vom Mittwoch nicht verletzt. Touristen hatten am Abend etwa einen Kilometer nördlich von Sassnitz ein Donnern an der rund 80 Meter hohen Steilküste gehört, die Polizei alarmiert und vermutet, dass sich Spaziergänger unterhalb der Abbruchstelle befanden. Daraufhin wurde eine Suche nach möglichen Verschütteten eingeleitet. Eine Hundestaffel fand niemanden, auch wurde niemand vermisst.

Der Nationalpark Jasmund mit seiner 13 Kilometer langen Kreideküste wird jährlich von einer bis anderthalb Millionen Gästen besucht.

„Bei dem Abbruch handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Ereignis“, sagte Michael Weigelt vom Nationalparkamt nach einer Inspektion der Abbruchstelle. Mit rund 200 Kubikmetern sei die Abbruchmenge „ein kleines müdes Häufchen“. Zum Vergleich: Beim Absturz der Wissower Klinken 2005 stürzten rund 50.000 Kubikmeter in die Tiefe. Meldungen über den Abbruch lockten am Mittwoch Hunderte Touristen an die Stelle, wo sich nun auf einer Länge von rund 20 Metern Kreide und Mergel rund drei Meter hoch türmen. Bei ihrer Wanderung müssen die Urlauber über Geröllberge klettern, die teilweise bis zum Ufer reichen – Spuren der früheren, deutlich größeren Abbrüche.

Die Gefahr weiterer Abstürze an der selben Stelle wird von den Experten als gering eingeschätzt. „Wir haben eine glatte Abbruchkante“, sagte Weigelt. Garantieren könne aber niemand, dass es nicht zu weiteren Abbrüchen kommt. „Das Risiko von Abbrüchen an der Kreideküste besteht seit Jahrtausenden und wird auch weiter bestehen bleiben.“

Ungewöhnlich sei allerdings der Zeitpunkt des Absturzes mitten im trockenen Hochsommer. Normalerweise sind Abstürze der Kreideküste in der Kombination von Brandung, Frost und Niederschlägen begründet. „Diese Erklärung greift in diesem Falle nicht“, sagte Weigelt. Auf Rügen blieb es in den vergangenen Wochen bis auf kleinere Schauer weitgehend trocken. Ersten Angaben zufolge könnte eine unterirdische Wasserquelle den Abbruch forciert haben. Rettungskräfte hatten bei der Suche festgestellt, dass die Kreide feucht war. Möglich sei auch, dass die Trockenheit zu Rissen geführt hatte.

Eine Sperrung ist aus Sicht des Nationalparkamtes nicht erforderlich. Das allgemeine Risiko dieser küstendynamischen Prozesse sei bekannt. „Wer ins Gebirge geht, kennt die potenzielle Gefahr von Lawinen. Wer unter Steilküsten entlang wandert, muss mit Abbrüchen rechnen.“ Diese seien nicht vorhersagbar.