München/Hamburg. Verteidiger-Trio muss Beate Zschäpe im NSU-Prozess weiter vertreten. Vorgang könnte sich auch auf den Fall Tasköprü auswirken.
Wenn ein Mensch nichts sagt, dann sind es seine Gesten, die zählen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe schweigt bisher im Prozess gegen den selbst ernannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Doch ihre Gesten sind deutlich.
Als vor einigen Tagen ihr neuer Verteidiger, Mathias Grasel, zum ersten Mal den Gerichtssaal in München betrat, setzte sich Zschäpe demonstrativ auf den Platz von Anja Sturm, einer ihrer alten Verteidiger, um neben Grasel zu sitzen. Zschäpe sagt nichts. Und doch zeigt sie: Mit den alten Anwälten Sturm, Heer und Stahl will sie nichts mehr zu tun haben. Am Montag nun stellten die drei Pflichtverteidiger beim Richter einen Antrag auf Entlassung: Sie wollen hinwerfen, das Zerwürfnis zwischen ihnen und der Angeklagten sei zu groß, das Vertrauen kaputt.
Kommentar: Zurück zur Sache im NSU-Prozess
Der Streit zwischen den Verteidigern und Zschäpe eskaliert seit Monaten. Seit mehr als einem Jahr versucht Zschäpe, Heer, Stahl und Sturm loszuwerden. Zuletzt hatte die mutmaßliche Rechtsterroristin per Antrag gefordert, die Anwältin Sturm zu entlassen. Der Richter lehnte ab. Nicht nur Zschäpes Antrag, sondern gestern auch das Gesuch der Anwälte. Richter Manfred Götzl sagte, es fehle die Begründung für das angeblich zerrüttete Verhältnis zu ihrer Mandantin. Der Antrag sei zu pauschal. Außerdem verwies der Richter auf erst kürzlich von den Verteidigern geäußerte Angaben, wonach die Kommunikation mit Zschäpe in Ordnung sei. Heer, Stahl und Sturm begründeten ihre spärliche Auskunft über Gründe für ihren Antrag damit, dass sie zu Verschwiegenheit verpflichtet seien.
Zschäpe beklagt sich über Sitzordnung
Doch wer mit Anwälten der Opferfamilien spricht, bekommt alles andere als das Bild einer guten Kommunikation zwischen Zschäpe und ihren Anwälten. Im Gegenteil. Am Montag wurde ein Brief Zschäpes verlesen, in dem sie sich über die Sitzordnung im Saal beklagt. Statt ihres alten Anwalts Heer hätte sie gern ihren neuen Anwalt Grasel auf „Platz Nummer 1“ ganz links auf der Anklagebank. Heer wolle aber nicht weichen, was der empört zurückweist.
Vor der Sitzung hatten die Anwälte von Zschäpe nun offenbar Nachrichten von ihrer Mandantin erhalten, die, so war zu hören, „das Fass zum Überlaufen“ brachten. Worum es sich handelt, bleibt unklar. Eine „optimale Verteidigung“ Zschäpes sei nicht mehr möglich, sagte Verteidiger Heer zu Beginn der gestrigen Sitzung nur. Kollege Stahl sagte, vor einer solchen Situation habe er den Vorsitzenden Richter Götzl „mehrfach gewarnt“. Götzl habe seine Warnungen aber „in den Wind geschlagen“. Auch hier bleibt unklar, was die Anwälte von Zschäpe genau meinen.
Die Chronologie im NSU-Fall Beate Zschäpe
Klar ist: Zuletzt gab es am Rande der Verhandlung immer wieder Gespräche zwischen Zschäpes Anwälten und dem Richter. Nach Angaben des Richters soll Verteidiger Heer in den Gesprächen auch gesagt haben: Wenn Zschäpe aussagt, könne er sie nicht weiter verteidigen. Die Strategie werde er nicht vertreten. Anwälte der Opferfamilien bewerten dies als schweren Bruch mit dem Vertrauen der Mandantin. Zschäpe werde mit solch einer Drohung in die Ecke des Schweigens gedrängt. Doch auch Beobachter des Münchner Prozesses sind sich nicht einig, ob Zschäpe tatsächlich aussagen will. Klar ist nur: Sie sagt nichts, obwohl sie es jederzeit tun könnte. Und ihre Verteidiger wollen Zschäpe nie daran gehindert haben, doch vor Gerichts über die Anklage zu sprechen.
Tasköprü-Anwältin äußert sich
Mit der Ablehnung des Antrags sind Zschäpes Anwälte weiter zur Verteidigung gezwungen. Der Prozess, in dem der mutmaßlichen Rechtsterroristin und ihren mutmaßlichen Unterstützern zehn Morde an Migranten und einer Polizistin zur Last gelegt werden, läuft weiter. Vorerst jedenfalls. Richter Götzl hatte versucht, die Vertrauenskrise zu entschärfen, und Zschäpe vor zwei Wochen den vierten Verteidiger Grasel gewährt.
„Ich gehe davon aus, dass der Prozess nicht neu aufgerollt wird“, sagte die Nebenklage-Anwältin Gül Pinar, die im Prozess die Angehörigen der Familie von Süleyman Tasköprü vertritt. Der NSU um Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt soll den türkischen Lebensmittelhändler 2001 in seinem Geschäft in Bahrenfeld ermordet haben. Dennoch sei der Prozess in einer heiklen Phase, sagte auch Hamburger Anwältin Doris Dierbach, die ebenfalls eine Familie vor Gericht vertritt. Würden die Pflichtanwälte doch durch den Richter ihrer Aufgabe entbunden, müsste der Prozess eine längere Zeit ausgesetzt werden. Neue Anwälte müssten sich erst in die Tausende Seiten Unterlagen einarbeiten.
Zschäpe besitzt dominanten Charakter
Auch Zschäpe hatte mit ihren Anträgen gegen die eigene Verteidigung den Prozess torpediert – gerade dann, wenn für sie heikle Zeugen aussagen. Nebenklage-Anwälte Dierbach und Pinar heben beide hervor, dass die Machtspiele im Gerichtssaal vor allem auch eines zeigen: Die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe ist kein „naives und ängstliches Mädchen“. Sie lasse sich nicht einschüchtern. „Zschäpe will Oberwasser“, sagt Dierbach. Morde lassen sich mit ihrem Auftreten nicht belegen. Und doch heben Prozessbeobachter hervor: Zschäpe könne mit ihrem dominanten Charakter auch das Trio des NSU mitgeprägt haben.