München. Mathias Grasel erwirkt Unterbrechung der Verhandlungen. Beate Zschäpe wirkt vor dem Münchner Landgericht wie ausgewechselt.
Beate Zschäpe redet und redet und redet, sie hört gar nicht mehr auf. Sie lächelt immer wieder, sie gestikuliert wie wild mit den Händen, sie zieht die Augenbrauen hoch, schmunzelt. Und wenn sie einmal kurz nichts sagt, dann schaut sie ihrem neuen Anwalt Mathias Grasel - so wirkt es zumindest von der Zuschauertribüne - tief in die Augen. Kurzum: Derart gut gelaunt hat man die mutmaßliche Neonazi-Terroristin im Münchner Oberlandesgericht noch nie erlebt.
Dieser 216. Verhandlungstag bedeutet einen Einschnitt im Münchner NSU-Prozess. Denn erstmals nehmen neben Zschäpe nicht nur ihre drei bisherigen Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm Platz, sondern auch Grasel als vierter Pflichtverteidiger.
Es wird deshalb eng auf der Anklagebank, noch bevor die Angeklagte selber erscheint. Ein Justizbeamter trägt einen weiteren Stuhl herbei. Die vier Anwälte räumen Taschen und Roben hin und her. Am Ende sitzen Heer, Sturm und Stahl auf den drei Plätzen ganz links auf der Bank. Der Stuhl rechts von ihnen bleibt zunächst leer. Daneben nimmt Grasel Platz.
Zschäpe ignoriert ihre alten Anwälte
Als Zschäpe hereinkommt, drückt sie sich hinter ihren alten Anwälten vorbei auf den leeren Platz neben Grasel. Allein ihn begrüßt sie, und das nicht nur gemessen höflich, sondern freundlich lächelnd. Allein mit ihm spricht sie dann auch. Heer, Stahl und Sturm ignoriert sie, wie so oft in der letzten Zeit. Das, so sagen Prozessbeteiligte, sei natürlich auch dem Gericht aufgefallen, das ohnehin gerade erst Zschäpes Antrag auf Abberufung Sturms und vor einem Jahr die Entpflichtung aller drei Anwälte abgelehnt hatte.
Wohl deshalb hat der Senat auch auf eigene Initiative den vierten Zschäpe-Verteidiger installiert. Zschäpe selber hatte ihn gar nicht beantragt. Widerspruch gegen Grasels Berufung gab es auch hinter den Kulissen nicht, wie aus Kreisen von Prozessbeteiligten zu hören ist. Bundesanwalt Herbert Diemer lobt das Gericht sogar und spricht von einer richtigen Entscheidung zur „Sicherung des Verfahrens“.
Warum aber ausgerechnet Mathias Grasel, der mit 30 Jahren noch sehr jung ist und bisher kein einziges großes Strafverfahren durchgefochten hat? Grasel selber will nicht verraten, wie er den Kontakt zu Zschäpe fand. Allerdings ist zu hören, dass er und einer seiner Büropartner in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim immer wieder Kontakt zu Strafgefangenen gesucht hätten und dabei auf Zschäpe gestoßen seien. Grasel gibt immerhin preis, dass er schon seit einigen Wochen auch Kontakt zum Gericht hält und mit Mitgliedern des Senats telefoniert habe.
Grasel wirkt zwar noch etwas nervös, erwirkt aber ersten Erfolg
An seinem ersten Tag wirkt der Neue zwar noch ein bisschen nervös, bang ist ihm nach seinen eigenen Worten aber nicht: „Ich denke, mit Unterstützung des Senats und der bisherigen Kollegen lässt sich das bewerkstelligen.“ Und einen ersten Erfolg kann er einheimsen: Das Gericht unterbricht den Prozess. Zwar nicht, wie von ihm beantragt, für gleich drei Wochen, sondern nur für eine und stückweise noch zwei weitere Verhandlungstage. An denen, so sagt es Götzl in seiner Begründung, könnten sich die nunmehr vier Verteidiger untereinander und mit Beate Zschäpe besprechen.
Das müssen sie wohl auch. Noch will Grasel nichts dazu sagen, wie es mit der neuen Besetzung im NSU-Prozess weitergehen wird, „weil da noch die Rücksprache mit den anderen drei nicht so weit fortgeschritten ist, um das beurteilen zu können“.
Klar scheint aber eines zu sein: Zschäpe wird wohl auch mit ihrem neuen Anwalt jedenfalls fürs erste nichts über die Morde und die anderen Straftaten aussagen, die ihr vorgeworfen werden. Grasel: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles andere außer Schweigen keine Option.“ (dpa)