Niedersachsen und Schleswig-Holstein wollen mehr Energie aus Windkraft gewinnen, als in den beiden Ländern selbst verbraucht wird.
Hannover/Kiel. Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind auf dem besten Wege, ihren Strombedarf rein rechnerisch komplett aus regenerativen Energien zu decken. Das vom niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) vorgestellte Energiekonzept läuft darauf hinaus, dass bereits 2020 ein Versorgungsgrad von 90 Prozent erreicht wird statt derzeit gut 30 Prozent. Schleswig-Holstein liegt zurzeit bereits bei 50 Prozent und will schon 2015 mehr Strom vor allem aus Windkraft erzeugen, als im eigenen Land verbraucht wird.
Beide Bundesländer setzen wegen ihrer bevorzugten Küstenlage mit viel Wind auf weiteres Wachstum der Branche an Land wie künftig auch auf Offshore, also in der Nordsee. Und auch die Wortwahl fällt ähnlich aus. "Schleswig-Holstein ist die Herzkammer der Energiewende", sagt der Kieler Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU). Und Ministerpräsident McAllister stellte gestern in Hannover fest: "Wir sind das Windenergieland Nummer eins und wollen diese Position weiter ausbauen."
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Folgerichtig wird das bisherige Ministerium für Umwelt und Klimaschutz jetzt zum Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz. Außerdem wird eine eigene Referatsgruppe geschaffen, um die Energiewende mit der schrittweisen Abschaltung aller Atomkraftwerke zu beschleunigen.
Derzeit gibt es in Niedersachsen Windmühlen mit rund 6800 Megawatt installierter Leistung. Vor allem durch Repowering, also den Austausch alter Anlagen gegen neue mit im Regelfall der zwei- bis dreifachen Leistung sollen bis 2020 noch 7500 Megawatt hinzukommen. Weil Standorte knapp werden, will die Landesregierung jetzt höhere Windräder über 100 Meter hinaus genehmigen und Ausnahmen von Abstandsregelungen zu Naturschutzgebieten möglich machen. "Solche Abstände machen Sinn beim Vogelschutz, aber nicht beim Schutz von Magerrasen", erläuterte Umweltminister Stefan Birkner (FDP) die geplante Abwägung von Interessen.
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Bis 2020 rechnet die Landesregierung mit dem Bau von Windmühlen in der Nordsee mit einer installierten Leistung von über 8000 Megawatt. Derzeit treiben die Behörden die Ausweisung einer zweiten Trasse voran, auf der der Strom aus der Nordsee zum Festland transportiert werden kann.
Klar Position bezieht die Landesregierung aber auch in einem anderen Punkt. Weil Windstrom nicht immer verfügbar ist, sieht das neue Energiekonzept vor, neben den beiden im Bau befindlichen konventionellen Kraftwerken in Wilhelmshaven (Steinkohle) und Stade (Erdgas) vier weitere Kraftwerke zu bauen. Dabei setzt die schwarz-gelbe Landesregierung trotz Kritik der Oppositionsparteien ausdrücklich auch weiter auf Kohlekraftwerke und preist unter Hinweis auf leistungsfähige Häfen für den Umschlag von Importkohle das eigene Land: "Niedersachsen bietet der Energiewirtschaft ideale Standortbedingungen, insbesondere für Kohlekraftwerke."
An einem anderen Punkt aber scheuen CDU und FDP in Hannover ein knappes Jahr vor der Landtagswahl eine Auseinandersetzung. Ob nun Strom aus Offshore-Anlagen oder den neuen konventionellen Kraftwerken an der Küste - es fehlt an Höchstspannungsleitungen, um die Energie nach Süden zu transportieren. Netzstudien weisen einen Bedarf von über 500 Kilometer allein bis 2015 aus und noch einmal 1000 Kilometer bis 2020, weit mehr als in jedem anderen Bundesland.
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Ministerpräsident McAllister nennt sein Ziel: "Dem Staat muss das Kunststück gelingen, die Verfahren für die Trassenfestlegung zu beschleunigen und zugleich die Bürger besser zu beteiligen." Dabei hat es das Land nicht nur mit Protesten vor Ort zu tun, sondern liegt, einmalig in der Bundesrepublik, sogar mit dem Netzbetreiber Tennet über Kreuz. Der klagt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen das Land auf Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens für eine Trasse.
Der niederländische Staatskonzern Tennet glaubt, alle vorgeschriebenen Auflagen erfüllt zu haben, während das Land darauf dringt, weitere Teilstrecken mit Erdkabeln zu bauen, wie dies die Bevölkerung fordert. Solche Erdkabel aber kosten vier bis sechs Millionen Euro je Kilometer gegenüber einer Million Euro für konventionelle Leitungen.
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In Schleswig-Holstein gibt es noch keine Raumordnungsverfahren, also auch deutlich weniger Protest. Aber auch hier werden für die rasch steigende Windstromproduktion neue Trassen gebraucht. Derzeit liefern Windräder etwa 3000 Megawatt (MW) und decken damit knapp die Hälfte des Stromverbrauchs in Schleswig-Holstein. In drei Jahren sollen es 12 000 MW sein, davon 9000 aus Landanlagen und 3000 MW aus den ersten Offshore-Parks in der Nordsee. "Schleswig-Holstein wird seinen Strombedarf 2015 selbst decken und zudem Strom exportieren können", sagte Minister de Jager. 2020 sollen bis zu zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus Öko-Quellen in Schleswig-Holstein kommen. "Ohne Schleswig-Holstein kann Deutschland die Energiewende nicht schaffen."
Für den rasanten Zuwachs von Energieanlagen im Land gibt es zwei Gründe: erstens das Repowering, zweitens den Bau weiterer Windparks. Die vom Land festgelegten Eignungsflächen für Windkraftanlagen (bisher 0,75 Prozent der Landesfläche) sollen auf 1,5 Prozent verdoppelt werden. In Schleswig-Holstein wächst derweil der Widerstand gegen immer neue Windparks. In mehr als zehn Orten haben Einwohner die Pläne für neue Parks bereits per Bürgerentscheid gestoppt.