Die Koalition will den Zugang zum Medizinstudium erleichtern, um dem drohenden Ärztemangel vorzubeugen. FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach stellt im Gespräch mit WELT ONLINE den Numerus clausus infrage. Abschaffen will Flach die Barrieren für Studienplatz-Bewerber jedoch nicht ganz.
„Es wird Zeit, dass wir offen über den Numerus clausus für das Medizinstudium sprechen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, zu WELT ONLINE. „Das Auswahlverfahren für das Studium wirkt wie eine Barriere bei der Versorgung mit Ärzten.“
Flach hat damit einen Vorschlag der Ärzteschaft aufgegriffen, die gefordert hatte, den Zugang zum Medizinstudium zu lockern. Hintergrund der Überlegungen ist der für die nächsten Jahre befürchtete Ärztemangel. Vor allem in ländlichen Gebieten geben viele Ärzte aus Altersgründen ihre Praxis auf, finden aber keine Nachfolger.
Es studieren zwar nach wie vor viele Abiturienten Medizin, es werden aber nur etwa vier von fünf Studenten anschließend Arzt, und wiederum nur ein Teil davon lässt sich mit einer eigenen Praxis auf dem Land nieder. Viele zieht es in die Ballungsräume oder sie wählen ganz andere, besser bezahlte Berufe, etwa in der Pharmabranche.
Aufgrund der großen Nachfrage bekommen Abiturienten in der Regel nur dann ohne Probleme eine Zulassung fürs Medizinstudium, wenn sie im Abschlusszeugnis einen Notendurchschnitt von 1,4 oder besser haben. Alternativ müssen sie mehrere Semester warten.
Einen Großteil der Studienplätze verteilen die Universitäten nach eigenen Kriterien, aber auch dabei spielt die Abiturnote eine wesentliche Rolle. Für das Wintersemester 2009/2010 bewarben sich 37.000 Abiturienten um rund 8500 Studienplätze für Medizin. Damit kamen über vier Bewerber auf einen Studienplatz.
FDP-Gesundheitspolitikerin Flach schlägt nun vor, mit den Bundesländern und möglicherweise auch mit Universitäten über gelockerte Zugangsmöglichkeiten zu verhandeln. Sie wolle den Numerus clausus nicht abschaffen, aber mindestens lockern, sagte sie. Gesundheits- und Kulturminister der Länder sollten sich zusammensetzen.
Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe hatte bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen, dass nicht nur der Notendurchschnitt, sondern auch das soziale Engagement des Bewerbers bei der Zulassung zum Studium berücksichtigt werden sollten. Als Beispiel nannte er ein freiwillig absolviertes Jahr im Krankenhaus.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, hatte jüngst angeregt, den Numerus clausus aufzuheben oder zu senken. Außerdem müsse das Medizinstudium reformiert werden. Es sei zu wissenschaftlich, die Studenten müssten das Leben in einer Arztpraxis früher kennenlernen und eher Kontakt zu Patienten bekommen.
FDP-Politikerin Flach kündigte an, die Koalition werde sich in den kommenden Monaten damit befassen, wie dem drohenden Arztmangel auf dem Land entgegengewirkt werden könne. Man werde zu diesem Zweck unter anderem mit den Kommunen über Möglichkeiten verhandeln, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten.
Laut KBV werden in den nächsten fünf Jahren 22000 niedergelassene Ärzte aufhören zu arbeiten. Köhler hatte angeregt, dass Ärzte, die ihre Praxis normalerweise in der Stadt haben, an bestimmten Tagen aufs Land fahren, um Patienten zu versorgen.