Nur jeder dritte Strafzettel für Raser wird auch zurecht verteilt. Das fanden Sachverständige heraus, die 1800 Bußgeldakten untersuchten, bei denen die vermeintlichen Raser Einspruch erhoben hatten. Das erschreckende Ergebnis bei über 80 Prozent der Fälle: Ungenaue Tempomessungen, Verwechslungen von Fahrzeugen und stümperhafte Auswertungen durch die Bußgeldstelle.
Wenn ein Bußgeldbescheid wegen Raserei durch den Briefkasten flattert, sollte dieser nicht so einfach hingenommen werden: Die Chance ist hoch, dass dass der Strafzettel zu Unrecht beim vermeintlichen Raser gelandet ist. Die Saarbrücker Sachverständigenorganisation VUT untersuchte 1800 Bußgeldakten, bei denen die Beschuldigten Einspruch eingelegt hatten. Nur in jedem dritten Fall konnte die zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung zweifelsfrei nachgewiesen werden.
War die Geschwindigkeitsmessung korrekt erfolgt? Bekam der richtige Fahrer den Strafzettel? Solche und ähnliche Fragen konnten bei 62 Prozent der untersuchten Fälle nicht einmal nachvollzogen werden, so die Sachverständigen. Bei jedem zwanzigstem Fall sei der Bußgeldbescheid komplett und zweifelsfrei falsch gewesen. Das sind fünf Prozent der Strafzettel wegen Raserei.
Die Sachverständigen von VUT hatten 1800 Akten von 2007 bis heute, bei denen die vermeintlichen Raser Einspruch erhoben hatten, auf Fehler überprüft. "Wenn ich bei einer Antenne etwa den Messwinkel verändere, sind sofort sieben Prozent Abweichung drin", kritiserte Hans-Peter Grün, dass Radarfallen häufig falsch eingestellt seien. Noch schlimmer: Einige Radarmessgeräte zeigten nicht einmal verlässlich das richtige Fahrzeug.
Nicht die Technik macht bei Geschwindigkeitsmessungen Fehler. Auch auf der Bußgeldstelle komme es zu Irrtümern, so die VUT. Dort werden die Fälle teilmaschinell ausgewertet. Ein Beispiel für das Versagen der Kontrolle auf dem Amt: Die Sachverständigen fanden einen Fall, in dem ein 70-Jähriger angeblich mit 111 Stundenkilometern in einer Tempo 30-Zone geblitzt worden war. Die Überprüfung ergab jedoch, dass auf dem Beweisfoto drei Striche zu sehen waren - die Messung war annulliert, der Bußgeldbescheid hinfällig. "Bei solch dicken Fällen müssten die Sachbearbeiter schon einmal ein Auge mehr auf den Vorgang werfen, bevor der Bescheid raus geht", so der Sachverständige Grün gegenüber dem WDR.
"Erschreckend" bezeichnete der Automobilclub von Deutschland (AvD) das Ergebnis der Untersuchung. "Eigentlich liegt die Beweislast beim Staat. Inzwischen muss aber der beschuldigte Autofahrer nachweisen, dass dem Staat Fehler unterlaufen sind", kritisierte AvD- Verkehrsrechtsexpertin Dorothee Lamberty. Das sei bei der nachgewiesenen hohen Fehlerquote indiskutabel.