Muss das Foto sein? Verstößt die elektronische Gesundheitskarte gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Ein Urteil soll Klarheit schaffen.

Frankfurt am Main. Sie verspricht eine schöne neue Welt für Patienten, Ärzte und Krankenversicherungen: die elektronische Gesundheitskarte mit ihren vielen digitalen Funktionen. Auch wenn längst fast jeder Deutsche die bebilderte Karte mit sich führt, machen Verweigerer weiter gegen sie mobil. Am 18. November wird das Bundessozialgericht in Kassel entscheiden, ob die ab 2015 allein gültige Gesundheitskarte das Foto des Versicherten enthalten muss oder ob damit gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen wird.

Ein Rentner aus Nordhessen hatte sich bei der BKK Siemens quergestellt. Ein Foto von ihm habe auf der elektronischen Gesundheitskarte nichts zu suchen, befand der Senior. Das Foto, das als Identitätsnachweis dient, sei schlicht unnütz. Er könne stattdessen seinen Personalausweis vorlegen.

Außerdem lehnt der streitbare Rentner ab, dass Krankendaten auf der Karte gespeichert und online weitergegeben werden. Ob diese Daten von Arzt zu Arzt sicher übermittelt und gespeichert werden, könne er gar nicht kontrollieren, lautet seine Argumentation. Zudem hat der Mann Angst, dass seine persönlichen Angaben in falsche Hände geraten.

Die BKK Siemens verwies indes auf die gesetzlichen Bestimmungen. Falls er kein Foto zur Verfügung stelle, werde er vorläufig eine elektronische Gesundheitskarte ohne Porträtbild erhalten, damit er einen Versicherungsnachweis habe.

Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt hatte gegen die grundsätzliche Fotopflicht auf der Gesundheitskarte nichts einzuwenden und wies die Klage des Rentners im September 2013 als unbegründet ab. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde nicht verletzt, befanden die Richter. Dieses Recht dürfe bei einem bestehenden Allgemeininteresse – hier die Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems – eingeschränkt werden.

Bedenken gegen das Ausspähen sensibler Patientendaten bestünden ebenfalls nicht. Zwar solle in Zukunft die Möglichkeit bestehen, dass auch medizinische Daten wie Therapien, die Einwilligung zur Organspende oder elektronische Arztbriefe auf der elektronischen Gesundheitskarte abgespeichert werden können. Doch diese Speicherung geschehe nur auf freiwilliger Basis.

Das Foto des Versicherten sei aber auf der Karte gesetzlich vorgeschrieben. Der Arzt könne so die Identität des Patienten prüfen. Dass mehrere Personen eine einzige Gesundheitskarte verwenden, werde so verhindert.

Doch ganz so leicht ist die Identifizierung offenbar nicht. Das musste die Berliner Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union (BKK VBU) erfahren. Ein Versicherter hatte statt seines Fotos eine Aufnahme des Krümelmonsters aus der Sesamstraße eingeschickt. Prompt landete dessen Foto auf der Gesundheitskarte.

Die Fotokontrolle habe Mängel gehabt, räumte BKK-VBU-Sprecherin Ellen Zimmermann ein. So sei anfangs nur maschinell geprüft worden, ob auf dem Foto unter anderem zwei Augen vorhanden seien. Mittlerweile seien die Kontrollmechanismen aber verbessert worden.

„Ob es sich bei den an die Krankenkassen eingesandten Fotos tatsächlich um den Versicherten handelt, wird gar nicht geprüft“, weiß Dr. Silke Lüder, Hausärztin in Hamburg und Sprecherin des Bündnisses „Stoppt die e-Card“. Es sei durchaus möglich, Fotos von bekannten Schauspielern auf die eigene elektronische Gesundheitskarte zu bekommen.

„Die Gesundheitskarte ist der Schlüssel zu einer weltweit einmaligen Datenspeicherung“, sagt Lüder und warnte vor neuen Kontrollmöglichkeiten. Zudem bestehe die große Gefahr, dass diese Datensätze illegal abgegriffen werden. Das Bündnis hat nach eigenen Angaben fast 760.000 Unterschriften gegen die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gesammelt.

Thorsten Jakob, Sprecher der Barmer GEK, weiß dagegen nur von wenigen Verweigerern. „Über 98 Prozent unserer 7,8 Millionen Versicherten sind mit der eGK versorgt“, berichtet Jakob. Die restlichen zwei Prozent gingen weitgehend auf Fälle zurück, wo beispielsweise der Versicherte seine Gesundheitskarte verloren hat-