Bundesländer haben Weg für zweiten Anlauf zum NPD-Verbot freigemacht. Doch Skepsis bleibt. Norbert Lammert äußert schwere Bedenken.
Berlin/Köln. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) äußert scharfe Kritik am Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD. Das von den Bundesländern angestrebte Verfahren sei „nicht durchdacht“ und lediglich ein Reflex auf die Mordanschläge der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, sagte der Bochumer CDU-Politiker.
Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wiederholte seine Skepsis bezüglich der Erfolgsaussichten des Antrags beim Bundesverfassungsgericht. Es sei kein Automatismus, dass sich Bundesregierung und Bundestag dem Antrag der Länder anschließen. Ebenso verwies der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf die juristischen Risiken.
Parlamenentspräsident Lammert sprach sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagsausgabe) gegen einen entsprechenden Verbotsantrag des Bundestages aus. Der CDU-Politiker äußerte Zweifel, ob die von den Innenministern der Länder zusammengestellte Materialsammlung für ein Verbot der NPD ausreiche. Die juristischen Begründungen leuchteten ihm nicht ein. „Man soll es besser bleiben lassen“, empfahl Lammert.
Dagegen sind knapp drei Viertel der Deutschen für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD. In einer am Freitag in Köln veröffentlichten ARD-Umfrage sprachen sich 73 Prozent der Deutschen dafür aus, die rechtsextremistische Partei zu verbieten. 22 Prozent sind dagegen. Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) glauben allerdings, dass ein Verbot der NPD in erster Linie ein symbolisches Zeichen wäre, wie es hieß. Nur 28 Prozent gingen davon aus, dass es ein wirksames Mittel wäre, um den Rechtsextremismus in der Gesellschaft zurückzudrängen. Für den „Deutschland-Trend“ der ARD befragte das Institut Infratest dimap am Dienstag und Mittwoch 1.000 Bundesbürger ab 18 Jahren.
Am Donnerstag hatten die Regierungschefs der Bundesländer das Votum ihrer Innenminister unterstützt, über den Bundesrat einen Antrag für ein NPD-Verbot an das Bundesverfassungsgericht zu stellen. Den Antrag für ein Parteiverbot können Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag stellen. Die Bundesregierung will nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) innerhalb des ersten Quartals 2013 über eine Beteiligung am Antrag der Länder entscheiden wird.
Bundesinnenminister Friedrich sagte am Freitag im Deutschlandfunk, für den juristischen Erfolg des Verfahrens sei es unerheblich, ob Regierung und Bundestag den Antrag formal unterstützen. Gleichwohl werde er sich um einen Schulterschluss mit dem Parlament bemühen und die Fraktionen umfassend unterrichten. In jedem Fall werde sein Ministerium die Antragsteller bei der Beweisführung unterstützen.
Ein erstes Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD war 2003 gescheitert, weil die Beweise auch von V-Leuten in den Führungsetagen der Partei stammten. Lammert sagte, das Risiko, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot des Bundesverfassungsgerichts aufhebe, sei groß. Der politische Einfluss der NPD sei „selten so gering wie heute“, eine „akute Bedrohung der Demokratie“, wie es die europäische Rechtsprechung fordere, könne für Deutschland nicht plausibel erklärt werden, betonte der Bundestagspräsident. Die rechtsextreme Szene in Deutschland sei weitaus größer und relevanter als die NPD selbst, so dass ein Verbot der NPD auch der Sache nach nicht helfen würde.
Auch der hessische Ministerpräsident Bouffier sieht weiterhin große rechtliche Risiken in dem neuen Verfahren. Diese lägen vor allem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, sagte der CDU-Politiker dem Berliner „Tagesspiegel“ (Freitagsausgabe). So halte der Gerichtshof ein Verbot etwa dann für gerechtfertigt, wenn die betreffende Partei den Terrorismus unterstütze. „Da gibt es in puncto NPD sachlich erhebliche Zweifel.“