Die Grünen wollen nach vier Jahren Opposition wieder in die Regierung. Im Interview erzählen Katharina Fegebank und Jens Kerstan, wie das gelingen soll - und wie es um das Verhältnis zur SPD steht.
Hamburg. Eine Woche vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 15. Februar liegen die Grünen mit dem Spitzenkandidaten-Duo Katharina Fegebank und Jens Kerstan laut Umfragen auf Platz drei.
Für SPD-Bürgermeister Olaf Scholz sind sie ein möglicher Koalitionspartner. Im Interview sprechen Fegebank und Kerstan über ihre Wahlkampftaktik und ihr Verhältnis zur SPD.
Frau Fegebank, Herr Kerstan, Sie bezeichnen den SPD-Senat als eine der konservativsten Regierungen, die Hamburg je hatte. Schieben Sie Rot-Grün damit einen Riegel vor?
Kerstan: Wir machen keinen Wahlkampf für eine Koalition. Wir wollen mit unsere grünen Kernthemen überzeugen: Umwelt, Bildung, eine moderne Verkehrspolitik und die Stärkung einer Bürgergesellschaft. Das wollen wir gerne in einer Regierungsbeteiligung umsetzen, aber wenn das nicht geht, dann kämpfen wir auch in der Opposition dafür.
Fegebank: Wir kritisieren den Senat für seinen Politikstil: Wir wollen eine Politik auf Augenhöhe, also Beteiligung statt Basta.
Passen denn SPD und Grüne in einer Koalition zusammen?
Fegebank: Wir stellen nach vier Jahren fest, dass der SPD-Senat fast nur das Hier und Jetzt verwaltet. Die Stadt bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Umweltschutz, Energiewende, Verkehrswende – die SPD-Politik ist hier ideenlos und ohne Vision.
Kerstan: Hamburg hat die Tendenz, ein bisschen selbstzufrieden zu sein. Dadurch werden wichtige Trends verpasst. Das zeigt sich bei der SPD sehr deutlich. SPD und Zukunft, SPD und Innovation – das sind eigentlich Gegensätze.
Bürgermeister Scholz hat angekündigt, mit den Grünen über eine Koalition zu sprechen, sollte die SPD die absolute Mehrheit verpassen.
Fegebank: Der Bürgermeister hat nicht gesagt, dass er sich eine gemeinsame Regierung vorstellen kann, sondern betont ständig, dass er als erstes mit uns reden will. Und er weiß sehr gut, dass wir viel bewegen wollen und uns ihm nicht an den Hals werfen.
Kerstan: Bei Olaf Scholz ist nicht ganz ersichtlich, ob das ein Bekenntnis zu einer rot-grünen Koalition ist oder eine Drohung, um seine absolute Mehrheit zu sichern.
Halten Sie Herrn Scholz für so kalkuliert, dass er für mehr Macht im Zweifel den kleineren Koalitionspartner wählt?
Kerstan: Seitdem die FDP im Parlament ist, hat sie signalisiert, dass sie der billige Jakob sein wird: Wenn sie mitspielen darf, braucht sich die SPD keine inhaltlichen Sorgen zu machen. So billig sind wir Grünen nicht zu haben. Und so pflegeleicht wollen wir auch nicht sein. Ich halte es für durchaus möglich, dass der Bürgermeister zuerst mit uns redet und dann mit der Mövenpick-Partei regieren will, die mit wenig Inhalt und viel PR-Tamtam durch die Stadt läuft. Acht von zehn Hamburgern lehnen eine solche Koalition ab.
Ist Schwarz-Grün nach dem Scheitern 2010 noch eine Option?
Fegebank: Wir können rechnen. Und wir sind keiner anderen Partei verpflichtet.
Aktuell wird emotional über Pegida und Zuwanderung debattiert, der rechte Flügel profitiert davon. Werden die Grünen dadurch Stimmen verlieren?
Fegebank: Bestimmt nicht an die AfD, denn in diesem Bereich haben wir keine Schnittmengen: Unsere Wähler sind Menschen, die sich für Flüchtlinge stark machen und denen die Rechte derer, die vor Krieg und Vertreibung flüchten, wichtig sind.
Kerstan: Die Hetze gegen Flüchtlinge und den Islam sollte kein Wahlkampfthema werden. Hamburg hat ein sehr starkes Interesse daran, ein deutschlandweites modernes Einwanderungsgesetz durchzusetzen. Es wäre sinnvoll, diejenigen, die hier arbeiten wollen, mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild willkommen zu heißen. Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, wollen wir weiterhin mit einer humanen Flüchtlingspolitik Perspektiven zu eröffnen
Fegebank: Das eine ist das Thema Einwanderung. Einwanderungsstadt zu sein ist ein harter Standortfaktor, Hamburg profitiert davon gewaltig. Das Asylrecht hat damit überhaupt nichts zu tun. Dieses Signal wollen wir aus Hamburg senden, am besten mit einer Bundesratsinitiative. Eckpunkte könnten gemeinsam mit Gewerkschaften, Kirchen, islamischen und jüdischen Verbänden erarbeitet werden. Ich glaube, eine Lösung mit den zwei Säulen Asylrecht plus geregelte Einwanderung würde viele Probleme lösen und Sorgen abmildern. In der Flüchtlingspolitik brauchen wir kreative Lösungen.
Anders als SPD und CDU haben Sie sich zu einer möglichen Olympia-Bewerbung Hamburgs noch nicht klar positioniert.
Fegebank: Doch, wir sind da sehr deutlich. Wir sagen: Olympia ist eine Chance. Aber jetzt müssen erst die Kosten auf den Tisch und dann müssen die Bürger per Referendum abstimmen. Gerade als glühender Olympia-Fan finde ich es unverantwortlich, mit Fackeln durch die Stadt zu laufen und zu sagen, wir machen das. Vorher muss man fragen, wie die Bevölkerung dazu steht und vor allem, was der Spaß kostet.
Kerstan: Wir sagen Ja zu Olympia, aber wir wollen nicht die Katze im Sack kaufen, wie es bei der Elbphilharmonie passiert ist. Olympia hat da die 'zigfache Dimension. Damals haben wir uns auch von schönen Bildern blenden lassen und zu spät von den Kosten geredet.
Zur Person:
Katharina Fegebank (37) studierte Politik und Jura in Berlin und Freiburg. Später lebte sie in den USA und arbeitete an der Leuphana Universität in Lüneburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin. 2008 wurde sie die jüngste Parteichefin in der Geschichte der Hamburger Grünen. Seit 2011 ist sie Bürgerschaftsabgeordnete und Fraktionssprecherin für Europa, Internationales und Soziales.
Der studierte Volkswirt Jens Kerstan (48) trat 1998 den Grünen bei, nachdem er sich zuvor schon für den Naturschutzverband GÖP für die Elbinsel Neßsand eingesetzt hatte. 2002 zog Kerstan in die Bürgerschaft ein und wurde 2008, als die erste schwarz-grüne Koalition gebildet wurde, Fraktionsvorsitzender. Im September 2014 wurde er gemeinsam mit Fegebank zum Spitzenkandidaten gewählt.