Zwar gebe es rechnerisch derzeit noch keinen Ärztemangel in Niedersachsen, allerdings drohten mancherorts Engpässe.
Hannover. Landarzt gesucht: Die Vorschläge von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) gegen einen drohenden Ärztemangel haben auch in Niedersachsen eine breite Debatte ausgelöst. Zwar gebe es rechnerisch derzeit noch keinen Ärztemangel, allerdings drohten in manchen ländlichen Regionen Engpässe, teilte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) am Mittwoch in Hannover mit. Die Ärzte-Vertretung unterstützt den Vorstoß Röslers für eine Landarzt-Quote und die Abschaffung des Numerus Clausus als Zugangsbeschränkung fürs Medizinstudium.
Das Wissenschaftsministerium äußerte dagegen Zweifel an der Machbarkeit. Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion greifen die Vorschläge Röslers zu kurz. Der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) reagierte skeptisch auf eine Landarzt-Quote. „Es stellt sich die Frage, inwieweit kann man jemanden verpflichten, heute zu wissen, wo und in welcher Funktion er in zehn Jahren mal tätig sein wird“, sagte einSprecher des Ministers am Mittwoch. „Man muss Zweifel anmelden, ob das verfassungsrechtlich konform durchzusetzen ist, es gibt ja das Recht der freien Berufswahl.“ Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will eine bestimmte Quote von Studienplätzen für jene reservieren, die sich bereiterklären, anschließend auf dem Land zu praktizieren.
KVN-Vorsitzender: "Uns bricht der Nachwuchs weg"
Schon jetzt kann in Niedersachsen nicht nur derjenige Medizin studieren, der den Numerus Clausus erfüllt. Er lag zum Wintersemester bei einer Note von 1,2. „Die Abiturnote sagt aber noch nichts darüber aus, ob jemand ein guter Arzt wird“, sagte der Sprecher des Wissenschaftsministeriums.
60 Prozent der Studienplätze werden in Niedersachsen deshalb über Auswahlverfahren vergeben, nur 20 Prozent gehen an die Abitur-Besten, 20 Prozent stehen auf einer Warteliste. Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) ließ mitteilen, sie begrüße es, dass auch der Bund die Hausärzte-Versorgung verbessern wolle. „Uns bricht der Nachwuchs weg“, klagte KVN-Vorsitzender Eberhard Gramsch.
In den kommenden zehn Jahren werden in Niedersachsen mehr als 4200 Ärzte von derzeit rund 11 000 in den Ruhestand gehen. Gelinge es nicht, Nachfolger zu finden, werden im Jahr 2020 rund 1100 Hausärzte fehlen, sagte Gramsch. Besonders betroffen seien dieRegionen Gifhorn, Soltau-Fallingbostel, Wolfenbüttel, Emsland und Harburg. Prämien für Ärzte, die sich auf dem Land ansiedeln, gibt es in Niedersachsen nicht. Allerdings lockt die Kassenärztliche Vereinigung durchaus mit finanziellen Anreizen: Neu niedergelassene Mediziner können eine Umsatzgarantie erhalten. Das heißt, die Höhe des durchschnittlichen Umsatzes ist ihnen sicher, auch wenn sich die Patientennachfrage schwach entwickelt.
Außerdem hat die KV in Niedersachsen ihre Beratung für Medizinstudenten verstärkt, um sie frühzeitig für Arztpraxen zu gewinnen. Auch der Städte- und Gemeindebund in Niedersachsen forderte, der Beruf des Landarztes müsse attraktiver werden, und begrüßte die Debatte.
Kassen-Chef für Röslers Vorstoß
Auch de Krankenkasse KKH-Allianz in Hannover hält Röslers Vorstoß für richtig. Vorstandschef Ingo Kailuweit sagte am Dienstag in einer Mitteilung: „Wir haben nicht generell zu wenig Ärzte, sie sind nur falsch verteilt. Daher sind verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen nötig, um Ärzte gezielter in Gebieten mit drohender Unterversorgung einsetzen zu können.“
Beim Medizinstudium sollten außerdem verstärkt auch soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit vermittelt werden. Gesundheitsminister Rösler will mehr Studienplätze, die Entschärfung des Numerus clausus zum Studium und eine „Landarztquote“ schaffen.
Zuspruch auch in Mecklenburg-Vorpommern
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Manuela Schwesig (SPD) hat den Vorstoß Röslers für eine „Landarzt-Quote“ bei der Zulassung zum Medizinstudium begrüßt. „Eine Quote für Medizinstudienplatz- bewerber einzuführen, die sich verpflichten, nach ihrem Studium in unterversorgten Gebieten tätig zu werden, ist seit längerem eine Forderung des Landes“, erklärte die Ministerin in Schwerin.
Auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz Ende Mai werde sie einen entsprechenden Antrag einbringen. „Unterstützung dafür auch von der Bundespolitik ist uns dabei gerne willkommen.“
Mit Blick auf die von Rösler vorgeschlagene Lockerung der Zugangsbeschränkung zum Medizinstudium (Numerus clausus) verwies Schwesig auf die Möglichkeiten im Hochschulrahmenrecht. Dieses räume den Universitäten schon heute die Möglichkeit ein, auf eigene Auswahlverfahren zu setzen. So würden bereits bis zu 60 Prozent der Studienplätze in Rostock und Greifswald nicht mehr nach dem Numerus clausus vergeben. Bewerber müssten sich dort einem Auswahlgespräch stellen. Neben dem Notendurchschnitt werde auch das soziale Engagement gewürdigt, erklärte die Ministerin und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende.