Gegen den 48-Jährigen aus Wolgast wird wegen Totschlags ermittelt. Die Staatsanwaltschaft schließt einen Sturz des Kindes als Todesursache aus.

Wolgast/Anklam. Ein 20 Monate alter Junge aus Wolgast ist fünf Tage nach einer mutmaßlichen Misshandlung an seinen schweren Verletzungen gestorben. Die Polizei nahm einen 48-jährigen Mann aus Ostvorpommern als Tatverdächtigen fest. Gegen ihn werde wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder auch Totschlags ermittelt, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stralsund, Ralf Lechte, am Donnerstag sagte. Der Tatvorwurf hänge vom gerichtsmedizinischen Gutachten ab . Der Freund der leiblichen Mutter war nach Angaben der Behörde am Freitag allein mit dem kleinen Erik und dessen älterer Schwester.

Der Mann hatte den Notarzt selbst gerufen. Wie Staatsanwalt Lechte weiter sagte, befand sich das Kind beim Eintreffen des Notarztes bereits in akuter Lebensgefahr mit Atem- und Herzstillstand. Es war sofort in das Uni-Klinikum Greifswald gebracht worden. Dort wurden am Mittwoch nach dem Hirntod des Kindes die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet. Ärzte stellten nach Angaben Lechtes ein Hirnödem und schwere Blutergüsse fest.

Der in einer Kleinstadt in Ostvorpommern lebende Mann hat die Tat bisher nicht eingeräumt. Die Blutergüsse habe der Tatverdächtige mit eigenen Reanimierungsversuchen erklärt. „Nach dem Gesamtbild der Verletzungen kann ausgeschlossen werden, dass das Kind gestürzt ist“, sagte Lechte. Die Verletzungen deuteten darauf hin, dass der Junge getreten, geschlagen und geschüttelt wurde. Der Leichnam wurde inzwischen obduziert. Nach dem Gutachten der Gerichtsmediziner werde entschieden, ob sich der Tatvorwurf des Totschlags oder der Körperverletzung mit Todesfolge erhärte. Das Gutachten wird nicht mehr vor Pfingsten erwartet.

Nach Angaben des Kreises Ostvorpommern hat das Jugendamt seit Januar 2010 nach einem Hinweis aus dem Umfeld Kontakt zur Familie. Sozialarbeiter hätten damals festgestellt, dass die junge Frau keiner unterstützenden Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder bedurfte. „Auch die Kinder wiesen keine Auffälligkeiten auf“, sagte Kreissprecher Christoph Krohn. Die Frau wurde jedoch in ein Projekt eingebunden, das junge Mütter auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt unterstützen soll. Später habe das Amt erfahren, dass das Kind nach dem Verdacht eines Kinderarztes auf Kindesmisshandlung ärztlich untersucht worden war. Der Verdacht habe sich jedoch nicht bestätigt.

Die alleinerziehende Mutter lebt inzwischen mit ihrer dreijährigen Tochter in einer offenen Mutter-Kind-Einrichtung, wo sie Unterstützung erhält, sagte Krohn. „Es ist verständlich, dass die Frau bei der gewaltigen seelischen Belastung Hilfe benötigt.“ Die Frau habe sich freiwillig in die Einrichtung begeben.

Im Landkreis Ostvorpommern gingen im vergangenen Jahr 14 Meldungen auf der Kinderschutzhotline ein, weitere 62 Meldungen auf Verdacht der Kindeswohlgefährdung kamen von Ärzten, Hebammen oder Kindereinrichtungen. Zehn Kinder seien daraufhin in Obhut genommen worden. In 75 weiteren Fällen wurden Sozialarbeiter aktiv, die den Familien inzwischen begleitende Unterstützung geben.