Betreiber von teuren SMS-Chats sollen Kunden abgezockt haben. Sie nutzten dazu offenbar private Fotos von Internet-Plattformen.
Kiel. Fotos realer Personen wurden ohne deren Wissen aus dem Internet heruntergeladen und mit gefälschten Identitäten versehen. Das sagte ein Zeuge vor dem Kieler Landgericht. Im Verfahren um millionenfache Abzocke mit Flirt-SMS müssen sich dort drei Hauptangeklagte wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug verantworten. Die mutmaßlichen Betreiber von SMS-Chats sitzen seit mehr als einem Jahr in Haft. Drei Mitangeklagten wird Beihilfe vorgeworfen. Sie sollen rund 700.000 Handy-Nutzer um etwa 46 Millionen Euro gebracht haben.
Der 41-jährige Zeuge und ehemalige Mitarbeiter beschrieb detailliert die Methoden seiner Chefs. Auch er selbst habe als Strohmann fungiert und sei dafür bezahlt worden. Neue Kunden wurden zum Beispiel auf Singlebörsen mit falschen Profilen angeschrieben. Die Texte dazu waren so gehalten, dass der ahnungslose Adressat „ernsthaftes Interesse annehmen konnte und dass es wie ein reales, nicht wie ein kommerzielles Profil wirkte“, betonte er. Ziel sei, soviele Kunden wie möglich zu ziehen. 30 Kunden pro Tag war Zielvorgabe, jeder darüber wurde mit drei Euro extra vergütet, sagte der Zeuge, dem gekündigt wurde, als er wegen psychischer Probleme weniger Leistung brachte.
Der 41-Jährige war nach eigenen Worten für die Anwerbung von Kunden zuständig und erstellte in seiner Abteilung gefälschte Profile. Dazu habe man Fotos von Internet-Plattformen wie myspace.com heruntergeladen. Einer der Chefs habe ihm gegenüber mal auf eine Frage lapidar gesagt: „Man doch was ihr wollt, ist doch eh alles illegal“. Die in den teuren SMS-Chat gelockten Kunden mussten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) anklicken und damit bestätigen, sagte der Zeuge. Darin wurde zwar darauf hingewiesen, dass die Chatpartner Animateure sein konnten, Männer sich als Frauen und Frauen sich als Männer ausgaben. Doch hätten die im Internet angeworbenen Kunden deshalb noch lange nicht wissen müssen, dass auch sie getäuscht wurden. „Nirgends in den AGBs steht, dass der komplette Chat vollmoderiert ist“, betonte er.
Die zwölf Verteidiger sehen in den AGBs ein wesentliches Argument gegen den Betrugsvorwurf. Sie wollen durchsetzen, dass das Gericht bei jedem geschädigten Kunden aufklärt, welche AGB zu Grunde lag und was der Kunde davon zur Kenntnis genommen hat und was nicht. Nach Schilderung des Zeugen war einer der Mitangeklagten als Hausmeister in den Firmenniederlassungen in Flensburg und Kiel tätig. Er sei zugleich als Geschäftsführer Strohmann von Briefkastenfirmen gewesen. Sei eine der Firmen durch die unerlaubte Kundenanwerbung auf fremden Portalen aufgeflogen, sei sie kurzerhand aus dem Verkehr gezogen und eine andere Firma gegründet worden.
Rund fünf Stunden befragten die drei Richter den 41-Jährigen am 25. Verhandlungstag. Am kommenden Montag soll der Zeuge dann beiden Staatsanwältinnen und den Verteidigern Rede und Antwort stehen. Ein Ende des Verfahrens ist nicht abzusehen.