Hamburg. Affäre oder One-Night-Stand? Eine Expertin erklärt die Unterschiede und verrät, wie die meisten Affären funktionieren.
Untreue gehört zu den komplexesten und oft schmerzhaftesten Themen in Beziehungen. Es wirft Fragen über Vertrauen, Loyalität und Grenzen von Liebe und Verlangen auf. Doch was steckt wirklich hinter Untreue? Paartherapeuten beobachten bei Affären immer die gleichen Abläufe. Eine Berliner Expertin identifizierte fünf Phasen, die aus ihrer Erfahrung jede Affäre durchläuft.
Untreue in der Beziehung: Wann sprechen wir von einer Affäre?
Zunächst einmal sei es wichtig zu wissen, dass es zwischen einer Affäre und einem One-Night-Stand deutliche Unterschiede gibt. Während mit einem One-Night-Stand ein einmaliger spontaner Seitensprung gemeint sei, der wie ein „schneller Kick ohne tiefere emotionale Verstrickungen“ gesehen wird, gehört zu einer Affäre viel mehr dazu, erklärt die Berliner Paartherapeutin und Life-Coachin Gabriele Scharf-Zentek.
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Von einer Affäre spreche man, wenn sich eine Entwicklung zeigt. „Sie zeichnet sich durch Heimlichkeit, erotische Spannung und emotionale Beteiligung aus – Faktoren, die sich erst mit der Zeit und nicht von heute auf morgen entwickeln“, so Scharf-Zentek. Sie sei länger, intensiver und zeichnete sich durch eine starke sexuelle Bindung aus. Häufig spricht man in diesem Zusammenhang auch von Dreiecksbeziehungen, die entstehen, in dem ein Dritter in eine Beziehung eindringt.
Paartherapeutin enthüllt: Jede Affäre durchläuft fünf Phasen
Eine Affäre kann auf eine ganz individuelle Art und Weise entstehen. In manchen Fällen entwickelt sie sich aus einer Freundschaft, einem spontanen Flirt oder auch mit einem Kollegen oder Kollegin, mit dem oder der man regelmäßig Zeit verbringt. Dennoch lassen sich laut Scharf-Zenek in vielen Fällen fünf typische Phasen identifizieren, die eine Affäre häufig durchläuft.
1. Phase: Verheimlichung
Eine Affäre würde man nicht unbedingt sofort als eine Affäre bezeichnen, denn am Anfang kann sie ziemlich harmlos wirken: „Zwei Menschen verstehen sich gut, finden sich anziehend, führen möglicherweise tiefgründige Gespräche, lachen zusammen und genießen eine besondere Leichtigkeit miteinander. Ohne,dass es zu körperlichen Berührungen kommen muss, kommen sie sich emotional näher.“
Solange kein Körperkontakt im Spiel ist, sei doch noch alles in Ordnung. Doch oft beginne eine Affäre bereits in dem Moment, in dem der Betroffene seinem Partner verheimlicht, dass er sich mit jemandem getroffen hat, sei es nur zum Mittagessen. „In dem Moment, in dem der Kontakt zu einer außenstehenden Person verheimlicht wird, wird aus einem ‚harmlosen‘ Kontakt eine Affäre“, so die Expertin.
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2. Phase: Emotionale Annäherung
In der zweiten Phase merken die Betroffenen demnach oft, dass sie eine emotionale Verbindung zu der neuen Person aufbauen. Sie verbringen immer mehr Zeit miteinander, schreiben und telefonieren regelmäßig. Den ganzen Tag lang kreisen die Gedanken um die Affäre und man kann es kaum erwarten, sich endlich wieder zu treffen. „Der oder die andere Person ist der erste Gedanke am Morgen und der letzte am Abend“, erklärt Scharf-Zentek. Gleichzeitig rückt der eigentliche Partner immer weiter in den Hintergrund. „In diesem Stadium handelt es sich nicht mehr nur um einen Flirt, sondern um eine emotionale Affäre“, warnt die Paartherapeutin.
Betroffene werden in dieser Phase von ihren Trieben geleitet und denken nicht mehr rational. Das Gehirn schüttet Unmengen an Glückshormonen aus und man fühlt sich wie frisch verliebt. Es kommen Gefühle und Emotionen hoch, die man möglicherweise lange nicht mehr gespürt hat. Wie Scharf-Zentek erklärt, wird dabei das emotionale „Reptiliengehirn“ aktiviert, während das für den Verstand verantwortliche „Großhirn“ die Aktivität deutlich herunterfährt.
In der zweiten Phase rechtfertigen sich Betroffene mit Floskeln wie: „Wir sind doch nur Freude“ oder „Ich amüsiere mich mit meinen Kollegen“. Doch meistens gebe es zu diesem Zeitpunkt bereits „eine emotionale Affäre“, warnt die Expertin.
3. Phase: Grenzen werden überschritten
In der dritten Phase überschreiten die betroffenen Paare ihre Grenzen und gehen einen entscheidenden Schritt weiter: Sie können ihrer sexuellen Lust nicht mehr widerstehen – und haben Sex miteinander. Wie die Beziehungsexpertin erklärt: „Die erotische Spannung ist in dieser Phase extrem hoch, ein schwacher Moment genügt, um das Großhirn auszuschalten und dem Reptiliengehirn freien Lauf zu lassen.“
Wo die Grenzen in Beziehungen überhaupt verlaufen, definieren Paare unterschiedlich: „Manchmal zieht nur ein Partner die rote Linie, manchmal beide, und auch wo die rote Linie verläuft, ist von Paar zu Paar unterschiedlich.“ Häufig spricht man mit seinem eigentlichen Partner nie wirklich darüber, wo das Fremdgehen für ihn oder ihr beginnt. Doch spätestens wenn eine körperliche Affäre entsteht, merken die meisten, dass sie rote Linien überschritten haben, so die Paartherapeutin.
Um genügend Zeit für die Affäre zu haben, wird der eigentliche Partner immer wieder belogen. Häufig erfinden Betroffene neue Hobbys oder behaupten, plötzlich mehr Zeit mit Freunden verbringen zu müssen. Auch Überstunden und Dienstreisen gehören zu den gängigen Ausreden, um die heimlichen Verabredungen zu verschleiern. „Die Betroffenen haben ein Bedürfnis erfüllt bekommen, das vorher unerfüllt blieb, und wollen diesen Zustand nun erhalten. Gleichzeitig wollen sie aber den festen Partner mit der Wahrheit nicht verletzen und Konflikte vermeiden.“
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4. Phase: Die Affäre kommt ans Licht
In diesem Stadium nimmt die Affäre oft so viel Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch, dass Betroffene sie nicht mehr geheim halten können. Doch es ist nicht immer der Fall: „Es gibt auch sehr rational denkende Fremdgeher, die ihr Verhalten nach außen nicht ändern und so über Wochen, Monate oder sogar Jahre ein Doppelleben führen können – gegenüber dem ahnungslosen Partner und manchmal auch gegenüber der Affäre, die unter Umständen nichts von der anderen bestehenden Beziehung weiß“, erklärt Scharf-Zentek.
Für die festen Partner ist der Vertrauensbruch häufig extrem schmerzhaft: Sie empfinden Wut, Trauer, Verzweiflung und Angst um die eigene Zukunft. Nicht selten erzählen sie, dass sie etwas geahnt hatten: „Viele haben den Seitensprung vielleicht schon geahnt und wollten es nicht wahrhaben, aus Selbstschutz, damit ihre Liebeswelt nicht zusammenbricht“, so die Paartherapeutin. „Aber jetzt haben sie es schwarz auf weiß, dass die Affäre stattgefunden hat, und die Welt bricht tatsächlich zusammen.“
Wenn Menschen von dem Doppelleben ihres Partners erfahren, haben sie oft das Gefühl, in einer Illusion gelebt zu haben: „Bei längeren Affären kann der Betrogene auch an seiner eigenen Wahrnehmung zweifeln, weil er oder sie sich das Zusammenleben mit dem Partner in diesem Zeitraum anders vorgestellt hat, als es tatsächlich der Fall war“, erzählt Scharf-Zentek. Oft stellen sie viele Fragen zum genauen Ablauf der Affäre und möchten alle Details wissen. Mit diesen neuen Informationen versuchen sie, ihre eigene Realität, die sie in dieser Zeit erlebt haben, neu zu rekonstruieren.
Die vierte Phase macht auch den Betroffenen zu schaffen. Sie werden oft von Schuldgefühlen geplagt und müssen die Reaktionen des betrogenen Partners ertragen – nicht selten kommt es dabei zum aggressiven Verhalten. Der Partner ist schließlich tiefverletzt und enttäuscht. Wie die Paartherapeutin erklärt: „Da ist das Reptiliengehirn im Kampfmodus, um das eigene Selbstwertgefühl wieder aufzubauen.“
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5. Phase: Wie geht die Beziehung jetzt weiter?
Die fünfte und die letzte Phase einer Affäre ist immer die Entscheidung, wie es mit allen Betroffenen weitergeht. Übersteht das Paar den tiefen Vertrauensbruch? Entscheidet sich der oder die Betrogene für eine endgültige Trennung? Laut Scharf-Zentek muss die Affäre noch nicht das Aus der Beziehung bedeuten. „Manche Paare stellen sich nach einem solchen Ereignis vielleicht zum ersten Mal die Frage: Was ist uns im Leben wichtig und was hat mein Partner jahrelang vermisst, was die Affäre vielleicht zu ersetzen versucht hat“, erzählt die Expertin. In manchen Fällen kann die Untreue sogar ein Aufbruch sein und einen Neuanfang bedeuten.
Die untreue Person muss sich häufig entscheiden: Entweder beendet sie ihre Affäre sofort, wenn dies der Wunsch des festen Partners ist, oder sie trennt sich von ihrem festen Partner auf Wunsch der Affäre. Scharf-Zentek berichtet aus ihrer Erfahrung, dass sich Paare häufig für einen Neuanfang entscheiden und der Beziehung eine neue Chance geben. Gleichzeitig seien der Paartherapeutin auch Fälle bekannt, in denen Betroffene erleichtert seien, dass die Affäre ans Licht gekommen sind und sie nun die neue Beziehung offiziell weiterführen können. Dann gibt es auch Fälle, in denen sich Betroffene von beiden Partnern trennen, so die Expertin.
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Scharf-Zentek beobachtet in ihrer Praxis häufig, dass der Fremdgeher meistens keinen der beiden Personen loslassen möchte. „Da braucht es Zeit und ein Abwägen des Doppeltgebundenen: Was ist mir wichtiger? Was bedeutet mir der jeweilige Partner?“, so die Expertin. Unabhängig davon, welche Entscheidung Betroffene treffen, verletzt eine Affäre beide Partner zutiefst. „Niemand gewinnt, auch der Betrüger nicht“, so die Paartherapeutin.