Seit 2005 arbeitet Astrid Nissen für die Diakonie Katastrophenhilfe in der Inselrepublik. Der Wiederaufbau ist ein Kampf gegen Windmühlen.
Schleswig/Port-au-Prince. Trümmer, wohin das Auge reicht. Wenn Astrid Nissen aus dem Fenster ihres Büros schaut, blickt sie auf eine zerstörte Stadt: Port-au-Prince, Haiti, ein halbes Jahr nach dem Beben . Immer wieder spült der Regen Trümmer auf die Straße, Zeltstädte stehen dazwischen. Von ihrem Büro aus im ersten Stock des Gebäudes der Diakonie Katastrophenhilfe in Port-au-Prince organisiert Nissen die Arbeit ihrer 27 Mitarbeiter, Bauingenieuren, Logistikspezialisten und vielen Hilfsarbeitern. Die Arbeit, ein Kampf gegen Windmühlen: „Man hat einen Plan, wie man etwas machen will und muss in zwei bis dreimal umschmeißen, weil es dann doch nicht so funktioniert, wie man es sich gedacht hat“.
Seit 2005 koordiniert sie auf der Karibikinsel Haiti den Bau von stabilen Häusern, versorgt Hungernde mit Nahrungsmitteln und verteilt Saatgut. „Psychisch geht man hier oft an seine Grenzen.“ Trotz aller Hilflosigkeit, die aus ihrer Sicht auch von der Regierung auszugehen scheint, schöpft Astrid Nissen immer wieder neue Kraft: „Ich arbeite in einer Organisation, die Dinge ändern kann. Ich bin ein Teil der Lösung des Problems und das ist meine Hauptmotivation“, sagt sie.
Nissen spricht Kreol, die Sprache der Einwohner. Wo andere Kontaktängste haben, geht sie auf die Menschen zu. Sie kennt die Gesellschaft, ist ein Teil von ihr. „Man bekommt viel zurück in diesem Land – die Menschen sind unglaublich.“
Nissen stammt aus Schleswig (Schleswig-Holstein), nennt aber inzwischen auch Haiti ihr Zuhause. Die 38-Jährige hat sich vom westlichen Wertesystem gelöst. „In Deutschland würde man die Situation als Misere, als unerträglich bezeichnen.“ Auf Haiti seien arme Menschen durch das Beben noch ärmer geworden – trotzdem kämpften sie täglich weiter. „Die Art vieler Menschen hier mit der Katastrophe umzugehen, gibt mir immer wieder den Anlass zu überprüfen, was eigentlich im Leben wichtig ist.“