Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert vom Senat konkrete Angaben über die Kosten für das Sportereignis. Mit neuem Konzept könnten die Spiele „großartig“ werden, ist der Politiker überzeugt.

Hamburg. Anton Hofreiter trägt bayerische Gemütlichkeit in seiner Stimme. Als er nach der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl 2013 an die Spitze der Fraktion trat, war er nur der „neue Grüne“.

Der mit den langen Haaren. Mittlerweile setzen die Grünen wieder politische Akzente: Nach der Energiewende drängt die Partei auf eine Agrarwende in Deutschland, auf nachhaltiges Wirtschaften auf dem Land zum Schutz der Tiere und der Verbraucher. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA sei dagegen nicht sehr nachhaltig, sagt Hofreiter im Gespräch mit dem Abendblatt. Im Gegenteil: Er sieht eine Gefahr für deutsche Betriebe.

Hamburger Abendblatt: Befürworter des TTIP-Abkommens zwischen Europa und den USA sagen, das Bündnis wäre eine Chance, weltweite Standards für Umwelt und Verbraucher zu etablieren. Das müsste den Grünen doch gefallen.

Anton Hofreiter: Ich kann bisher nicht erkennen, wo Standards im geplanten Abkommen diskutiert würden, die unsere Umwelt besser schützen als die europäischen und deutschen Gesetze. Dabei bin ich überhaupt kein Gegner von gemeinsamen Standards mit den USA oder Kanada. Technische Vereinheitlichungen beispielsweise in der Autoindustrie sind sinnvoll. Warum muss es in den USA rote Blinker geben und in Europa orangefarbene? Einheit spart Kosten für den Handel. Auch der Abbau von Zöllen ist richtig. Ich will keinen europäischen Protektionismus. Aber Umwelt-, Verbraucher- und Rechtsstaatsprinzipien, die will ich für mehr Handel nicht zur Disposition stellen.

Die Amerikaner fürchten, sie müssen Regeln bei der Zulassung von Pharmazeutika auf europäisches Niveau absenken. Davon würde Europa doch profitieren.

Hofreiter: Und bei den Gesetzen zu Chemikalien könnten die Regularien in Europa nach unten geschraubt werden. Vor allem eines macht mit Sorgen: In Europa herrscht das Vorsorgeprinzip: Bevor ein Produkt zugelassen wird, prüfen unabhängige Gutachter, ob das Produkt effektiv, sicher und sinnvoll ist. In den USA gilt das Klageprinzip: Wenn es Probleme mit einem Produkt auf dem Markt gibt, haftet der Unternehmer. Das birgt ein enormes Risiko gerade für kleine und mittlere Betriebe, die Klagen in Millionenhöhe ruinieren können. Die Abkehr von der Vorsorge hielte ich für fatal: für den Verbraucher als auch für den Unternehmer.

TTIP ist ein wirtschaftsfeindliches Abkommen?

Hofreiter: Es ist zumindest mittelstandsfeindlich. Von den Sondergerichten profitieren nur die großen Konzerne, weil eine Klage im Schnitt vier Millionen Euro kostet. Und TTIP ist demokratiefeindlich. Wenn gesetzliche Standards für Umwelt und Verbraucher nur noch in Abkommen zwischen Kommissionen, Regierungen und Unternehmen festgelegt werden, werden Parlamente entmachtet.

Wie gut sind Sie als Abgeordneter über die Verhandlungen zwischen US-Regierung und EU-Kommission informiert?

Hofreiter: Viele Gespräche laufen im Verborgenen ab. Die Intransparenz ist ein Problem des TTIP-Abkommens.

Seine eigenen Ziele und Positionen nicht gleich offenzulegen, ist ein Vorteil bei Verhandlungen.

Hofreiter: Geheimhaltung dient auch dazu, kritische Stimmen rauszuhalten. Es drohen zum Beispiel neue Einfallstore für die Gentechnik. Dagegen würden viele Bürger und Regierungen Sturm laufen. Deshalb sollen sie davon lieber erst einmal nichts mitbekommen.

Also lieber gar kein Abkommen mit den USA und die internationalen Standards für Umwelt den Chinesen überlassen?

Hofreiter: Ich sehe nicht, dass dieses Abkommen gute Standards für die Umwelt setzen würde, sondern schlechte. Ich fand einen Vorschlag aus Italien interessant: EU und USA einigen sich auf ein Abkommen, das sich nur auf Zölle und technische Standards beschränkt. Alles andere sollen Parlamente regeln.

Die Bauern protestieren gegen die Pläne der Grünen für eine Agrarwende. Ihre Partei will die Anzahl der Tiere in der Schweinemast deutlich begrenzen. Bauern sagen: Die Grünen gefährden die Agrarindustrie.

Hofreiter: Wir wollen anständige Standards bei der Tierhaltung, bei den Futtermitteln, beim Stickstoff-Ausstoß der Betriebe durch die Viehhaltung, denn das belastet unser Grundwasser. All das ist derzeit in Deutschland nur unzureichend reguliert. Und das führt teilweise zu Zuständen, die man nicht hinnehmen kann.

Misstrauen Sie den deutschen Bauern?

Hofreiter: Nein. Es gibt überall schwarze Schafe. Aber das sind nur wenige. Mir geht es um die politischen Rahmenbedingungen. Und die führen derzeit zu Tierquälerei und massiven Umweltschäden. Die Bauern sind Opfer einer falschen Politik und leiden unter dem Druck der großen Agrarkonzerne.

Sie haben in Hamburg zum veganen Mittagessen eingeladen. Gibt es bald den Vegan-Day in deutschen Firmenkantinen?

Hofreiter: Ich freue mich, wenn Menschen darüber nachdenken, was ihr Konsum an Folgewirkungen hat. Im Bereich Verbraucherschutz und Landwirtschaft kommt es uns Grünen aber darauf an, die Regeln zu verändern. Was der einzelne Mensch im Rahmen dieser Gesetze macht, entscheidet jeder selbst. Ich komme aus Bayern, ich hatte nie einen grünen Erziehungsanspruch an den Menschen.

Kein Fleisch, keine Atomkraft und in Hamburg keine Elbvertiefung und nicht wirklich Olympische Spiele. Sind die Grünen eine Dagegen-Partei?

Hofreiter: Das können wir auch alles genau andersherum formulieren: Die Grünen sind für erneuerbare Energien, für eine nachhaltige Landwirtschaft, für eine integrierte Mobilitätspolitik.

Für die Elbvertiefung?

Hofreiter: In Wilhelmshaven liegt ein technisch hochmoderner, wunderschöner Tiefwasser-Hafen, der nur leider kaum genutzt wird. Warum können die Häfen in Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg nicht noch besser zusammenarbeiten? Alle Bundesländer verschenken eine riesige Chance für wirtschaftliches Wachstum, ganz ohne naturgefährdende Elbvertiefung. Die Frage wird aber ohnehin nicht mehr von der Politik entschieden, sondern vor Gericht.

Doch für Olympia?

Hofreiter: Die olympische Idee ist großartig. Das Problem an Olympia sind jedoch die Intransparenz bei der Planung und das Kostenrisiko. Der Hamburger SPD-Senat weigert sich, konkrete Kosten und Planungen auf den Tisch zu legen. Das ist unseriös. Ohne zu wissen, was der Spaß kostet, kann man nicht für Olympia trommeln. Das Projekt hat die zigfache Dimension der Elbphilharmonie. Hinzu kommt: Die Lizenzvorschriften und Knebelverträge der Veranstalter gehen so weit, dass Sie hier in Hamburg nicht einmal ihr eigenes Bier als Zuschauer trinken dürfen. Verkaufen dürfen nur Vertragspartner des IOC. Am Ende muss die Bevölkerung in einem Referendum zustimmen. Die Menschen in Bayern haben sich am Ende gegen die Spiele entschieden.

IOC-Präsident Thomas Bach will das IOC reformieren.

Hofreiter: Die Hamburger Grünen lehnen genau aus diesem Grund die Spiele nicht grundsätzlich ab. Sondern Olympia in Hamburg wird an ganz konkrete Reformbedingungen dieser Großveranstaltung geknüpft. Olympische Spiele brauchen ein neues Konzept: Bürgernähe, Nachhaltigkeit, Transparenz und massive Kostensenkung.