Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Online-Anzeige gegen den „Zeit“-Chef. Zuletzt schrieb Giovanni di Lorenzo, ihm fehle die Leidenschaft für die Europawahl. Dann stimmte er gleich zweimal ab.

Hamburg. Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ist online eine Anzeige gegen „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo eingegangen, der in der Talkshow von Günther Jauch am Sonntag in der ARD gesagt hatte, bei der Europawahl zweimal abgestimmt zu haben. Nun ermittelt die Behörde gegen den Journalisten wegen Wahlbetrugs. „Wir prüfen den Sachverhalt“, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft dem Abendblatt.

Das hätte Giovanni di Lorenzo ahnen können. Der Chefredakteur der „Zeit“ wählte bei der Europawahl gleich zweimal und brüstete sich bei Günther Jauch in der ARD damit. Dabei steht sonnenklar in Paragraf 6, Absatz 4 im Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Partlaments aus der Bundesrepublik Deutschland: „Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind.“

Von Strafen für Wahlbetrüger steht dort nichts. Aber allzu viele Bürger dürften es auch nicht sein, die zweimal zur Europawahl gehen.

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„Mir tut das aufrichtig leid“, sagte di Lorenzo der „Bild“-Zeitung (Dienstagausgabe). „Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt.“

Nach Ansicht des Düsseldorfer Strafverteidigers Udo Vetter hat sich di Lorenzo wohl strafbar gemacht. Wer sich nicht an das Wahlgesetz halte, verstoße gegen Paragraf 107a des Strafgesetzbuches und begehe damit eine Wahlfälschung. „Darauf steht Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.“

Bundeswahlleiter Roderich Egeler hat Änderungen angemahnt, damit Wähler bei der Europawahl nicht wie di Lorenzo zweimal wählen. Das sagte Egeler am Montag in Berlin. Dieser Fall müsse sicherlich noch einmal nachgearbeitet werden, so Egeler weiter. Was das genau bedeute, sagte er nicht.

Wenn die Staaten Bürgern mit zwei Pässen auch zwei Wahlbeteiligungen zuschickten, könne es dazu kommen, dass diese beide nutzen. Ein Fehler sei nicht passiert. Man gehe aber davon aus, „dass der Unionsbürger seine Rechte in einer Weise in Anspruch nimmt, wie es das Gesetz vorsieht“ – also nur einmal wählt.

Der Wahl-Hamburger di Lorenzo bestätigte seine Doppelwahl: „Einmal gestern im italienischen Konsulat und einmal heute in einer Hamburger Grundschule“, so der „Zeit“-Chef bei Jauch. Er habe einen deutschen und einen italienischen Pass.

Bei Wolfgang Schäuble (CDU), der früher als Innenminister auch für die Verfassung zuständig war, stieß di Lorenzo auf wenig Verständnis. „Ich gönne es Ihnen ja, ich freue mich ja, dass Sie so eifrig sind“, sagte der heutige Bundesfinanzminister. Aber es könne nicht sein, dass manche Bürger zweimal wählen. „Ins Gefängnis müssen Sie deshalb aber nicht“, so Schäuble.