Fast alle Länder haben sich für ein neues NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Der Bund hält sich in der Frage jedoch bedeckt.
Berlin. Die Bundesländer wollen notfalls auch im Alleingang und gegen alle Widerstände ein neues NPD-Verbotsverfahren anstoßen. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sprach sich am Dienstag dafür aus, zur Not diesen Weg zu gehen. Abgeordnete von Union und SPD riefen dagegen zu Geschlossenheit von Bund und Ländern gegen die rechtsextreme Partei auf. Die letzten Skeptiker unter den Ländern, Hessen und das Saarland, hielten sich auch kurz vor der Entscheidung der Innenminister bedeckt, wie sie sich positionieren. Erwartet wird dennoch eine breite Ländermehrheit für einen Verbotsantrag.
An diesem Mittwoch wollen ihre Innenminister in Rostock-Warnemünde darüber entscheiden, am Donnerstag wird in Berlin das Votum der Ministerpräsidenten erwartet. Die saarländische Innenministerin Monika Bachmann (CDU) will ihre Entscheidung erst am Mittwoch fällen, wie eine Sprecherin auf Anfrage sagte. Bachmann wolle mit ihren Amtskollegen zuerst die Prozessrisiken ausloten. Auch Hessen war zuletzt noch unentschieden. Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) warnte ausdrücklich, das Bundesverfassungsgericht sei nicht die einzige Hürde bei einem Verbotsverfahren, sondern auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Offen ist auch noch, ob Bundestag und die Bundesregierung bei dem Länder-Vorstoß mitziehen. Vor allem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht ein neues Verbotsverfahren skeptisch und verweist immer wieder auf die Risiken. 2003 war ein erster Anlauf in Karlsruhe gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leute) auch in der NPD-Führung tätig waren.
Stahlknecht betonte, heute gebe es eine ganz andere Ausgangslage. Damals habe sich das Gericht nicht inhaltlich mit dem Verbot beschäftigt, sondern die V-Leute in der NPD als Hinderungsgrund gesehen. Nun werde Material ohne V-Mann-Informationen vorgelegt. „Geschlossenheit ist immer der bessere Weg“, betonte er. Allerdings sei es auch ausreichend, wenn nur die Länder diese Woche den Gang nach Karlsruhe beschlössen. „Für das Formaljuristische reicht das.“
Die Gewerkschaft der Polizei rief zu mehr Gelassenheit auf und mahnte, Demokraten dürften sich in der Frage nicht aufspalten lassen. Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann forderte ein gemeinsames Vorgehen. „Gegen die NPD sollten wir große Entschlossenheit demonstrieren“, forderte er. „Alle drei Verfassungsorgane sollten klagen.“
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), warnte: „Wenn der Bundesrat einen Antrag stellt, wäre es ein schwieriges Signal, wenn die Bundesregierung sich daran nicht ebenfalls beteiligt.“ Der Bundestag sei dabei weniger bedeutsam, sagte er der „Welt“.
SPD und Grüne verlangten eine klare Positionierung von Friedrich. Der Ressortchef hält sich damit bislang zurück. Der Sprecher der SPD-Landesinnenminister, Ralf Jäger aus Nordrhein-Westfalen, forderte Friedrich auf, für Klarheit zu sorgen. Dass sich der CSU-Politiker nicht erkläre, helfe niemandem, sagte Jäger der „Welt“. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Friedrich Entscheidungsunfähigkeit vor.
Zahlreiche Rechts- und Innenpolitiker der Grünen halten ein neues NPD-Verbotsverfahren allerdings für aussichtslos. Auf der jetzigen Grundlage sei ein solcher Schritt zum Scheitern verurteilt, mahnten Fachpolitiker der Partei aus Bund und Ländern in einer Erklärung. Die Verfassungswidrigkeit der NPD-Aussagen reiche als Verbotsgrund nicht.
Auch der Prozessbevollmächtigte des Bundestags im ersten Verbotsverfahren, Günter Frankenberg, sieht die Erfolgsaussichten skeptisch: „Die Verfassungsschutzämter müssten die Anträge prüfen und alle Beweismittel streichen, die V-Leuten zuzurechnen sind“, sagte er der dpa. „Man muss sicherstellen, dass kein einziges Beweisstück infiziert ist. Ich habe Zweifel, ob das gelingt.“